Manchmal ist es wie verhext: Da läuft es im letzten Monat noch wie geschmiert bei Vertriebler X und jetzt wirkt er demotiviert, fast launisch. Beklagt sich über den Druck oder über den schwierigen Kunden. Bei Kollege Y ist es umgekehrt. Dabei haben beide doch die gleichen Voraussetzungen und das gleiche Umfeld in der Firma. Woran liegt das? Der Vertriebler – das unbekannte Wesen? Kann man es ihm nie recht machen? Doch, man kann – man muss nur wissen, wie. Vertriebler lassen sich eben doch nicht alle über einen Kamm scheren. Sie müssen ganz individuell behandelt werden. Das weiß in Deutschland kaum einer besser als Vertriebstrainer und Speaker André May. Dafür ist der 44-Jährige selbst durch eine harte Schule gegangen: Der gelernte Bankkaufmann machte sich bereits als 20-Jähriger in der Finanzdienstleistung selbstständig und arbeitete sich bis in die Führungsetage einer der führenden deutschen Privatbanken hoch. „Man braucht grundsätzlich ein Anreizsystem aus harten und weichen Faktoren, das alle Vertriebler im Team erreicht“, holt May aus.
Fair und
transparent belohnen
„Zu den harten Faktoren zählt ein faires und transparentes Provisionssystem.“ Fair bedeutet z.B., zwischen dem Vertrieb bei Neu- und bei Bestandskunden zu unterschieden. Vertriebler, die auf neue Kunden angesetzt werden, sogenannte „Hunter“, haben es weitaus schwerer als „Farmer“, also solche Vertriebler, die die Beziehung zu bereits vorhandenen Kunden pflegen – und das sollte sich auch in der Vergütung niederschlagen. Damit Leistung entsteht, braucht es auch eines gewissen Drucks. Dafür hat ein guter Vertriebsleiter verschiedene Instrumente parat. Sogenannte Rennlisten beispielsweise, bei denen die Leistungen aller Vertriebsmitarbeiter für alle zugänglich aufgelistet werden. Den besten Verkäufern winken besondere Prämien – und das weckt schlafende Umsätze. Die Belohnung für die Aufnahme in den sogenannten „Klub der Besten“ kann dann z.B. eine Fernreise sein oder eine bestimmte Aktivität, die man sich sonst vielleicht nicht leisten würde. Wie man es schafft, zu diesen Top-Verkäufern zu gehören, dafür gibt es verschiedene Ansätze. Ein beliebter ist das „Modelling of Excellence“: Ähnlich wie beim Best Practice wird hier bewährtes erfolgreiches Verhalten übernommen und versucht zu optimieren.
Druck ist wichtig, aber er darf auch nicht lähmen: „Die Kunst ist, solche individuellen Umsatzziele mit dem Vertriebsmitarbeiter zu vereinbaren, für die er sich zwar sehr anstrengen muss, die er aber auch für realistisch hält. Denn er muss die Ziele auch akzeptieren.“ Eine weitere Möglichkeit, die allgemeine Motivation anzuheben, sind regelmäßige Incentives. Dazu zählen etwa schicke oder nützliche Produkte für die Vertriebsmitarbeiter, aber auch ein großes sommerliches Grillfest, bei der die Familie mit von der Partie sein darf.
Wertschätzen
und motivieren
Nur mit finanziellen Anreizen wird man auf Dauer aber keinen guten Vertriebler halten können. Denn an Geld gewöhnt er sich. So banal und floskelhaft es sich vielleicht anhört, aber er braucht vor allem eins: Wertschätzung! „Vertriebler bewegen sich ständig außerhalb ihrer Komfortzone, vor allem bei der Neukunden-Akquise. Umso wichtiger ist ein wertschätzendes, positives und motivierendes Umfeld. Sonst brennen sie irgendwann aus“, weiß André May. Die Form der entgegengebrachten Wertschätzung muss bei jedem Vertriebsmitarbeiter individuell ausgelotet werden – und die haben teils sehr unterschiedliche Charaktere und Glaubenssätze. Der bekannte Vertriebsprofi Prof. Karl Pinczolits hat sie in seinem Bestseller z.B. in „Diven“, „Rosinenpicker“ oder „Regenmacher“ eingeteilt (siehe INFO-Kasten). Eine Diva etwa braucht kein wöchentliches Vertriebs-Gespräch – sie ist dermaßen positiv und von sich überzeugt, dass sie das nur als Zeitverschwendung und unnötige Kontrolle ansehen würde. Andere Glaubensvertreter benötigen da schon etwas mehr Betreuung. Wichtig ist aber nicht nur die Wertschätzung, auch die allgemeine Stimmung im Team – unter Vertrieblern gern „Thermik“ genannt – sollte stimmen. Gerade wenn es bei einem selbst mal nicht so gut läuft, muss das Team wieder motivieren können. Nichts ist dann abschreckender als andere demotivierte Kollegen oder gar ein unfähiger Vertriebsleiter. Diese Thermik vorzuleben ist eine wesentliche Aufgabe des Vertriebsleiters. Er muss auch für eine klare Vertriebsstruktur mit eindeutigen Regeln sorgen, bei der der Aufwand honoriert wird – und nicht nur der Verkaufsabschluss.
Hinter dem
Produkt stehen
Gute Anreize und Wertschätzung sind eine gute Basis für einen glücklichen Vertriebler. Aber das alles bringt ihm langfristig kaum etwas, wenn er sich nicht mit dem Produkt oder der Dienstleistung identifizieren kann. „Wenn ich als Vertriebler nicht davon überzeugt bin, dass das Produkt oder die Dienstleistung gut ist für meinen Kunden, dann ist das eine schlechte Ausgangslage“, meint André May. Es ist wie überall im Leben: Wenn ich eine Sache mag oder Spaß an ihr habe, geht sie mir leichter von der Hand – so auch im Verkaufsgespräch. Von Vorteil ist natürlich auch, wenn das Verkaufsobjekt einen nachweislichen Vorteil für den Käufer hat. Einen, den Konkurrenzprodukte oder -dienstleistungen nicht haben. Einfacher ist es zudem immer, wenn ein neues Produkt bzw. die neue Dienstleistung zu einer schon bekannten und beliebten Marke gehört. Eine etablierte Marke hat natürlich auch oft den Vorteil, dass schon ein bekanntes Corporate Identity mit professionellen Kommunikationsmitteln vorliegt, das der Vertriebler insbesondere bei der Neukunden-Akquise überzeugend einsetzen kann. Unterm Strich lässt sich festhalten: So schwierig sind Vertriebler also gar nicht. Man muss nur einige Grundlagen schaffen und wissen, mit wem man es zu tun hat – einer Diva, einem Rosinenpicker oder einem Regenmacher? Thomas Corrinth I redaktion@regiomanager.de
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