Recht & Finanzen

Experten für das „notwendige Übel“

Während Steuerberater neben den klassischen Vorbehaltsaufgaben zunehmend betriebswirtschaftliche Beratung anbieten, diskutieren Wirtschaftsprüfer kontrovers über zukünftige Regelungen.

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von Regiomanager 01.05.2016
Foto: © stock.adobe.com

„Geld ist etwas, was nur kurz in deiner Tasche haltmacht – auf dem Weg zum Finanzamt“, so sagt der Volksmund. Wie viele Euros der Fiskus letztendlich kassiert, ist bei einem immer komplexer werdenden Steuerrecht für den Laien aber nur schwerlich zu durchschauen. Dennoch gehen immer mehr Menschen dazu über, Aufgaben eines Steuerberaters mithilfe von Computerprogrammen selbst zu lösen. „Klassische Vorbehaltsaufgaben wie die Erstellung von Steuererklärungen machen derzeit noch den Großteil der Arbeit aus, allerdings sind diese sogenannten Deklarationsberatungen eher rückläufig, weil die Elektronik immer weiter voranschreitet“,  erklärt Franz Plankermann, Vorstandsvorsitzender des Steuerberaterverbandes Düsseldorf e.V. „Es gibt nämlich immer mehr EDV-affine Steuerbürger, die keine Angst mehr davor, sich vor den PC zu setzen, um eine Steuererklärung zu machen.“ Dennoch steigt die Zahl der Steuerberater stetig an; die Branche gilt als krisensicher.
Das liegt vor allem daran, dass sich Steuer-berater heute um eine ganze Reihe weiterer Aufgaben kümmern: Das Erstellen von Jahresabschlüssen gehört ebenso dazu wie die betriebswirtschaftliche Beratung der Mandanten. „Der Beruf ist vor allem deshalb so interessant, weil er derart vielfältig ist und weil man im Laufe seiner Karriere eine Vielzahl von Menschen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten kennenlernt, die in den verschiedensten Berufsfeldern tätig sind“, sagt Plankermann. Doch genau das verlangt den Praxen auch einiges ab. Immerhin erwarten immer mehr Mandanten von ihren Kanzleien einen Rundum-Service, der nicht nur den Bereich der Steuerberatung abdeckt. Nicht ohne Grund wächst die Zahl der Partnergesellschaften stetig an: Laut Bundessteuerberaterkammer erhöhte sich ihre Zahl zwischen 2005 und 2015 von 6.932 auf 9.243.

Totgesagte leben länger  

 
Das heißt aber nicht, dass die Einzelkämpfer in naher Zukunft verschwinden werden: „Sie werden zwar immer totgesagt, aber: Totgesagte leben schließlich länger“, fährt Plankermann fort. „Dennoch muss man festhalten, dass die wirtschaftliche Bedeutung von Einzelpraxen abnimmt, weil sie zum einen das umfassende Wissen nicht mehr anbieten können und weil die Mandaten mehr Beratung aus einer Hand haben wollen – und das können nur größere Einheit bieten.“ Aus diesem Grund holen sich immer mehr Steuerberater-Praxen Kollegen aus anderen Berufsfeldern wie beispielsweise Rechtsanwälte oder Notare ins Haus.
Die Digitalisierung hat aber auch in anderer Form Einfluss auf die Branche: In vielen Kanzleien wird bereits mit der digitalen Belegerfassung gearbeitet, sodass der Mandant auch seine Buchführung zunehmend selber erarbeitet. „Deshalb werden vermutlich auch diese Aufgaben, die heute ein Großteil der Steuerberater noch übernimmt, in Zukunft abnehmen.“ Und dennoch wollen oder können die meisten Unternehmen nicht auf einen Steuerberater verzichten – teilweise aus opportunistischen Gründen. „Die Frage ist: Bespreche ich meine Steuerangelegenheiten mit jemandem, der auf dem neuesten Stand ist, oder beschäftige ich mich vier Wochenenden selbst damit und bin dann immer noch nicht sicher, ob alles korrekt ist?“
Bei der Suche nach dem richtigen Steuerberater zählt aber nicht nur fachliche Kompetenz: „Besonders wichtig ist, dass man Lust hat, sich mit ihm zu unterhalten, schließlich setzt die Steuerberatung ein enormes Vertrauensverhältnis voraus und der Mandant muss bereit sein, auch seine größten Geheimnisse offenzulegen. Wenn man mit dem Steuerberater nicht gerne spricht, dann kann das nicht funktionieren“, gibt Plankermann zu bedenken.

WP-Branche viergeteilt

Mit dem Thema Steuern beschäftigen sich auch Wirtschaftsprüfer (WP), deren Branche jedoch anders aufgestellt ist. Man unterteilt sie in vier Gruppen: die Big4, die zehn großen Netzwerke mit internationaler Ausrichtung, die größeren und mittleren Praxen, die noch gesetzliche Abschlussprüfungen und auch einige kleine Börsenprüfungen durchführen, sowie die kleinen Praxen und Einzelpraxen, die keine gesetzlichen Prüfungen machen. „Der Prüfermarkt für Börsenunternehmen hat sich seit der Einführung der Regulierung 2007 von ursprünglich 180 Prüfern auf deutlich weniger als die Hälfte reduziert”, erklärt Michael Gschrei, Sprecher des geschäftsführenden Vorstands von wp.net e. V. – Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung. „Grund ist die unverhältnismäßige Überwachung und die Durchführung der Aufsicht über die mittelständische Wirtschaftsprüfung, die durch ehemalige Big4-Wirtschaftsprüfer vorgenommen wird.“ Seit Inkrafttreten des Berufsaufsichtsreformgesetzes 2007 führt die Wirtschaftsprüferkammer und seit April 2012 die Abschlussprüferaufsichtskommission nämlich sogenannte „Anlassunabhängige Sonderuntersuchungen“ bei Berufsangehörigen und Berufsgesellschaften durch, die Prüfungsmandate bei Unternehmen von öffentlichem Interesse haben.
Die Entwicklung der Prüferquote bei den börsenrelevanten Unternehmen verdeutlicht die weitere Marktstärkung zugunsten der Big4. „Seit 2009 hat die Zahl der sogenannten 319a-Unternehmen um ein Drittel von 840 auf 540 Unternehmen abgenommen”, so Gschrei. Die Big4 haben bei den verbliebenen Unternehmen ihre Marktstellung ausgebaut. So verringerten sich die Einzelprüfer in diesem Segment seit 2009 von 66 auf 44 Prüfer. „Die finanziellen Folgen der Prüferreform dürften einen weiteren EXIT-Schub bei den mittelständischen und Einzel-Prüfern bewirken”, vermutet Gschrei.
Dabei hat sich das Bild des Berufsstandes in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich verändert. „Objektiv ist der Stellenwert der WP hoch, subjektiv wird die Bedeutung verneint.
Der Niedergang der Prüfungshonorare belegt die Geringschätzigkeit eines Teils der geprüften Unternehmen für die Prüfung. Unterstützt wird diese Entwicklung dadurch, dass die großen Gesellschaften die Prüfung nur als Türöffner für Beratungsgeschäfte nutzen. Damit haben sie einen starken Marktvorteil“, fährt Gschrei fort. „Die Abschlussprüfung wird immer mehr als notwendiges Übel angesehen, manche sagen auch als Belästigung. Die Bedeutung der Warnfunktion des WPs ist verloren gegangen.“ Man müsse seine Werte besser zu Markte tragen und kommunizieren. Dazu fehle aber die Bereitschaft und die dazu notwendige Schulung.

EU-Richtlinie im Fokus

Dabei wird die Zukunft der Wirtschaftsprüfung gerade neu geschrieben – insbesondere durch die Reform der Abschlussprüfung, die im vergangenen Jahr durch das EU-Parlament beschlossen wurde. Zu den Kernpunkten zählten noch 2011 u. a. die externe Rotation, Gemeinschaftsprüfungen oder die Trennung von Prüfung und Beratung. Über die zukünftigen Regelungen wird derzeit innerhalb des Berufsstandes kontrovers diskutiert. „Die Umsetzung der EU-Reform, ursprünglich wegen der Mängel der Big4 im Vorfeld der Finanzkrise gestartet, hat sich verselbstständigt. Die Lobbyisten der Big4 haben es geschafft, die Pfeile gegen sich auf den Mittelstand umzulenken“, erläutert Gschrei.
Der intellektuell hochwertige und für die Wirtschaft erforderliche Beruf lebt von seiner geistigen Arbeit, diese wird unterstützt durch IT. „Die Big4 gehen mit ihrem großen Vermögen den umgekehrten Weg: Digitalisierung in Form von Algorithmen zur Fehlersuche statt Geistesarbeit. Dies dient der Kostensenkeng und wenn ein großer Fehler herauskommt, kann man es auf die Software schieben.“ Für Gschrei steht aber fest, dass die Digitalisierung die Ursachen der Mängel der letzten Finanzkrise auch nicht verhindert hätte. „Denn die Mängel waren bekannt: nicht prüfbare Finanzprodukte und keine ausreichende Prüfung wegen der Interessenskollision zwischen Beratung und Prüfung.“ Zudem könne der Mensch bei der Bewertung der Bilanzposten beziehungsweise Berechnung der Zukunftswerte (Fair Value) trotz Excel die Zukunft nicht vorausberechnen.
„Der Gesetzgeber nutzte den Geburtsfehler der EU-Richtlinie – die sog. Mindestharmonisierung – und verweigerte sich der Liberalisierung der bislang schon stark überzogenen deutschen Regulierung der mittelständischen Prüfer. Zum Schaden des freiberuflichen Prüferberufsstands und der mittelständischen Wirtschaft”, urteilt Gschrei. Das Reformziel der EU-Kommission – die Erhöhung der Prüferzahlen – werde somit konterkariert. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2014 verschärften die Bundesregierung und der Bundestag die Kontrolle über die Abschlussprüfer und die Prüfer für Qualitätskontrolle. Diese Maßnahme habe allerdings nicht zu einer Qualitätsverbesserung, sondern vielmehr zu höheren Kosten geführt und wirke als Markteintrittsbarriere, erklärt Gschrei. „Die extreme Überregulierung bei den freiberuflichen Abschlussprüfern kompensierte das BMWi bei den eigentlichen Verursachern der Reform, den Big4″, so sein Fazit. Die besten Qualitätssicherungselemente (Trennung von Beratung und Prüfung, Rotation und Joint Audit) seien schon 2014 aus der EU-Verordnung entfernt worden, sodass das Beratungsstandbein der Big4 weiter ausgebaut werden könne. Insbesondere moniert er, dass die drei Leiter der Abschlussprüferaufsichtsstelle ehemalige Big4-Wirtschaftsprüfer sind, ebenso wie die Sonderuntersucher, welche die sog. 319a-Prüfer überwachen. „Von einer solchen Aufsicht wird jeder Beaufsichtigte nur träumen können. Die nächste Krise kommt bestimmt”, so Gschrei.  Jessica Hellmann | redaktion@regiomanager.de

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