Die Digitalisierung ist in kaum einer Branche – ob jetzt im Mittelstand oder in Großunternehmen, mehr wegzudenken. Auffällig ist dennoch, dass in vielen Personal- und Kompetenzmodellen der digitale Bereich noch nicht berücksichtigt wird, moniert der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW. Daher empfiehlt er in einer Broschüre u.a. die kreative und agile Methodenkompetenz zu schulen, um auf den digitalen Wandel zu reagieren. Und da sich technische Innovation, Plattformen und deren Nutzungs-Realitäten immer schneller verändern, sollten Unternehmer dafür sorgen, bei den benötigten Kompetenzen am Ball zu bleiben, beispielsweise über den Aufbau von Innovation Hubs.
Eine Möglichkeit dafür sind auch digitale Weiterbildungen. „Das Selbstlernen ist in Zeiten der Digitalisierung erfolgreich weiterentwickelt worden“, erklären die Experten des „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“. Das Zentrum, kurz Kofa, wurde 2011 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gegründet, um kleinen und mittleren Unternehmen u.a. beim Finden und Halten von Fachkräften zu helfen. Unter dem Überbegriff E-Learning tummeln sich zahlreiche Varianten wie computerbasierte Selbstlernprogramme oder Videotrainings. Aber auch interaktive Formen von webbasiertem Lernen zählen die Experten von Kofa mit dazu, bei denen Lernende und Lehrende miteinander kommunizieren, wie etwa Webinare oder virtuelle Seminare oder kooperative Lernplattformen.
Eine kostenlose Möglichkeit für Online-Trainings bieten sogenannte MOOCs (Massive open online courses), die in den vergangenen Jahren populär wurden. Sie kombinieren traditionelle Formate wie Videos mit Vorlesungen und Lesematerial mit interaktiven Übungen und Online-Tests und auch mit Foren, in denen sich Lehrende und Lernende austauschen können. Private Anbieter stellen MOOCs in Zusammenarbeit mit Universitäten normalerweise kostenlos zur Verfügung. Nur der Erwerb eines Zertifikats ist für Unternehmer mit Kosten verbunden. Diese Weiterbildungsform ist aus Sicht der Experten der Kofa für Mitarbeiter interessant, die ein Fernstudium zunächst einmal testen wollen.
Lernvideos und Webinare als wichtigste Weiterbildungsformate
Lernvideos und virtuelle Seminare bzw. Webinare sind für jeweils 73 Prozent der 300 befragten Personalverantwortlichen deutscher Firmen einer TNS infratest-Studie die wichtigsten Online-Formate für die Weiterbildung 4.0. Der Vorteil dieser Medien liegt laut der Studie im Auftrag der Studiengemeinschaft Darmstadt darin, dass Videos Prozesse und Anleitungen visuell darstellen können. ScreenCam-Filme, die die Bedienung von Software-Funktionen zeigen oder Tutorials zur Montage eines Bauteils sind Beispiele dafür. Außerdem halten knapp zwei von drei Befragten einen Online-Campus bzw. eine Online-Community für wichtig bis äußerst wichtig, da diese u.a. einen Kontakt zu anderen Lernenden ermöglicht und Lernunterlagen bereitstellt.
Mit dem Boom von Smartphones und Tablets werden auch mobile Angebote für Unternehmer im Weiterbildungsbereich zunehmend interessanter. Mobile Learning hat den Vorteil, dass die Apps intuitiv bedient werden können, erklären die Experten des Arbeitskreises „Learning Solutions“ des Digitalverbands Bitkom in einem Whitepaper. Außerdem ist die mögliche ortsunabhängige Nutzung von Lerninhalten praktisch, wenn kein PC zur Verfügung steht. Mobile Learning eignet sich daher aus Sicht der Digital-Experten beispielsweise, „um Leerlaufzeiten zwischen Kundenterminen oder Wartezeiten zu nutzen“.
