Recht & Finanzen

„Einige große Firmen hat es kalt erwischt“

Der russische Einmarsch in der Ukraine hat die Menschen weltweit erschüttert. Wie Unternehmen und Banken in NRW mit der Situation umgehen, erklärt Steffen Pörner, Geschäftsführer des Bankenverbands Nordrhein-Westfalen im Interview.

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von Regiomanager 30.05.2022
(© Oleksandr – stock.adobe.com)

Regio Manager: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist nun knapp zwei Monate her. Wie waren die ersten Reaktionen der nordrhein-westfälischen Banken und Firmen darauf?


Steffen Pörner: Der russische Überfall auf die Ukraine kam sehr überraschend. Der erste Gedanke der Unternehmer war natürlich: Was passiert mit meinen Mitarbeitern vor Ort, sind sie in Sicherheit, wie kann ich sie schützen? Dann ging es Schlag auf Schlag: Was bedeutet das für Niederlassungen oder die Produktion vor Ort, für Lieferketten, den Zahlungsverkehr. Schnell war klar, dass auch das Geschäft mit und in Russland betroffen war. Unsere Banken genau wie Handelskammern und Wirtschaftsverbände wurden mit Anfragen überrannt, es ging zunächst um Troubleshooting, da keiner wusste, was kommt als Nächstes.


RM: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hatte der Einmarsch damals und aktuell auf die nordrhein-westfälische Banken- und Unternehmenswelt?


Steffen Pörner: Das war natürlich ein großer Schock. Gerade fingen die Unternehmen in NRW an, sich aus der Corona-Krise freizuarbeiten, da wurden sie mit einem Krieg sozusagen vor der Haustür konfrontiert. Einige große Firmen aus dem Maschinen- und Automobilbau, der Chemie und dem Handel hat es kalt erwischt. Daran hängen wiederum zahlreiche Zulieferer, die mit indirekten Folgen umgehen müssen. Es ist noch zu früh und vor allem aufgrund der kaum vorhersehbaren Entwicklung auch nicht möglich, konkrete Auswirkungen zu beziffern.


RM: Mit welchen Themen sind diese vor zwei Monaten an den Bankenverband herangetreten und welche konkreten Hilfestellungen konnten Sie den Instituten bieten?
Steffen Pörner: Der Beratungsbedarf der Unternehmen fokussierte sich auf die Abschaltung des Swift-Zahlungsinformationssystems der meisten russischen Banken und damit auf den Wegfall des Zahlungsverkehrs über Ländergrenzen hinweg, außerdem auch auf die hohe Taktung immer neuer Sanktionsmaßnahmen im Warenverkehr. Ein Produkt, das heute noch geliefert werden konnte, war am nächsten Tag sanktioniert. Hier den Überblick zu behalten war nicht einfach. Die Banken waren auch hier mit Beratung gefordert und haben die Unternehmer bei der Einhaltung der Sanktionsvorschriften unterstützt.


RM: Wie ist die Lage jetzt? Welche Hilfeleistungen benötigen die Kreditinstitute aktuell und wie unterstützen sie die nordrhein-westfälischen Institute und Unternehmen?


Steffen Pörner: Die Unternehmen haben schnell gelernt und können inzwischen mit der Situation besser umgehen. Die Zusage der Bundesregierung, ähnlich den Corona-Hilfsmaßnahmen auch für die von den Sanktionen betroffenen Unternehmen entsprechende KfW-Sonderprogramme aufzulegen, ist ein erster Schritt. Der bisherige Abschreibungsbedarf der Kreditwirtschaft ist verkraftbar. Wir haben auch unsere Risikovorsorge wieder erhöht. Durch die Russland-Sanktionen wurde das Bankgeschäft in der Region schon seit einigen Jahren sukzessive heruntergefahren.


RM: Welche Themen bewegen Unternehmen derzeit neben dem Ukraine-Konflikt?


