Den Bergbau verbinden sicherlich die meisten Menschen in Deutschland und speziell in NRW mit dem Ruhrgebiet. Doch auch die Nachbarregion, der Niederrhein, blickt auf eine lange Tradition dieses Wirtschaftszweigs zurück. Und wie in Essen oder Oberhausen ist auch in Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg die Zeit der Zechen vorbei. Mit der Stilllegung des letzten Förderstandorts Anfang 2000 endete diese Ära. Der bereits zuvor begonnene Strukturwandel nahm damit so richtig Fahrt auf. Mehr als 20 Jahre später zieht Beate Träm dieses Zwischenfazit: „Unsere Region hat den Wandel bis heute sehr gut gemeistert. Die vier Städte überzeugen als lebendige und liebenswerte Wohnstandorte. Wirtschaft und Wissenschaft fühlen sich hier wohl, wie die zahlreichen Ansiedlungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu global Playern beweisen.“ Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 200.000 zähle man mehr als 60.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Mehrere Gewerbegebiete
Daran hat die vor über 20 Jahren gegründete interkommunale wir4-Wirtschaftsförderung einen nicht unwesentlichen Anteil. Denn unter ihrer Federführung entstanden nach dem Bergbau mehrere Gewerbegebiete, wie u.a. die rund fünf Hektar große Rheinberger Heide oder die Logistikfläche Logport IV am größten Binnenhafen Europas. Der Grafschafter Gewerbepark Genend, dessen rund 55 Hektar sich grenzübergreifend auf die Stadtgebiete Moers und Neukirchen-Vluyn verteilen, wurde als Modellprojekt interkommunaler Zusammenarbeit entwickelt. Gewerbe, Produktionsbetriebe, Büronutzung und Handwerk haben sich in dem mit vielen grünen Freiflächen gestalteten Gewerbepark angesiedelt. Hier hat auch die wir4 ihren Sitz.
„Insgesamt konnten an die 90 neue Unternehmen in die Region geholt werden. So sind rund 2.300 neue Arbeitsplätze entstanden“, sagt Beate Träm. Unternehmensbeispiele sind die TRIOPT-GROUP, technischer Dienstleister im Funk- und Festnetzbereich, das Top-Ten-Software-Unternehmen Schleupen SE ebenso wie die derzeit im Bau befindliche Neuansiedlung Gravurzeile.de. Nun sind so gut wie alle Areale vermarktet. Mit den Vertragsabschlüssen für eine Handvoll letzter Flächen in den kommenden Monaten schließt die gemeinsame Wirtschaftsförderung diese Arbeit erfolgreich ab. „Künftige Flächen werden die vier Kommunen wieder selbst vermarkten. Und wir stellen uns ganz neu auf“, so Träm.
Attraktivität stärken
Aus der wir4-Wirtschaftsförderung AöR ist die wir 4-Agentur für Wirtschafts- und Strukturförderung Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg GmbH geworden. Die Geschäftsführung liegt in den Händen von Beate Träm, seit fünf Jahren Teil des Teams. Bereits im vergangenen Herbst hatte sie den Staffelstab an der Spitze von ihrer Vorgängerin Brigitte Jansen übernommen. Die GmbH wird sich, weiterhin in enger Abstimmung mit den Wirtschaftsförderungen der vier Städte, auf Aufgaben konzentrieren, die die nachhaltige Attraktivität des Wirtschaftsstandortes stärken und die strukturelle Entwicklung fördern.
„Wir haben uns immer als Bindeglied zur heimischen Wirtschaft verstanden und als Netzwerkpartner und -initiator Projekte als auch Initiativen mitentwickelt und begleitet. Diesen Aspekt unserer Tätigkeit werden wir intensivieren und dazu auch das Standort- und Regionalmarketing für die wir4-Region ausbauen“, so Träm. Dafür kann die „Quereinsteigerin“, wie sie sich nennt, nicht zuletzt auf ihre Erfahrungen in führenden Positionen der Werbebranche zurückgreifen.
Neues Team
Ihre zwei neuen Kolleginnen bringen ebenfalls einen passenden Background zur Stärkung der Region mit: Michelle Puiskens, die sich vor allem um das Thema Fachkräfte und Marketing kümmern soll, war zuvor in der Tourismus- und Veranstaltungsbranche tätig. Katharina Wentzel, die schwerpunktmäßig für Förderprojekte und das Netzwerk-Management verantwortlich zeichnet, kommt aus dem Bereich Marketing und Business Development. Zusammen will das insgesamt fünfköpfige Team Megathemen wie Transformation und Fachkräftemangel angehen. „Anspruch und Herausforderung zugleich ist, vor diesem Hintergrund maßgeschneiderte Konzepte für die regionale Wirtschaft zu erarbeiten“, so Beate Träm.
So gibt es etwa verschiedene Aktionen und Maßnahmen, um mehr Menschen für eine Ausbildung und für dringend benötigte Berufe zu begeistern. „Ein aktuelles Beispiel ist die Ausbildungsmesse ‚connect me‘ Ende September in Kamp-Lintfort“, sagt Michelle Puiskens. Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler hätten sich für die Veranstaltung auf dem Campus der Hochschule Rhein-Waal – ein wichtiger Netzwerkpartner von wir4 – registriert. „Wir schaffen so eine attraktive Möglichkeit für Unternehmen, sich dem Fachkräftenachwuchs zu präsentieren“, meint Puiskens. Außendarstellung und Kommunikation sind wesentliche Aspekte der wir4-Tätigkeit. „Wir wollen noch sichtbarer werden als vorher und vor allem den Dialog mit unseren Unternehmen und weiteren Akteuren intensivieren“, sagt Katharina Wentzel. Dafür nutze man verschiedene digitale Kanäle, u.a. LinkedIn. „Ein Newsletter-Format ist in Planung.“
Wichtige Partner
Ergänzt wird das Team dauerhaft durch zwei externe Partner: Bernd Dietrich, Projektleiter beim Mobile Communication Cluster e.V. (MCC), befasst sich mit der Gewinnung von Förderprojekten zur Digitalisierung und Transformation und des Know-how-Transfers zwischen der örtlichen Wirtschaft und der Wissenschaft. Ulrich Rose von der EntwicklungsAgentur Wirtschaft (EAW) des Kreises Wesel führt Förderberatungen für Gründer und Unternehmen durch. „Wir verstehen uns auch als Informationsbroker“, sagt Beate Träm. Die Fülle an Neuigkeiten und Updates – etwa im Bereich Förderprogramme – wird von uns zunächst gefiltert. Sehen wir sinnvolle Ansatzpunkte, erarbeiten wir entsprechende Angebote.“ So plant das Team derzeit u.a. eine Online-Veranstaltungsreihe zu den Themen Ökobilanzierung und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch ein Webinar zur IT-Sicherheit ist angedacht.
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