Am Aschermittwoch, den 4. März 1226, war für die Bewohner des kleinen Städtchens Nienbrügge nicht nur alles vorbei, sondern zugleich ein Neuanfang. In jenem kühlen März verlassen die Bewohner nach kurzer Belagerung ihre befestigte Stadt und müssen mit ansehen, wie sie geschleift wird. Ihr ehemaliger Herrscher, Graf Friedrich II von Isenburg und Graf von Altena, war am 7. November des Vorjahres am Tod des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg beteiligt. Auf dem Hoftag in Nürnberg am 1. Dezember werden er und seine Mitverschwörer geächtet und Graf Friedrich II zum Tode verurteilt. Der neue Erzbischof und ein Verwandter des noch flüchtigen Grafen belagern dessen Burgen in Hattingen und Nienbrügge und zerstören sie. Adolf I, Graf von der Mark, Altena und Kriecken, gibt den Bewohnern Nienbrügges eine neue Chance und lässt nur wenige hundert Meter entfernt eine neue Stadt „in das Ham“ bauen.
Der Grundstein für die heutige Stadt Hamm ist gelegt. Im Winkel zwischen Lippe und Ahse entsteht damit die erste Stadtgründung in der Grafschaft Mark. Sie wird der Verwaltungssitz und beherbergt damit auch das Gerichtswesen. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts tritt die Stadt der Hanse bei und erlebt eine wirtschaftliche Blüte. Die zahllosen Fehden der Zeit übersteht sie problemlos. Doch dann setzen die Pestwelle im 16. Jahrhundert, Hungersnöte, Kriege und ab 1618 der 30-jährige Krieg der Stadt sehr zu. Nach dem Westfälischen Frieden fällt die Stadt an Brandenburg und später an Preußen. Der 1753 gegründete Kreis Hamm hat seinen Sitz in der Stadt, zusätzlich erhält sie ein Landgericht. Während der Französischen Revolution flüchten hochherrschaftliche Gäste in die Stadt: Die späteren Könige Ludwig XVIII und sein Bruder Karl X bilden in Hamm für kurze Zeit ihre Exilregierung.
Phase wirtschaftlichen
Aufschwungs
Nach dem Frieden mit Frankreich 1815 wird der Sitz des neuen Regierungsbezirks nach Arnsberg verlegt. Als „Ausgleich“ zieht das Oberlandesgericht nach Hamm. Mit dem Bau des Bahnhofs 1847 beginnt ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung. 1856 siedelt sich ein Werk zur Drahtfabrikation an. Unter dem heutigen Namen WDI firmiert es seit 1890. Seit 1873 sucht man nach Kohle, findet aber zunächst Sole, die zur Gründung des Kurbads Hamm führt. Das Gaswerk von 1858 sorgt da bereits lange für die Straßenbeleuchtung. Zur Beförderung der Menschen nimmt die Stadt 1898 die erste Straßenbahn in Betrieb. Wenige Jahre später, 1903, beginnt das Zeitalter der Zechen. Im Zuge des Aufschwunges siedeln sich weitere Betriebe an: Der Waffelfabrikant Fritz Jaspers (Frija) lässt sich in Hamm nieder. Auch der Farb- und Lackhersteller Hesse Lignal nimmt die Produktion auf. 1914 geht der Stadthafen am Dattel-Hamm-Kanal in Betrieb, sodass die Kohle auf dem Wasserweg abtransportiert werden kann. Rund 48.000 Menschen wohnen inzwischen in der Stadt, die seit 1900 einen eigenen Stadtkreis bildet.
Die Zeit nach 1918
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hemmt die weitere Entwicklung der Stadt. Unter anderem wird eine Zeche wegen Wassereinbruchs stillgelegt, weil benötigte Anlagen aufgrund des Krieges nicht rechtzeitig herangeschafft werden können. Aus der Kommunalwahl im März 1919 geht das Zentrum als stärkste Kraft hervor und bleibt bis 1933 die bestimmende politische Kraft. 1921 wird die Tiefbaufirma Heckmann gegründet. Sie erstellt auch heute noch Gewerbebauten und ist als Projektentwickler tätig. Während der Ruhrbesetzung von 1923 bis 1925 finden viele vertriebene Behörden in der Stadt vorübergehendes „Asyl“. So organisiert unter anderem die Reichsbahndirektion von Hamm aus ihren Widerstand gegen die französischen und belgischen Besatzungstruppen. 1925 bekommt die Straßenbahn Konkurrenz: Die ersten Buslinien nehmen den Betrieb auf und ersetzen ab 1961 die Straßenbahn.
Die zwischen 1945 und 1966 gegründeten Traditionsunternehmen aus Hamm finden Sie in der nächsten Ausgabe des REVIER MANAGER.
Dirk-R. Heuer I redaktion@regiomanager.de
Teilen: