Klimawandel, Verkehrswende, CO2-Reduzierung – Themen unserer Zeit. Wirft man einen Blick auf die größten CO2-Verursacher, so ist der Lkw-Verkehr ganz vorne mit dabei. Und dieser wird ständig mehr. Was kann also getan werden, um den Güterverkehr flexibel und effektiv zu halten und trotzdem energiesparend sowie umweltschonend zu fahren?
Fahrzeug- und Trailerhersteller sowie Systemlieferanten sind sich ihrer Verpflichtung bezüglich der Klimaziele sehr wohl bewusst. Entsprechend vielfältig sind die Aktivitäten, und das nicht nur bei alternativen Antrieben. Auch bei der konventionellen Dieselmotorisierung, dem Fahrzeugdesign oder rund um den Antrieb gibt es vielseitige Innovationen: Verbesserte Kraftstoffeffizienz, leichtere Fahrzeuge oder nahtlos integrierte und drehzahlarme Antriebsstränge sorgen für eine Verringerung der Motordrehzahl und einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch.
Reichweite: das ewige Thema
Schaut man sich alternative Antriebe an, so kommt man am Elektroantrieb nicht vorbei. Hielt man es noch vor ein paar Jahren für unmöglich, schwere Fahrzeuge batteriebetrieben für längere Strecken anzutreiben, so sieht heute die Wirklichkeit anders aus. Derzeit liefern alle größeren Lkw-Hersteller Modelle, die zumindest bis zu 250 Kilometer mit einer Batterieladung schaffen. Leistungen, die jedoch bestenfalls für den innerstädtischen Verteilverkehr ausreichen.
Der amerikanische Elektrofahrzeughersteller Tesla plant mit dem „Tesla Semi“ eine Lösung für längere Strecken. Die Basisversion des „Megachargers“ von Tesla soll eine Reichweite von 480 Kilometern haben; die Premium-Version soll es sogar auf über 800 Kilometer bringen. Ob Tesla jedoch wirklich diesen Gamechanger auf den europäischen Markt bringt, bleibt abzuwarten.
Hybridlösungen im Test
Hybride Lösungen bringen oft mehr Flexibilität und größere Reichweiten. Das Projekt ELISA des Bundesumweltministeriums steht für „elektrifizierten, innovativen Schwerverkehr auf Autobahnen“. Auf ersten Teststrecken – sogenannten „e-Highways“ – werden noch bis Ende 2022 Oberleitungen für Hybrid-Lkw errichtet und getestet. Diese befinden sich auf der A1 in Schleswig-Holstein, der A5 in Südhessen sowie der B462 in Baden-Württemberg. Über Stromabnehmer wird der Elektromotor des hybriden Lastwagens während der Fahrt mit Energie versorgt. Sensoren auf dem Lkw erkennen die Oberleitung und verbinden oder trennen automatisch die Abnehmer bei unveränderter Geschwindigkeit. Endet die Oberleitung oder will ein Lkw überholen, springt entweder die Batterie ein oder ein Dieselgenerator. Das Koppeln mit der Oberleitung erfolgt automatisch im fließenden Verkehr, ohne dass die Geschwindigkeit verringert werden muss.
Die Brennstoffzelle lebt
Auch Konzepte zu Lkw, die mithilfe von Brennstoffzellen betrieben werden, sind zukunftsweisend. Besonders attraktiv bei dieser Methode sind die Emissionsfreiheit bei Stickstoffoxiden, CO2 und Feinstaub sowie der hohe Systemwirkungsgrad der Brennstoffzelle. Eine Studie des Frauenhofer-Instituts im Auftrag des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2017 machte allerdings auf einige Hürden dieser Technologie aufmerksam. Einen potenziellen Nachteil sieht die Studie in der reduzierten Reichweite. Aufgrund der derzeit hohen Kraftstoffkosten können sich innovative Antriebe mit höheren Anschaffungskosten nur dann amortisieren, wenn sie mit niedrigen Betriebskosten einhergehen. Einige Hersteller haben bereits diese Anregung übernommen und testen Modelle mit bis zu 1.200 Kilometern Reichweite. Die Mobilitätswende beschleunigen könnte ein kleines US-Start-up namens Nikola, das Pick-ups sowie Lkw mit Elektro- und Wasserstoffantrieb herstellt. Laster mit Lithium-Ionen-Batterie sollen 500 Kilometer, Trucks mit Brennstoffzellen bis zu 1.100 Kilometer weit kommen. Der „Nikola Tre“, ein Modell, das speziell für den europäischen Markt entwickelt wurde, soll im Rahmen eines Joint Ventures im deutschen IVECO-Werk in Ulm gefertigt und 2023 eingeführt werden.
Das 150 Milliarden Euro schwere „Wumms”-Konjunkturpaket der Bundesregierung plant
u. a. den Aufbau einer eigenen Wasserstoffwirtschaft. Branchenexperten hoffen, dass es damit bald mehr H2-Tankstellen geben wird. Zudem dürfte mittelfristig der bisher teuer zu erzeugende Stoff billiger werden – laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey sogar um 50 Prozent in zehn Jahren.
Erdgas bewegt
Der Dritte im Bunde der alternativen Antriebe ist Erdgas. Der Hersteller Scania bietet beispielsweise mit seinem Euro-6-Gasmotor OC13 eine Leistung von 410 PS, die durchaus mit einem Dieselmotor mithalten kann. Nach Angaben des Herstellers kann ein Sattelzug von bis zu 40 Tonnen beim Einsatz von flüssigem Erdgas (LNG) mit einer Tankfüllung bis zu 1.100 Kilometer zurücklegen –
mit LNG-Doppeltanks sogar bis zu 1.600 Kilometer. Der innovative Gasmotor ermöglicht dabei eine Senkung des CO2-Ausstoßes um bis zu 90 Prozent.
Wer wagt den Wechsel?
Wie sieht es denn nun mit der Bereitschaft der Unternehmen aus, auf alternative Antriebsformen umzusteigen? Die Anforderungen dafür hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in einer quantitativen Studie ermittelt. Im Hinblick auf die ökonomischen Kriterien sind sich die Befragten weitgehend einig: Gesamtkosten und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Faktoren für einen Umstieg. Die Untersuchung zeigt auch, dass bei mehr als 50 Prozent der Befragten ökologische Aspekte ebenfalls eine Rolle spielen. Vor allem größere Unternehmen zeigten sich umsteigebereit, da sie eher über die finanziellen Mittel verfügen. Und durch die niedrigeren Betriebskosten sowie die höheren durchschnittlichen Fahrleistungen rentieren sich die Investitionen hier schneller. Viele größere Organisationen verfügen außerdem über Leitlinien, in denen unternehmerische Sozialverantwortung und Umweltschutz verankert sind. Die Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte hat in ihrer Global Truck Study 2020 das Potenzial alternativer Antriebe analysiert. Das Ergebnis: Im Jahr 2030 werden europaweit wohl mehr als 30 Prozent der Lkw emissionsfrei fahren.
Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de
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