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Das Karibik-Urteil des BGH

Auswirkungen der Entscheidung auf die M&A-Praxis.

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von Regiomanager 01.03.2016
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Das aktuelle „Karibik-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Az. IX ZR 32/12 führt zu einem möglicherweise noch nicht ausreichend erkannten Haftungsrisiko für Verkäufer bei einer M&A-Transaktion im Falle einer späteren Insolvenz der verkauften Gesellschaft.

Die Ausgangslage ist wie folgt kurz beschrieben: Ein gängiges Szenario war und ist es, dass der veräußerungswillige Gesellschafter im Rahmen einer M&A-Transaktion zusammen mit seinen Anteilen auch Forderungen, in der Regel aus Gesellschafterdarlehen, gegen die Gesellschaft verkauft. Dies erfolgt häufig vor dem Hintergrund, dass er nun ohne Einfluss auf die Gesellschaft ist. Regelmäßig hat der Verkauf Einfluss auf die Kaufpreisfindung. Ungemach droht nun den Beteiligten aufgrund der Rechtsprechung des BGH für den Fall der Insolvenzantragstellung binnen Jahresfrist seit der Transaktion, wenn in dieser Zeit (Rück-)Zahlungen auf die Forderung vorgenommen worden sind. Neu in diesem Zusammenhang ist, dass auch Ungemach droht, wenn Rückzahlungen an den neuen Gesellschafter und Erwerber der Darlehensforderung erfolgen. In der Karibik-Entscheidung wendet nun der BGH das Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung, insbesondere § 135 InsO, an. Der BGH hat in dieser Entscheidung judiziert, dass sowohl der Alt- als auch der Neugläubiger als Gesamtschuldner für Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen binnen Jahresfrist vor Insolvenzantragstellung haften. Vereinfacht lag der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Alleingesellschafterin einer KG hat als indirekte Gesellschafterin dieser KG ein Darlehen über 500.000 gewährt und den Rückzahlungsanspruch hierauf später zu einem Kaufpreis von 75 Prozent der Nominalforderung an eine englische Limited mit Sitz in der Karibik (daher „Karibik-Urteil“) veräußert. Gesellschafterin der KG wurde die englische Limited nicht. Circa drei Monate nach Übertragung der Darlehensforderung an die Limited zahlte die KG die Darlehensforderung vollständig an die Limited zurück. Weitere zwei Monate später stellte die KG einen Insolvenzantrag.

Erstaunliche Komponente 

In dem vorliegenden Karibik-Fall hat der BGH entschieden, dass die Rückzahlungspflicht aufgrund der Insolvenzanfechtung nicht nur die englische Limited (Zessionar), sondern auch die ursprüngliche Gesellschafterin der KG (Zedent) trifft. Dies ist umso erstaunlicher, da die ursprüngliche Gesellschafterin der KG überhaupt keine Zahlung von der Gesellschaft erhalten hat. Zum besseren Verständnis muss § 135 InsO erläutert werden. § 135 InsO sieht vor, dass Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen binnen Jahresfrist vor Insolvenzantragstellung, völlig unabhängig davon, ob die Gesellschaft sich in einer Krise befindet oder nicht, dazu führen, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die erhaltenen Zahlungen an den Insolvenzverwalter herauszugeben sind. Das Besondere und damit auch Gefährliche für die M&A-Praxis an der Karibik-Entscheidung des BGH ist aber nun, dass der ursprüngliche Darlehensgläubiger und Gesellschafter überhaupt keine Zahlung von der KG erhalten hat. Gleichwohl haben nach Auffassung des BGH sowohl der alte als auch der neue Gläubiger für die Rechtsfolgen der Anfechtung einzustehen. Erstaunlich an der Karibik-Entscheidung ist, dass der BGH den naheliegenden Gedanken, das Haftungsrisiko des ursprünglichen Darlehensgläubigers der Höhe nach auf den erhaltenen Kaufpreis zu beschränken, in keiner Weise erörtert. Die Erstattungspflicht auch des ursprünglichen Darlehensgläubigers besteht nach Auffassung des BGH in voller Höhe unabhängig davon, in welcher Höhe er einen Zufluss zu verzeichnen hatte. Das wirtschaftliche Risiko besteht daher in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Rückzahlungsbetrag. Im Karibik-Fall aber zahlt der ursprüngliche Darlehensgläubiger noch drauf! Er hat 75 Prozent der Nominalforderung erhalten, muss aber nun 100 Prozent der Nominalforderung gesamtschuldnerisch zahlen. Wird dieser Betrag von ihm nun an den Insolvenzverwalter gezahlt, hat er einen Innenausgleichsanspruch gegen die Limited in Höhe von 50 Prozent. Im Falle der (zweifelhaften) Werthaltigkeit und Durchsetzbarkeit dieses Ausgleichsanspruchs kann das Risiko entsprechend minimiert sein. Im Karibik-Fall war es so, dass 100 Prozent Haftung besteht und damit ein 50-prozentiger Ausgleichsanspruch gegen die Limited. Im Ergebnis kann der alte Darlehensgläubiger 25 Prozent der Darlehensforderung als Zufluss behalten. Das Risiko für den Veräußerer steigt jedoch, je größer die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Zahlungsbetrag an den neuen Gläubiger ist. Erfolgt die Veräußerung der bestehenden Gesellschafterfinanzierung im Rahmen eines M&A-Prozesses zu lediglich einem symbolischen Kaufpreis, steigt das Risiko bis zur Höhe der Nominalforderung. Dem Karibik-Fall liegt kein klassisches M&A zugrunde, da die Gesellschaftsanteile nicht mitveräußert worden sind. Nach Auffassung des Autors ändert dies jedoch nichts an dem Risiko für den Veräußerer. Auch und gerade im Falle der Veräußerung der Gesellschaftsanteile und der Darlehensforderung wird der BGH an dem in § 135 InsO angelegten Grundgedanken der Anfechtung der rückgeführten Fremdfinanzierung durch einen Gesellschafter sowie der Jahresfrist festhalten. Der BGH erteilt mit der Karibik-Entscheidung konsequent allen Versuchen der Umgehung der Insolvenzanfechtung eine Absage. Es bleibt daher der Beratungspraxis nur, dies aufzugreifen und zu beachten, da bei Handlungen innerhalb der Jahresfrist die handelnden Protagonisten immer damit rechnen müssen, dass der Insolvenzverwalter einen Erstattungsanspruch geltend macht.

Finanzierung erschwert

Durch die Karibik-Entscheidung wird die Fremdfinanzierung eines Unternehmens, insbesondere bei Start-up-Unternehmen, erschwert. Die Finanzierungskonstellation, dass nicht der Gesellschafter, sondern ein ihm nahestehender Dritter (ein Konzernunternehmen oder ein Familienmitglied) die Finanzierung übernimmt, ist nicht abschließend geklärt. Nach Auffassung des Autors wird der BGH auch in diesen Fällen zur Anfechtung und Haftung der Protagonisten kommen. Der Konstellation, dass das Gesellschafterdarlehen später verkauft und abgetreten wird, hat der BGH mit der Karibik-Entscheidung eine Absage erteilt. Die Karibik-Entscheidung hat daher erhebliche Auswirkungen auf die Praxis des Factoring und des Debt Restructuring, sogenannte Non Performing Loans. Das Gesetz selbst bietet zwei Wege an, eine Gesellschafterfinanzierung aus der Insolvenzanfechtung herauszuhalten. Dies sind das Kleinbeteiligungs- (zehn Prozent Beteiligung) und das Sanierungsprivileg. Letzteres greift allerdings nur dann, wenn die Finanzierung des Unternehmens in der Krise erfolgt und mit einem Sanierungskonzept unterlegt ist. Alternativ kann überlegt werden, dass der Alt-Eigentümer vor Veräußerung der Gesellschaftsanteile das Darlehen in die freie Kapitalrücklage einlegt. Im Falle der Werthaltigkeit beeinflusst diese Maßnahme die Kaufpreisfindung. Im Falle eines Distressed M&A, also der nicht vollen Werthaltigkeit, kann der so entstehende außerordentliche Ertrag (zum Teil) mit Verlustvorträgen oder laufenden Verlusten verrechnet werden. Bleibt es aber dabei, dass Forderungen aus dem Gesellschafterdarlehen mitveräußert werden, so können im Kaufvertrag Vorkehrungen getroffen werden. Es können Freistellungsklauseln bezüglich Verfügungen, insbesondere Rückzahlungen des Gesellschafterdarlehens, vereinbart werden. Neben diesen schuldrechtlichen Vorkehrungen kann eine Sicherungsmaßnahme dergestalt in den Vertrag aufgenommen werden, dass die Darlehensforderung zugunsten des Verkäufers verpfändet wird. Dies hat zur Folge, dass schuldbefreiend nur an Verkäufer und Käufer gemeinschaftlich gezahlt werden kann. Als weitere Möglichkeit kommt eine Sicherungsabtretung der Darlehensforderung infrage. Im Ergebnis darf festgehalten und den Protagonisten einer M&A-Transaktion dringend angeraten werden, neben den arbeits- und steuerrechtlichen Implikationen auch die gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Implikationen im Blick zu haben.

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