Erst gestern erhielt ich eine freundliche E-Mail von einem Arbeitskollegen, mit der Bitte einen kurzen Fragebogen auszufüllen. Er bräuchte ein paar Daten von mir – wie oft ich in diesem Jahr im Büro (und nicht im Homeoffice) gearbeitet hätte, wie lang der Weg dahin sei und mit welcher Art von Fahrzeug ich diese Strecke erledigt hätte, wollte er gerne wissen. Mein Chef legt großen Wert auf Nachhaltigkeit im Business und ist ständig bemüht, schlechte Situationen besser zu machen. Das kann aber nicht aus einem Bauchgefühl heraus sinnvoll geschehen, sondern bedarf einer soliden Datenbasis. Da habe ich gern geholfen, die Ist-Daten meines bisherigen Mobilitäts-Fußabdrucks für dieses Jahr zu liefern, und es hat auch wirklich nicht mehr als die angekündigten zwei Minuten gedauert! Seither beschäftigt mich die Frage, um wie viel Prozent und wie ich meinen 2023er-Wert im kommenden Jahr wohl werde reduzieren können.
Die Reduzierung von etwas fällt uns leider nicht leicht. Aufgewachsen in einer Welt, die nur das kontinuierliche Wachstum kannte, die den Wettbewerb liebte – das schneller, weiter, höher und neuer zur Maxime erklärte und die seit mehr als 50 Jahren bekannten Grenzen des Wachstums (vgl. Club of Rome, 1972) eine gefühlte Ewigkeit lang ignorierte – Gedanken an eine Reduzierung galten doch bisher eher als Zeitverschwendung. Aber das ändert sich derzeit massiv.
Innovations-Schub der Vorreiter
Die Zeichen von der UN-Klimakonferenz COP28 sind eindeutig. Nach hartem Ringen der Gestrigen mit den Morgigen um eine klimafreundliche Lösung, müssen alle Heutigen erkennen, dass die Verbrennung fossiler Rohstoffe ein Geschäftsmodell mit Auslaufgarantie ist. Um die kontinuierlich ansteigende Erwärmung des Erdklimas zu bremsen, darf eigentlich schon heute kein CO2 mehr in die Atmosphäre geblasen werden – „Netto-Null“ heißt das Ziel. Auf dem Weg dahin wird uns in den nächsten Jahren dieses böse Wort der Reduzierung immer wieder um die Ohren fliegen, denn es wird so schwer, auf liebe Angewohnheiten zu verzichten, in denen wir uns eingerichtet hatten. Aber der eingeschlagene Weg ist eine Einbahnstraße. Die Weltgemeinschaft hat sich auf eine Zukunft mit klimaneutraler Produktion verständigt. Wer Teil der künftigen „Green Economy“ sein will, sollte sich lieber früher als später um das hierzu erforderliche Know-how in seiner Branche bemühen.
Dabei sollte man seine klimaneutrale Produktion als weit mehr verstehen, denn als eine wie auch immer verordnete Vorgabe. Die Einführung und Optimierung klimaneutraler Produktionsmethoden sind der Innovations-Schub unseres Jahrhunderts, die Goldmine für diejenigen, die erkannt haben, dass in dieser weltweiten Krise eine große Chance liegt. Zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer stellen sich der Herausforderung mit großem Entdeckergeist, wie erst kürzlich bei der Verleihung des „16. Deutschen Nachhaltigkeitspreises“ DNP16 in Düsseldorf wieder offenkundig wurde. Aus mehreren 1.000 Bewerberinnen und Bewerbern hatte eine Jury die 100 „Vorreiter der Nachhaltigkeit in der deutschen Wirtschaft“ erwählt, die in ihrem Branchensektor als aktuelles Vorbild für den geforderten Innovationsgeist stehen, der in der ökologischen, aber gleichwohl auch in der sozialen und ökonomischen Dimension fortan die Messlatte für wirtschaftliches Handeln sein muss. Wie kann aus jeder Branche heraus ein glaubwürdiger Beitrag zur Erreichung der weltweiten Klimaziele geleistet werden? Die klimaneutrale Produktion ist dabei als größter und schwergängigster Hebel mit vereinten Kräften zu bedienen.
Transparenz und Glaubwürdigkeit
Hört man sich in seinem Branchenumfeld oder Unternehmernetzwerk um, gibt es immer die positiven und die negativen Beispiele, also Firmen, die voranschreiten (Vorreiter) und schon auf dem Weg der Umstellung ihrer Produktionsprozesse zu mehr Klimaneutralität sind und solche, die sich damit schwertun (Nachzügler). Das ist durchaus verständlich, denn die Umstellung eines Geschäftsmodells, das bisher auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe aufgebaut war, lässt sich im laufenden Betrieb nicht mit einem Schnipp umsetzen. Aber die in den vergangenen Jahren auf diesem Weg verloren gegangene Zeit muss nun in Windeseile wieder aufgeholt werden. Hier ist es also durchaus wünschenswert und im Sinne der Gemeinschaft zielführend, wenn man sich bei der Einführung neuer Technologien und bei der Umstellung tradierter Prozesse gegenseitig unterstützt. Vorreiter sollten ihr Know-how als Best Practice Beispiele öffentlich machen, und Nachzügler sollten keine Scheu haben, sich bei der Überwindung ihrer verständlichen Hürden und Hemmschwellen helfen zu lassen. Hilfsangebote gibt es dafür in zunehmendem Masse.
Damit die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion nicht schon an der Setzung unrealistischer Zielvorgaben scheitert, können zum Beispiel Organisationen helfen wie die „Science Based Targets Initiative“ (SBTI). Sie unterstützt und berät mehr und mehr Unternehmen dabei, sich freiwillig an wissenschaftsbasierten und damit realistischen Zielen zu orientieren, indem mittlerweile bewährte Verfahren zur Emissionsreduzierung und langfristige „Netto-Null-Ziele“ im Einklang mit den Erkenntnissen der Klimawissenschaft schrittweise umgesetzt werden. Ein Weg, der zugegeben nicht einfach ist, denn um das Risiko des Greenwashings so gering wie möglich zu halten, definiert die SBTI sehr strenge Anforderungen, und zwar nicht nur an das beratende Unternehmen selbst, sondern an die gesamte Wertschöpfungskette. Das Engagement des SBTI setzt auf Transparenz und Eigenverantwortung, bringt dafür aber auch den unschätzbaren Vorteil der sprichwörtlich „reinen Weste“. Niemand kann Ihre Glaubwürdigkeit anzweifeln. Sie bleiben für Ihre Kunden attraktiv, was langfristig die Absatzmärkte sichert. Und schließlich sind sie auf dem Weg zur „Netto-Null“ mit einem deutlichen Vorsprung unterwegs. Es gibt also keinen anderen Fokus als die klimaneutrale Produktion.
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