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Daten oder Bauchgefühl?

Führungskräfte müssen täglich Entscheidungen treffen – oft unter Unsicherheit. Ist Intuition der bessere Ratgeber oder sind Zahlen und Fakten verlässlicher?

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von Petra Walther 14.03.2025
(© deagreez – stock.adobe.com)

Steve Jobs, Mitbegründer von Apple, war bekannt dafür, dass er nicht immer rational entschieden hat. Bei der Entwicklung von Produkten verließ er sich weitgehend auf seine Intuition. Auch andere erfolgreiche Unternehmer vertrauen häufig auf ihr Bauchgefühl. Zum Beispiel der britische Multi-Unternehmer Richard Branson. Obwohl Experten davon abrieten, gründete er vor mehr als 30 Jahren die Fluggesellschaft Virgin Atlantic. Wie er auf seiner Webseite in einem Blogbeitrag berichtet, musste er dafür eine Reihe von Risiken eingehen. Hätten er und sein Team sich nur darauf konzentriert, wäre die heute gut florierende Fluggesellschaft vielleicht nie auf den Markt gekommen. „Aber ich wusste, dass der Markt reif für eine Disruption war und die Menschen eine Fluggesellschaft verdienten, die ihnen einen besseren Service bot“, schreibt Branson in seinem Blog. „Wir müssen immer die Gefühle der Menschen berücksichtigen, wenn wir Entscheidungen treffen, und Daten allein werden dem nicht gerecht“, so seine Überzeugung. Branson appelliert dementsprechend an andere Unternehmer und Unternehmerinnen, den menschlichen Instinkt im Business nicht zu vergessen, der eigenen Intuition zu folgen und neugierig zu bleiben – auch wenn Daten und Analysen viele Möglichkeiten bieten würden, kalkulierter Risiken einzugehen, die Effizienz zu steigern und Entscheidungen zu treffen.

 

Intuition basiert auf gesammelten Erfahrungen

Wie Prof. Dr. Ewald Scherm, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation und Planung an der FernUniversität in Hagen, sagt, basiert Intuition ebenfalls auf Daten. Scherm forscht zum Thema „Intuition bei Managemententscheidungen“. In einem Kapitel des Buches „Nachhaltiges Entscheiden“ führt er aus, dass die Intuition Muster aus den eigenen gesammelten Erfahrungen erkennt und diese als „erfolgreich“ und „nicht erfolgreich“ abspeichert. Unser Körper merkt sich, was erfolgreich war und was nicht, und wenn eine Situation mit einem bereits bekannten oder ähnlichen Muster auftritt, meldet sich unser Bauchgefühl und leitet uns in eine bestimmte Richtung.
Scherm beschreibt zudem, dass die Intuition uns dazu bringen kann, zu improvisieren: Wir wiederholen ein erfolgreiches Handeln in einer ähnlichen Situation dann nicht einfach. Vielmehr bringt uns unsere Intuition dazu, die neue Situation vollständig zu erfassen und Anpassungen vorzunehmen.

 

Intuition bei schwierigen Entscheidungen

Die Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaft an der Universität Oxford Ruth Chang, sieht Intuition ebenso als eine Art „interne Sammlung“ von Erfahrungen, die uns in komplexen, unsicheren und sich schnell ändernden Situationen leitet, in denen Daten allein nicht ausreichen oder nicht eindeutig sind. In einem TED-Talk zeigt Chang, dass Manager und Managerinnen bei Entscheidungen oft Daten und Intuition kombinieren müssen. Vorwiegend datengesteuert zu entscheiden, wäre dann zu bevorzugen, wenn man klare, objektive Informationen benötige, beispielsweise bei finanziellen Entscheidungen, Risiken oder systematischen Prozessen. Daten könnten dabei helfen, fundierte, rationale Entscheidungen zu treffen, wenn die Situation eindeutig sei. Bei schwierigen Entscheidungen indes spiele das Bauchgefühl eine tragende Rolle. Ferner könne Intuition helfen, unbewusste Präferenzen oder versteckte Werte zu erkennen, die in einer rein datenbasierten Analyse möglicherweise übersehen werden.
Die Expertin für „Entscheidungsfindung“ fordert dazu auf, sich nicht von der vermeintlichen Schwierigkeit einer Entscheidung entmutigen zu lassen. Sie ermutigt, die Kontrolle zu übernehmen und bewusst zu entscheiden, was man als wichtig erachtet. Als Führungskraft bedeutet das, Entscheidungen nicht nur auf Daten zu stützen, sondern auch darauf, wie diese Daten mit den Unternehmenswerten, Zielen und Visionen in Einklang stehen.

 

Schnell oder langsam Denken?

Der israelisch-amerikanische Psychologe und Wirtschaftswissenschaftler Daniel Kahnemann hat zu seinen Lebzeiten – er ist 2024 gestorben – indes davor gewarnt, sich bei wichtigen Entscheidungen in komplexen und unbekannten Bereichen zu sehr auf die eigene Intuition zu verlassen. Er rät vielmehr dazu, es langsam angehen zu lassen und nach objektiven Fakten zu suchen, systematisch Daten zu sammeln und bewusst nach Beweisen zu suchen, welche die Entscheidung stützen.
Der Hintergrund hierfür: In seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ beschreibt Kahnemann zwei Denksysteme. System 1 steht für schnelles Denken. Entscheidungen werden ohne bewusste Anstrengung getroffen, häufig auf Basis von Erfahrungen und Intuition. System 2 steht für langsames Denken. Hier greifen wir auf Daten, Fakten und logische Überlegungen zurück, um Entscheidungen zu treffen.

 

Intuition mit Daten validieren

Kahnemann zufolge sollten aber auch sonst Daten genutzt werden, um die eigene Intuition zu validieren. Experten und Manager seien zwar oft in der Lage, gute Entscheidungen auf Basis von Intuition zu treffen – aber nur, wenn sie über umfangreiche Erfahrung und regelmäßiges Feedback aus der Realität verfügen. In vielen Geschäftsbereichen sei es jedoch schwierig, auf umfangreiche Erfahrung zurückzugreifen oder klare Rückmeldungen zu erhalten.
Darüber hinaus ist es laut des verstorbenen Ökonomen sinnvoll, sich möglicher kognitiver Verzerrungen bewusst zu sein, wenn man auf sein Bauchgefühl vertraut, und sie mittels Daten auszugleichen beziehungsweise sich ein objektiveres Bild zu verschaffen. Zu den kognitiven Verzerrungen gehören unter anderem:

  • Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Wir neigen dazu, Informationen zu suchen und zu bevorzugen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen.
  • Verfügbarkeitsheuristik: Wir neigen dazu, das wahrscheinlichste oder naheliegende Beispiel zu wählen, weil es uns am einfachsten einleuchtet.
  • Overconfidence Bias: Wir überschätzen oft unsere Fähigkeit, Entscheidungen richtig zu treffen, und sind zuversichtlich, auch wenn die Daten unsicher oder unvollständig sind.

Entscheidungsstrategien kombinieren

Fazit: Ob intuitiv oder datenbasiert gehandelt werden sollte, kommt letztlich auf den Kontext und die Situation an. Geschäftsleute tun gut daran, die beiden Entscheidungsstrategien zu kombinieren. So ist es ratsam, auf sein Bauchgefühl und seine Erfahrungen zu vertrauen, wenn man in vertrauten Bereichen mit klaren und schnellen Entscheidungen konfrontiert ist. Sind langfristige Entscheidungen vor einem komplexen, unsicheren Hintergrund zu treffen, ist es wiederum sinnvoll, Daten zu nutzen. Wichtig ist es, sich bewusst zu sein, welche kognitive Verzerrungen die Entscheidungen beeinflussen können und zu versuchen, sein Bauchgefühl durch objektive Daten und rationale Überlegungen zu hinterfragen.
Petra Walther | redaktion@regiomanager.de

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