Wenn sich Unternehmer für die Mobile-Learning-Variante entscheiden, sollten sie darauf achten, ihren Mitarbeitern die Lerninhalte „online und offline zur Verfügung zu stellen, damit die Bildungsaktivitäten wie Videos, Web Based Trainings unabhängig vom Internetzugang durchgeführt werden können“, raten die Experten.
Als technischer Trend bei digitalen Weiterbildungen gilt laut den Bitkom-Experten mittlerweile HTML5 – „ein neuer Standard zum Anzeigen von Webseiten und Web-Applikationen, der von allen gängigen Browsern unterstützt wird und Medien wie Audiodateien, Videos oder Animationen ohne zusätzlich benötigte Plugins anzeigen kann“. Er wird auch häufig bei sogenannten „Web Apps“ eingesetzt, die direkt über die Website des Anbieters erreichbar sind. Durch mobile Endgeräte wird Mitarbeitern der Zugang zu Lerninhalten stark vereinfacht. Und diese können ohne Medienbruch direkt auf dem Gerät ihrer Wahl lernen. Wenn es darum geht, E-Learning-Inhalte u.a in Form von Videosequenzen, Testfragen, Quizzen oder auch Lernspielen aufzubereiten, hat es sich aus Sicht der Bitkom-Experten bewährt, diese in kleine, in sich geschlossene und leicht verständliche Teile, sogenannte Micro-Learning-Inhalte,
aufzuteilen. Barbara Bocks | redaktion@regiomanager.de
INFO
Mitarbeiterbindung durch digitale Weiterbildung?
Fragen an Dr. Hans E. Ulrich, Institutsleiter und Präsident der IST-Hochschule für Management
RM: Warum ist gerade digitale Weiterbildung für Mitarbeiter interessant?
Dr. Hans E. Ulrich: Wenn es um Flexibilität des Lernens geht, ist digitale Weiterbildung perfekt. Denn die Inhalte der Weiterbildung kommen per Video als Online-Vorlesung, als webbasiertes Training auf dem PC oder per App zusammen mit Online-Studienheften immer dann zum Lernenden, wenn dieser Zeit hierfür hat. Teilnehmer müssen keinen Urlaub für eine Präsenz-Weiterbildung nehmen, keine weiten Anfahrtswege bewältigen und sparen außerdem Übernachtungskosten. Die digitale Weiterbildung passt sich also den Lebensumständen des Lernenden an und nicht umgekehrt.
RM: Wo ist der Unterschied zur herkömmlichen „analogen“ Weiterbildung?
Dr. Hans E. Ulrich: Der Unterschied liegt in der Vermittlungsform. Digitale Formate sind im Internet abrufbar oder können auf Speichermedien gesichert werden. Lernende benötigen also nur noch ein Tablet oder Smartphone, um sich die Inhalte einer Weiterbildung anschauen oder anhören zu können. Aber auch analoge Formate wie Studienhefte oder Lehrbücher können durchaus mit digitalen Möglichkeiten kombiniert werden. Die unterschiedliche Aufbereitung der Inhalte verspricht den Lernenden Abwechslung und auch Motivation, sich mit einem Thema
zu beschäftigen.
RM: Wo liegen die Vorteile für Arbeitgeber?
Dr. Hans E. Ulrich: Studien- und Weiterbildungsangebote, die auf digitalen Vermittlungsformen basieren, bieten den Arbeitgebern entscheidende Vorteile. Dual Studierende sind zum Beispiel ab dem ersten Tag Teil des Teams im Unternehmen und sind dort kontinuierlich einsetzbar, denn sie haben nahezu keine festen Unterrichtszeiten an der Hochschule. Lediglich zwei bis fünf Tage pro Semester finden begleitende Präsenz-Seminare statt. Der Studierende lernt also genau dann, wenn die Arbeitszeit es zulässt. So können sie schon früh Verantwortung übernehmen. Und der Transfer des theoretischen Wissens in die Praxis ist damit gewährleistet. Und davon profitiert ein Arbeitgeber unmittelbar.
Teilen: