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„Die Digitalisierung ist der große Treiber der Intralogistik“

Interview mit Sascha Schmel, Geschäftsführer Fachverband Fördertechnik und Intralogistik (VDMA), über Lösungen „made in Germany“ und die aktuellen Trends.

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von Regiomanager 01.10.2017
Nicht zuletzt der E-Commerce stellt immer höhere Anforderungen an die Prozesse

SWM: Herr Schmel, welchen Stellenwert hat das Thema Intralogistik derzeit bei deutschen Unternehmen, vor allem im Mittelstand?

Sascha Schmel: Das ist eine schwierige Frage und vor allem eine, die sich nicht auf mittelständische Unternehmen beschränken lässt. Generell sind doch alle Firmen daran interessiert, ihre Prozesse transparent und effektiv zu gestalten oder Einsparpotenziale zu identifizieren. Gerade Logistikprozesse sind sehr oft eine wichtige Stellschraube, wenn es um diese Aspekte geht. Und wenn man Logistikprozesse analysiert, kommt man auch unweigerlich zur Intralogistik.

SWM: Ist bei vielen Unternehmen in Sachen Intralogistik noch „Luft nach oben“?

Sascha Schmel: Die „Luft nach oben“ ist sicherlich da. Es hängt jedoch davon ab, welchen Anteil die Logistik am Unternehmenserfolg generell hat und inwieweit die Supply Chain schon optimiert wurde.

SWM: Wodurch zeichnen sich deutsche Hersteller von Intralogistiklösungen im globalen Vergleich aus?

Sascha Schmel: Sie heben sich vor allem durch ihren hohen technologischen Standard im internationalen Wettbewerbsumfeld positiv ab. Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung von Produktionsprozessen, im Handel und speziell auch durch den E-Commerce, stellen immer höhere Anforderungen an die Logistik und somit auch an die eingesetzte Intralogistik. Hier ist branchenübergreifend und weltweit ein deutlicher Investitionsdruck spürbar. Die nötige Expertise und Erfahrung dafür wird den deutschen Anbietern zugesprochen. Die Anbieter haben sich über viele Jahre einen sehr guten Ruf erarbeitet, und „made in Germany“ ist ganz besonders in der Intralogistik ein starkes Qualitätsmerkmal.

SWM: Wie hoch ist der durchschnittliche Automatisierungsgrad?

Sascha Schmel: So heterogen, wie die Intralogistikbranche aufgestellt ist, lässt sich nicht so leicht von einem durchschnittlichen Automatisierungsgrad sprechen. Es kommt vor allem auf den Einsatzbereich und die Anforderungen des Kunden an. Nehmen Sie z.B. die Automobilindustrie: Die Produktionsprozesse der Hersteller sind genau durchgetaktet, es wird möglichst wenig bevorratet, sondern die Teile werden just in time passgenau in die Fertigung geliefert. Das funktioniert bei standardisierten Modellen sehr gut. Anspruchsvoll wird die Materialversorgung aber dadurch, dass es mittlerweile eine sehr hohe Variantenvielfalt gibt und die Kunden noch relativ spät im Produktionsprozess Änderungen vornehmen können. Hier entwickeln einige Hersteller Fertigungskonzepte abseits vom klassischen Fließband. Sie setzen auf Fertigungsinseln. Und um diese effektiv und vor allem flexibel zu bedienen, geht es nicht ohne eine automatisierte Intralogistik. Die Bestrebungen gehen sogar noch weiter. Ziel ist es, die Fertigungsinseln mit autonom agierenden Systemen zu versorgen.

SWM: Und abseits der Automobilindustrie?

Sascha Schmel: Solche Anforderungen gibt es natürlich nicht in gleichem Maße in anderen Branchen. Und es gibt auch Einsatzbereiche, für die manuelle Lösungen effektiver und wirtschaftlicher sind. Und das ist letztlich der entscheidende Punkt für den Anwender, ob er sich für Automatisierung entscheidet oder nicht – ist es wirtschaftlich für ihn und verbessert es seine Prozesse?

SWM: Wie hoch ist der Innovationsgrad in diesem Bereich? Müssten Unternehmen alle paar Jahre modernisieren, sprich: investieren, um auf der Höhe der Zeit zu sein?

Sascha Schmel: Auch hier gibt es keine Pauschalantwort. Es gibt sicherlich Unternehmen, bei denen es kürzere Modernisierungszyklen mit großen Veränderungen gibt. Nehmen Sie Amazon mit seinen verschiedenen Lager-Generationen. In jedes neue Lager, das Amazon baut und einrichtet, fließen die Erfahrungswerte der vorherigen Bauten ein, um es noch effizienter zu machen. In der Regel sind die Systeme und Anlagen heute jedoch so weit, dass über Software und nachgerüstete Komponenten ein großer Modernisierungseffekt erreicht werden kann. Der Aufwand muss also nicht sehr hoch sein. Die Hardware hingegen ist bei vielen Intralogistiklösungen ein langfristiges Investment.

SWM: Was sind die aktuellen Trends?

Sascha Schmel: Die Veränderungskraft der Digitalisierung ist in der Logistik – und eben auch in der Intralogistik – der große Trend und Treiber. Das Potenzial bezieht sich dabei auch auf die Autonomisierung, die mit der zunehmenden Digitalisierung eng verknüpft ist. Autonomie in Logistikprozessen bedeutet, dass Systeme nach bestimmten Kriterien unabhängig arbeiten und mit anderen Systemen kommunizieren: Lagertechnikgeräte und Maschinen regeln Prioritäten von Aufträgen, Materialübernahme oder eben auch Vorfahrt autonom ohne den Menschen. Weiterhin könnten durch Blockchain auch Vertrags- oder Zahlungsmodalitäten direkt mit abgehandelt werden. Allein das würde ein völlig neues Level an Flexibilität und Effizienz bedeuten. Es geht dabei um das Kollaborationspotenzial zwischen Mensch und Maschinen. Das ist derzeit das, was Unternehmen und Forschungsinstitute umtreibt.

SWM: Wo sehen Sie die Zukunft der
Intralogistik?

Sascha Schmel: Mit einer ähnlichen Fragestellung haben wir in diesem Jahr ein gemeinsames Projekt mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund initiiert. In den „Technologie-Roadmaps Intralogistik 2025“ wollen wir aufzeigen, welche Trends die Intralogistik im Kontext von Industrie 4.0 bis 2025 verändern und wie die Intralogistikhersteller diese technologisch adaptieren müssen. Dabei finden u.a. Trends mit dem Einfluss auf Komponenten z.B. der Antriebs- und Steuerungstechnik Berücksichtigung, aber auch grundlegend alternative Einsatzfelder von Intralogistik. Die Ergebnisse unserer „Technologie-Roadmaps Intralogistik 2025“ stellen wir auf der CeMAT vom 23. bis 27. April 2018 in Hannover
vor. Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

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