Management im Revier

Arbeitsrecht: Rufbereitschaft vs. Bereitschaftsdienst – kleine Unterschiede mit großer Wirkung

Die Trennlinie zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände zu bestimmen und damit unscharf. Die richtige Einordnung ist gerade für Betriebe mit Notfalldiensten aus arbeitsschutz- und vergütungsrechtlicher Sicht von Bedeutung.

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von REGIO MANAGER 15.07.2024 Anzeige
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Dr. André Bienek, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Essener Kanzlei ROTTHEGE, fasst im vorliegenden Beitrag die aktuellen Leitlinien zusammen. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst folgen unterschiedlichen Konzeptionen: Während des Bereitschaftsdienstes hat sich der Arbeitnehmer an einem von dem Arbeitgeber festgelegten Ort aufzuhalten, um seine Arbeit erforderlichenfalls unverzüglich aufnehmen zu können. Bei der Rufbereitschaft ist der Arbeitnehmer hingegen nicht ortsgebunden, sondern in der Wahl seines Aufenthaltsorts und seiner Freizeitgestaltung relativ frei. Er muss lediglich erreichbar sein, um seine Tätigkeit bei Bedarf innerhalb einer gewissen Zeitspanne aufnehmen zu können.

Die auf den ersten Blick nur geringfügigen Unterschiede haben in der Praxis weitreichende Folgen. Während der gesamte Bereitschaftsdienst arbeitsschutz- und vergütungsrechtlich Arbeitszeit darstellt, werden bei der Rufbereitschaft lediglich die tatsächlich erbrachten Arbeitseinsätze als Arbeitszeit qualifiziert.

Probleme ergeben sich, wenn Unternehmen eine Rufbereitschaft installieren, es sich tatsächlich jedoch um Bereitschaftsdienst handelt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitgeber zwar keine Vorgaben zur Ortswahl gibt, die Reaktionszeiten, in denen der Arbeitnehmer einsatzbereit sein muss, aber so kurz bemisst, dass eine freie Ortswahl und ein relativ freies Freizeitverhalten faktisch nicht möglich sind. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine Reaktionszeit von ca. 30 Minuten ausreichen kann, um von Rufbereitschaft auszugehen. Eine Reaktionszeit von 20 Minuten soll hingegen nicht ausreichen (vgl. BAG, 31.01.2002, 6 AZR 214/00).

Über die Reaktionszeit hinaus können aber auch andere Faktoren dazu führen, dass Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren ist. So können auch Häufigkeit und Dauer der Einsätze während der Rufbereitschaft eine Rolle spielen. Es ist stets eine Gesamtabwägung vorzunehmen (vgl. BAG, 27.07.2021, 9 AZR 448/20).

Halten Unternehmen die Vorgaben für eine Rufbereitschaft nicht ein, drohen Verstöße gegen Ruhepausen sowie Ruhe- und Höchstarbeitszeiten, die mit Bußgeldern belegt werden können. Darüber hinaus können sich Unternehmen erheblichen Vergütungsforderungen der betroffenen Arbeitnehmer ausgesetzt sehen. Um einer Falschbeurteilung vorzubeugen, sollten Unternehmen die Reaktionszeiten während der Rufbereitschaft großzügig bemessen. Hierbei sollten auch der Wohnort und der Einsatzradius mitberücksichtigt werden, da diese erheblichen Einfluss auf die Einhaltung der gewählten Reaktionszeiten haben können. Zudem sollten Einsatzhäufigkeit und -dauer beobachtet werden. Nehmen diese an Intensität zu, muss korrigierend eingegriffen werden.

Dr. André Bienek ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Essener Kanzlei ROTTHEGE.
Fragen beantwortet er gerne unter: a.bienek@rotthege.com

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Dr. André Bienek ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Essener Kanzlei ROTTHEGE (© Siegfried Dammrath)

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