Management

Familienunternehmen: Streit in Familienunternehmen

Wie können Unternehmerfamilien mit Konfliktdynamiken umgehen, um gerichtliche Schritte zu vermeiden?

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von Miriam Leschke 12.07.2024
(© ­­­svetazi − stock.adobe.com)

Streit kommt bekanntlich in den besten Familien vor. Dabei geht es etwa um die Berufswahl des Sohnes, die dem Vater nicht passt. Paare liegen sich in den Haaren, z.B. weil sie oder er beruflich zu stark eingespannt ist. Geschwister gehen auf Distanz, weil Eifersucht auf die ungleich verteilte Zuneigung der Eltern ihre Beziehung vergiftet. Jeder kennt mindestens ein Beispiel für Familienkonflikte aus dem eigenen Umfeld. Diese erhalten eine besondere Dimension, wenn sie aus dem Privaten auf das Geschäftliche übergreifen, sprich: wenn Familienunternehmen betroffen sind. Denn in familiengeführten Unternehmen ist die Bindung zum Unternehmen stark von Emotionen geprägt; schließlich ist die Familie mit dem Unternehmen aufgewachsen.

Professor Dr. Arist von Schlippe, der bereits seit knapp 20 Jahren am Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) der Universität Witten/Herdecke zu dem Thema forscht und lehrt, weist darauf hin, dass die in Familienunternehmen identifizierbaren Konfliktthemen meist im weitesten Sinn mit Gefühlen von Gerechtigkeit und Fairness zu tun haben, die von den Familienmitgliedern häufig sehr unterschiedlich erlebt würden. Als einschlägige Beispiele nennt Professor Dr. von Schlippe eine Geschwisterrivalität in Bezug auf Leistung oder die Verteilung von Geld und Gütern, Differenzen zwischen familiärer und unternehmerischer Entscheidungslogik, Konflikte in Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge oder die Einmischung nicht qualifizierter Familienmitglieder in das operative Geschehen. Aus Sicht von David Zülow, NRW-Landesvorsitzender vom Verband Die Familienunternehmer, sind die zentralen Auslöser für Konflikte in Familienunternehmen meist unterschiedliche Vorstellungen und Ausrichtungen, etwa in Bezug auf Finanzen, Steuerangelegenheiten oder die Bereitschaft, zu investieren. Problematisch können in Unternehmerfamilien laut Zülow mitunter auch seit der Kindheit in Stein gemeißelte Rollen sein, in denen man feststecke. Dementsprechend gehe es natürlich nicht nur um sachliche Themen, sondern auch um sehr viele Emotionen bzw. psychologisch-soziale Faktoren.

 

 

Herausforderung Unternehmensnachfolge

Ein Prozess, der in Familienunternehmen ein besonders hohes Konfliktpotenzial birgt, ist die Unternehmensnachfolge bzw. -übergabe. Gerade hier sei die Familie am stärksten verwundbar, betont Professor Dr. Arist von Schlippe. Bei großen und langlebigen Familienunternehmen mit Kreisen von mehr als 80 Gesellschaftern seien das Ausscheiden aus der Geschäftsführung und die Weitergabe der operativen Nachfolge oft klar geregelt und auch der Zugang zu Gremien erfolge über transparente Regeln, so von Schlippe. Ganz anders sei dies hingegen in Gründerfamilien, bei denen die Identität des Gründers meist aufs Engste mit dem Unternehmen verbunden sei. Entsprechend schwer falle es, loszulassen und das Aufgebaute in die Hände eines naturgemäß weniger erfahrenen Kindes zu geben. „Hier finden sich lange Phasen der Ambivalenz“, fährt von Schlippe fort. „Erwachsene, gut ausgebildete Kinder verharren im Wartestand oder geraten evtl. in eine ‚Nachfolgefalle‘, d.h. sie schlagen andere berufliche Möglichkeiten aus, weil sie auf versprochene Positionen warten und irgendwann ist es zu spät – die Enttäuschung kann dann sehr tiefgreifend und existenziell erlebt werden.“

Vielen Familienunternehmern ist es eine Herzensangelegenheit, die Firma später an die nächste Generation weiterzugeben. Laut David Zülow zeigt jedoch die Erfahrung: „Zwischen Herzenswunsch und Wirklichkeit klaffen mitunter Welten. Wer von den Kindern hat die nötige Durchsetzungskraft, den Willen, die nachhaltige Sicht? Alle? Wollen sie die Firma übernehmen? Was ist zu tun, wenn es überhaupt keine Kinder gibt? Wann und unter welchen Bedingungen wird wie weitergeführt? Wie hoch ist der Wert der Firma?

Eine Unternehmensnachfolge ist ein höchst komplexer Prozess, wie allein schon die vielen Fragen zeigen, und für alle Beteiligten eine große Herausforderung.“

Neben einer erfolgreichen Unternehmensführung zählt die Unternehmensnachfolge aus Zülows Sicht zu den wichtigsten Aufgaben einer Firma – denn eine falsche Entscheidung kann existenzbedrohend sein. Wie organisiert man also seine Nachfolge? „Stellen Sie gemeinsam einen Fahrplan und ein Regelwerk auf, halten Sie das ein und seien Sie gnadenlos ehrlich miteinander“, empfiehlt Zülow und ergänzt: „Wenn Sie möchten, dass Ihr Nachfolger die Verantwortung übernimmt, geben Sie ihm auch die Chance, Fehler zu machen.“

 

 

Konfliktprävention als Mittel der Wahl

Wie sollten Familienunternehmen nun am besten mit Konfliktdynamiken umgehen, um gerichtliche Schritte als Ultima Ratio zu vermeiden? Zülow weist darauf hin, dass Konflikte in Familien der Normalfall seien und Auseinandersetzungen immer auch sehr konstruktiv und bereichernd sein könnten. Wichtig seien daher eine konfliktfreundliche Grundhaltung und Konfliktkompetenz, um eine negative Dynamik zu vermeiden. „Wenn die Fronten allerdings einmal verhärtet sind, lassen sich Probleme kaum noch intern lösen“, weiß Zülow. Spätestens dann brauche man externen Rat. „Da helfen dann nur noch Profis, also eine professionelle Moderation, und die Festlegung regelmäßiger Supervisionstermine“, sagt Zülow und rät: „Zeigen Sie, dass Sie bereit sind, Konflikte konstruktiv zu lösen und persönliche Wünsche und Vorstellungen hintanzustellen. Sie sind der Treuhänder der Firma und es geht immer auch um die Zukunft.“

Professor Dr. Arist von Schlippe nennt in diesem Kontext zwei Formen der Konfliktprävention, die sich in der Praxis bewährt hätten. Zum einen könnten sich Konflikte durch Bewusstheit vermeiden lassen. „Während früher jede Familie ihren eigenen Weg suchen musste, ist heute viel mehr Wissen um typische Konflikte und mögliche Lösungswege zugänglich“, zeigt von Schlippe auf. Die Unternehmerfamilie könne sich daher schneller ihrer besonderen Herausforderungen bewusst werden, Konfliktsituationen als typisch erkennen und sie auf die Strukturbedingungen zurückführen, statt die Ursachen jeweils dem „anderen“ zuzuschreiben. „Je frühzeitiger die typischen Muster erkannt und proaktiv angegangen werden, desto besser“, meint von Schlippe. Die zweite Form der Konfliktprävention sei die Familienstrategie: „Zunehmend mehr wählen Unternehmerfamilien den Weg, sich über eine gewisse Zeit hinweg mit den vielen kritischen Fragen zu befassen, mit denen sie schon konfrontiert wurden, bzw. die noch auf sie zukommen. Diese Fragen werden proaktiv durchgesprochen und in einem Protokoll, einer ‚Familiencharta‘, festgehalten“, so von Schlippe. Dies sorge bei allen Betroffenen für Orientierung und Klarheit.

Sollte es dann aller Präventionsstrategien zum Trotz dennoch einmal zum Konflikt kommen, gibt es von Schlippe zufolge idealerweise in der Familiencharta klare Schritte der Konfliktbeilegung: „Dann ist bereits eine neutrale Ansprechperson festgelegt – also eine integre Figur aus der Familie, ein ausgewähltes Mitglied des Beirats oder des Familienausschusses o.ä. Diese versucht, durch interne Gespräche eine Lösung zu erreichen. Bleibt dies ohne Effekt, wird der Konflikt an einen familienexternen Konfliktmoderator übergeben. Scheitern diese Versuche, ist ein strukturiertes Mediationsverfahren der nächste Schritt. Scheitert auch die Mediation, geht die Lösungssuche an kompetente Dritte. Dann können etwa familienfremde Mitglieder des Beirats einen Lösungsvorschlag erarbeiten.“ Die letzte Stufe wäre ein Schiedsgericht, dessen Entscheidung von allen respektiert werden sollte. Eine solche Schiedsgerichtsklausel soll die höchste Eskalationsstufe verhindern, in der man sich dann „vor Gericht“ wiedersieht. Auch David Zülow empfiehlt, schon frühzeitig schriftlich ein klares Regelwerk aufzustellen. Wichtig sei hierbei, dass dieses gemeinsam vereinbart werde: „Jede Generation kann etwas einbringen und gemeinsam sollten Absprachen getroffen werden, die für alle sinnvoll sind und an die sich alle halten müssen. Eine möglichst langfristige und partnerschaftliche Planung ist das A und O, um Konflikte zu vermeiden.“ Selbstverständlich haben Familienunternehmen auch viele Vorzüge. „Blut ist dicker als Wasser“, unterstreicht Zülow. Schließlich sei Familie – im positiven Sinne – lebenslänglich. „Letztendlich weiß man, dass die Konflikte irgendwann gelöst werden. Viele Konflikte lassen sich innerhalb der Familie auch von vornherein leichter anpacken. Man greift einfach schneller zum Hörer und schafft die Dinge aus der Welt.“

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Fotostrecke

David Zülow, NRW-Landesvorsitzender von „Die Familienunternehmer“ (© Zülow AG)

Professor Dr. Arist von Schlippe, Wittener Institut für Familienunternehmen (© privat)

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