Das Phänomen der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Wenn wir ein bestimmtes Verhalten oder Ergebnis erwarten, tragen wir selbst dazu bei, dass es auch wirklich eintritt – sowohl bei uns selbst als auch bei anderen. Das zeigt sich in den Börsenkursen genauso wie in der Teamleistung oder in Verkaufserfolgen. Das Prinzip der Wirklichkeit schaffenden Erwartung nennt man auch „Pygmalion-Effekt“. Der Begriff Pygmalion stammt aus der griechischen Mythologie,in der ein Künstler dieses Namens sich in eine von ihm geschaffene Frauenstatue verliebte und sich so sehr wünschte, dass sie lebendig würde, dass dies schließlich wirklich geschah.
Schlaue Ratten
finden ihr Futter schneller
Dass der Pygmalion-Effekt bereits bei Schulkindern und sogar bei Tieren funktioniert, wies der Psychologe Robert Rosenthal in Zusammenarbeit mit Kermit Fode und Lenore Jacobson in den 1960er Jahren in zwei berühmt gewordenen Experimenten nach. Beide Male ging es darum, Versuchsleiter in Bezug auf die Intelligenz ihrer Probanden zu beeinflussen. Bei der ersten Versuchsanordnung sollten Ratten möglichst schnell ein Labyrinth durchqueren, um zu ihrem Futter zu gelangen. Einem Teil der Versuchsleitenden wurde gesagt, dass ihre Ratten besonders schlau seien. Einer anderen Versuchsleitergruppe wurden ihre Ratten als besonders dumm und faul beschrieben. Tatsächlich stammten beide Rattengruppen aus derselben Zucht und wiesen keine unterschiedlichen Intelligenzmerkmale auf. Doch siehe da, die für schlau gehaltenen Nager fanden ihren Weg zum Futter wesentlich schneller.
Positive Erwartungen erzeugen bessere Leistungen
Ein ähnliches Phänomen zeigte sich ein paar Jahre später bei einem Schulversuch. Dabei behaupteten die Forscher gegenüber Lehrkräften, einige Schüler hätten einen besonders hohen IQ, was auch hier nicht der Realität entsprach. Denn die angeblich Hochbegabten waren nach Zufallskriterien ausgesucht worden. Doch auch hier funktionierte der „Pygmalion-Effekt“: Die vermeintlich schlaueren Klassenmitglieder zeigten am Ende des Experiments deutlich bessere Leistungen als ihre Mitschüler. Die positiven Erwartungen der Lehrerinnen und Lehrer hatten sich auf den Lernerfolg der als besonders intelligent Betrachteten ausgewirkt.
Eine sich selbst verstärkende Entwicklung
Die Ergebnisse sind eindeutig und wurden in der Folge immer wieder bestätigt. Da stellt sich natürlich die Frage, warum der Pygmalion-Effekt eintritt. Die Antwort lautet: Es ist die Macht der Gedanken, die sich im Verhalten der Beteiligten ausdrückt, und das selbst dann, wenn man sich dessen gar nicht bewusst ist. Denn bereits durch subtile Signale wie Köpersprache und Tonfall differenziert man sein Verhalten gegenüber bestimmten Personen. Nimmt ein Manager an, einen Leistungsträger vor sich zu haben, wird dieser oder diese viel mehr gefördert und ermuntert als scheinbar weniger motivierte Kollegen. Die so Geförderten nehmen dies – ebenso zum Teil unbewusst –
wahr, gewinnen an Selbstvertrauen und zeigen zunehmend mehr Engagement. So entsteht eine sich selbst verstärkende Entwicklung.
Fünf Schritte,
den Pygmalion-Effekt zu nutzen
Es liegt auf der Hand, dass der Pygmalion-Effekt sich sehr positiv auswirken kann, wenn man sich seiner bewusst ist und ihn gezielt nutzt, um die Teamleistung zu erhöhen. „Führungskräfte unterschätzen oft die Wirkung, die ihre Erwartungen auf ihre Teams haben“, schreibt der Personalexperte Gerd Mittmann auf berufebilder.de. Um die Leistungsfähigkeit zu steigern, empfiehlt er fünf Schritte:
- Gehen Sie vorurteilslos in die Zusammenarbeit
- Setzen Sie hohe, aber realistische Ziele
- Bieten Sie Ihre Unterstützung an
- Sprechen Sie positiv über Ihr Team
- Geben Sie positives Feedback
„Erwarten Sie stets nur das Beste von Ihrem Team und bieten Sie ihm Ihre volle Unterstützung an. Sie werden mit selbstbewussten und zufriedenen Mitarbeitern und verbesserten Leistungen belohnt“, so Mittmanns Fazit.
Jedem die Chance geben,
sich positiv zu entwickeln
Wichtig ist dabei allerdings, das positive Feedback sowie die Förderung der Teammitglieder nicht nur vorzuspielen, sondern es wirklich auch so zu meinen. Wenn Sie einen Mitarbeiter loben – dabei aber denken: „Dieser Versager wird das nie schaffen“, macht sich das ebenfalls durch unbewusst wahrnehmbare Signale bemerkbar. Das ist so wie beim „künstlichen Lächeln“ einer Servicekraft, die ihren Kunden eigentlich „zum Teufel“ wünscht.
Wer anfangs noch an den Qualitäten seiner Teammitglieder zweifelt, sollte zumindest offen an die Situation herangehen. „Unabhängig davon, was Sie von den bisherigen Leistungen Ihrer Mitarbeiter wissen, ist es wichtig, die Zusammenarbeit vorurteilslos zu beginnen. Geben Sie jedem die Chance, sich positiv zu entwickeln“, erklärt Gerd Mittmann. Dem ist nichts hinzuzufügen!
Michael Otterbein | redaktion@regiomanager.de
Michael Otterbein
| redaktion@regiomanager.de
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