„So geht es häufig in der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit. Man spielt das gleiche Spiel, aber mit unterschiedlichen Regeln“, schreibt Ute Schürings, Dozentin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation mit dem Schwerpunkt Niederlande. „Kennt man diese Regeln, so lässt sich so manches Problem vermeiden – weil man weiß, was der andere meint. Dies gilt nicht nur für das Arbeitsleben, sondern auch für private Kontakte.“
Du ist nicht gleich Du
Ein Beispiel ist das Duzen: In den Niederlanden duzt man sich im Kollegenkreis und oft auch mit dem Chef, aber anders als in Deutschland gilt dabei in erster Linie eher der praktische Nutzen als das Freundschaftsangebot. Das Du ist schneller und unkomplizierter, ähnlich dem englischen you. Wichtig ist also, sich immer mit Vor- und Nachnamen vorzustellen.
Das Verständnis von Respekt und Höflichkeit im beruflichen Alltag ist in beiden Ländern komplett unterschiedlich. In den Niederlanden erkundigt man sich viel mehr nach privaten Dingen und das auch jenseits der Hierarchieebenen. Auf Status und Position wird weniger geachtet, ebenso auf Äußerlichkeiten und Titel. Ein gutes Arbeitsklima und soziale Kompetenzen sind wichtiger als Titel und Hierarchien. Diese spielen eine untergeordnete Rolle und haben eher praktische Gründe, die die Kommunikation erleichtern. Während man in Deutschland zunächst nach der Fachkompetenz und dem Lebenslauf beurteilt wird, ist es in den Niederlanden umgekehrt. Dort steht die Persönlichkeit im Vordergrund.
In Deutschland steigen Manager meist aus einer bestimmten Fachdisziplin auf und qualifizieren sich über ihr Wissen. Deshalb kennen deutsche Chefs meist alle Einzelheiten und technischen Details ihrer Produkte. In den Niederlanden ist Fachkompetenz Sache der Fachleute im Betrieb, etwa der Ingenieure. Bei einem Termin mit einem niederländischen Unternehmen, in dem man sich für Details interessiert, sollte man diesen Sachverhalt vor Augen haben und klar äußern, also nicht nur den Chef, sondern auch den Ingenieur einladen, oder nur den Ingenieur. Denn niederländische Mitarbeiter haben oft weitreichendere Befugnisse als deutsche und müssen nach einer Vereinbarung nicht erst die Zustimmung des Chefs einholen. Das ist in Deutschland noch eher selten der Fall.
Unübersetzbar: Overleg
Witz und Humor gehören auch bei offiziellen Anlässen oder Verhandlungen dazu und stören die Ernsthaftigkeit keineswegs. Auch die Kleiderordnung ist nicht so streng wie bei uns, Schlips und Anzug kommen nur selten vor. „Niederländische Mitarbeiter erwarten, miteinbezogen zu werden“, schreibt Ute Schürings. Dafür gibt es den Begriff „Overleg“. Bei diesen Terminen wird versucht, einen Konsens zu erzielen, oder, wenn das nicht möglich ist, einen Kompromiss auszuhandeln. Das kostet zwar Zeit, aber dafür werden die Ergebnisse später von allen getragen. Im Deutschen gibt es für Overleg weder eine Entsprechung noch eine Übersetzung. „Verhandlung“ trifft es nicht ganz, „gemeinsame Vorüberlegung“ wohl eher. „Es handelt sich um eine offene Beratschlagung mehrerer Parteien, die zunächst dem Austausch von Ideen und Meinungen dient. Es sollte zwar eine Einigung erzielt werden, diese kann jedoch relativ vage bleiben.“
In Deutschland werden Besprechungen eher als Abschluss eines Arbeitsprozesses gesehen: Man erwartet klare Entscheidungen, Ziele und Zuständigkeiten. Im Gegensatz dazu sind Meetings in den Niederlanden oft nur ein Schritt auf dem Weg zur Entscheidungsfindung oder eine Gelegenheit, Informationen auszutauschen. Ein Lösungsweg für bessere Kommunikation: Ein kurzes Ergebnisprotokoll, wer was bis wann erledigt, an alle Beteiligte verschickt, bringt Klarheit über Erwartungen und Ziele.
Nachfragen ist besser
Auch bei der behördlichen Zusammenarbeit ist es wichtig, sich vorab über Zuständigkeiten zu informieren. Nicht immer können ähnlich lautende Rangbezeichnungen auch Auskunft über die Befugnisse und Aufgaben geben. Manchmal ist es besser, sich zum Beispiel bei den Euregio-Büros zu erkundigen, wer wofür zuständig ist.
In den Niederlanden ist man bei Verhandlungen eher prozessorientiert und pragmatisch, in Deutschland ergebnisorientiert und problembewusst. Deutsche gehen dabei eher systematisch vor und versuchen, vor der inhaltlichen Diskussion einen Konsens zu erzeugen. In den Niederlanden kommt man direkt zur Sache und geht nicht systematisch, sondern assoziativ vor. Das kann zu schnellen Ergebnissen, aber auch zu Missverständnissen führen, weil die Ausgangsbedingungen nicht für alle klar sind.
Ute Schürings’ Fazit: „Deutsche empfingen die Niederländer oft als ungewöhnlich direkt, manchmal sogar als unhöflich. Dies liegt jedoch nicht an mangelnden Umgangsformen, sondern ist auf den niederländischen Pragmatismus zurückzuführen. Man kommt sofort auf den Kern der Sache zu sprechen. Es gibt ein Problem? Okay, schaffen wir es aus der Welt, rasch und ohne Umschweife. Dafür ist man dann sogar bereit, sich über vieles hinwegzusetzen, etwa Traditionen oder Hierarchien – Hauptsache, das Ziel wird erreicht.“ Literatur zum Thema: Schürings, Ute: Zwischen Pommes und Praline. Mentalitätsunterschiede, Unternehmens- und Verhandlungskultur in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Nordrhein-Westfalen, Münster 2003. Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de
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