Steffen Pörner: Vor zwei Jahren haben wir begonnen, mit Unternehmen über die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu sprechen. Es wurde auch direkt ein erstes Förderprogramm zum Thema Digitalisierung mit sehr günstigen Konditionen initiiert. Beim Thema Digitalisierung ist das Spektrum sehr breit – es reicht von der Notwendigkeit für mehr Laptops im Handwerk bis hin zu kompletten Digitalisierungsstrategien für größere Unternehmen und deren Geschäftsmodelle. Solche Projekte sind vom Risiko her schwer zu bewerten. Das Land NRW hat Firmen daher auch Digitalisierungsgutscheine für Beratungen angeboten. Damit konnten Unternehmen ihren jeweiligen Digitalisierungsbedarf feststellen.


RM: Wie ist der aktuelle Stand?


Steffen Pörner: Jetzt sind in allen Branchen Investitionen in diese Themen gefordert. Gerade im Handelsbereich findet derzeit eine Disruption statt, die durch Corona beschleunigt wurde – ich sage nur Online-Handel. Für uns ergeben sich daraus zwei Themen: neben Finanzierungsfragen die Schaffung von mehr Awareness, also Informationen darüber, was Unternehmen tun müssen, um weiterhin wettbewerbsfähig bleiben zu können und welche Beratungen die Unternehmen dafür benötigen. Größere Firmen sind beim Thema Digitalisierung weiter vorangeschritten, weil sie eine eigene IT-Abteilung haben.


RM: Welche Angebote gibt es in Nordrhein-Westfalen, um die Unternehmen dabei zu unterstützen?


Steffen Pörner: Die Initiative Fin.Connect.NRW ist keine Finanzplatz-Initiative, sondern eine Investorenplattform. Durch die bessere Vernetzung zwischen den Marktteilnehmern sollen größere Finanzierungspakete u.a. durch z.B. Verbriefungen und Anleihen gestaltet werden. Der Staat kann hier bei der Risikoabsicherung helfen. Wir haben Angebote für Unternehmen online auf unserer Webseite, aber auch die Kundenbetreuer der Hausbanken sprechen die Unternehmen direkt auf diese Angebote an. Es gab bereits mehrere Veranstaltungen, die wir zusammen mit den IHKs und Fin.Connect.NRW durchgeführt haben, bei der sich 300 Unternehmer über Digitalisierungsmöglichkeiten informiert haben. Bei der ersten Veranstaltung haben wir beispielsweise das Thema Klimawandel beleuchtet. Die Energiewende hat ehrgeizige Ziele. Das IW Köln hat allein für NRW einen jährlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von 70 Milliarden Euro pro Jahr, also zehn Prozent des BIPs von NRW, für Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgerechnet.


RM: Wie sieht es bei den Unternehmen in Bezug auf deren nachhaltigen Wandel aus?


Steffen Pörner: Die Transformation zur nachhaltigen Finanzierung ist ein breit gefächertes Gebiet. Sie umfasst auch den Fachkräftemangel oder Unternehmensnachfolgen. Das hängt alles miteinander zusammen. Diese Themen müssen alle gleichzeitig angegangen werden. Gerade beim Thema Nachhaltigkeit müssten sich die Universitäten und Unternehmen besser vernetzen, wie in den USA. Die Universitäten in den USA haben einen besseren Draht zu Unternehmen. Das ist dort schon länger gewachsen.


RM: Ist die Corona-Pandemie noch ein Thema für Unternehmen?


Steffen Pörner: An sich hat die Corona-Pandemie für die meisten Unternehmen immer weniger Auswirkungen. Es ist aber weiter erforderlich, dass die Hilfsprogramme für Branchen, die weiterhin darunter leiden, weitergeführt werden. Viele Hilfen dienen auch als weiterer Sicherheitspuffer. Bereits zu Beginn der Corona-Krise wurde eine Task Force der Kreditwirtschaft in Nordrhein-Westfalen gegründet, u.a. aus den Banken- und Sparkassenverbänden, der NRW.BANK, der Bundesbank und der Bürgschaftsbank sowie Vertretern aus den Ministerien.
Barbara Bocks| redaktion@regiomanager.de

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