Recht & Finanzen

Führungskultur: Führen mit Stil

Schlechte Führung, die Mitarbeiter demotiviert, kostet die deutsche Wirtschaft jährlich insgesamt bis zu 105 Milliarden Euro. Ein positiver Führungsstil ist in vielen Unternehmen daher dringend gefragt.

Avatar
von Regiomanager 01.06.2017
Rhein-Wupper Manager 2019/01
Foto: © XtravaganT - stock.adobe.com | Andrea Martens

Wenn der Chef von Anna Siegel zu Besuch kommt, dann kauft sie immer sein Lieblingsbier. Dabei ist der Professor, der viele Jahre einen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg innehatte, schon längst nicht mehr ihr Chef. Bereits 2003 hat er sich in den Ruhestand verabschiedet, auch Siegel selbst ist seit zwölf Jahren in Rente. „Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis, das von Achtung und Vertrauen geprägt war“, berichtet sie. Auch in schwierigen Situationen begegneten sich der Chef und seine Mitarbeiterin mit Respekt. Inzwischen sind die beiden längst per Du und treffen sich in regelmäßigen Abständen. „Es ist schon toll, dass sich aus der Beziehung zu meinem ehemaligen Chef eine Freundschaft entwickelt hat“, findet Siegel. Der Vorgesetzte von Anna Siegel hat als Führungskraft ganz offensichtlich vieles richtig gemacht. Das können leider nur wenige Unternehmenslenker, Manager oder Abteilungsleiter von sich behaupten. Denn: Führungskultur ist zwar ein Schlagwort. Wer es einmal in eine Suchmaschine eingibt, findet von Machiavelli über die „Kunst des Führens“ des amerikanischen Theologen Bill Hybels bis zum modernen „Minuten-Manager“ jede Menge Literatur, Konzepte und Informationen. In den Chefetagen vieler deutscher Unternehmen sind die zahlreichen Führungsansätze aber noch nicht angekommen.
So zeigt der aktuelle Engagement Index des Beratungs- und Forschungsunternehmens Gallup aus Berlin, dass viele Arbeitgeber in Zeiten guter Konjunktur und fehlender Fachkräfte zwar große Anstrengungen unternehmen, um Mitarbeiter an sich zu binden. Dennoch stagniert der Anteil der Beschäftigten, die eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber aufweisen und daher mit Hand, Herz und Verstand bei der Arbeit sind, bei 15 Prozent. Noch schlimmer: Ebenfalls 15 Prozent haben sich innerlich von ihrem Unternehmen bereits zurückgezogen. 70 Prozent der Beschäftigten sind emotional gering gebunden und machen lediglich Dienst nach Vorschrift.

Verhalten des Vorgesetzten zählt

Der Gallup-Engagement-Index ist die umfangreichste Studie zur Arbeitsplatzqualität in Deutschland. Dabei befragen die Experten seit 2001 jedes Jahr Arbeitnehmer, um den Grad der emotionalen Bindung an ihr Unternehmen sowie die Wirkung dieser Bindung auf Engagement und Motivation zu untersuchen. Die aktuelle Untersuchung belegt: Wie lange Mitarbeiter im Unternehmen bleiben und wie produktiv sie in dieser Zeit sind, hängt in erster Linie vom Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten ab. Und: Nach den Berechnungen der Gallup-Experten kostet schlechte Führung die deutsche Volkswirtschaft insgesamt bis zu 105 Milliarden Euro jährlich, da sie Mitarbeiter derart frustriert, dass sie ihre Aufgaben nur noch oberflächlich erledigen. Eine kultivierte Führung ist also dringend erforderlich. Fragt sich nur, was darunter zu verstehen ist und wie gute Führung gelingen kann. „Führungskultur bedeutet nicht, dass sich ein Manager auf den Kopf stellen muss, um seine Mitarbeiter zu motivieren und für Spaß zu sorgen“, sagt Marco Nink, Senior Practice Consultant bei Gallup. Es gehe auch nicht darum, Arbeitsplätze schön zu gestalten oder einen Tischkicker aufzustellen. „Das ist zwar alles ganz nett, aber es führt nicht dazu, dass Mitarbeiter sich im Unternehmen wohlfühlen und ihr Bestes geben“, erklärt Nink. Damit Beschäftigte genau dies aber tun, müssen Führungskräfte sie in erster Linie einmal als individuelle Persönlichkeiten wahrnehmen. Klingt abgehoben, ist aber ein ganz bodenständiges Konzept. „Chefs sollten versuchen, möglichst jeden Mitarbeiter dort einzusetzen, wo er seine besonderen Stärken wirklich nutzen kann“, sagt Nink. Das setzt voraus, dass der Vorgesetzte diese persönlichen Stärken überhaupt kennt, was wiederum bedeutet: regelmäßige Gespräche mit den Beschäftigten führen. „So erfährt eine Führungskraft auch, was einen Mitarbeiter bewegt, welche Wünsche, Vorschläge oder Ideen er hat, ob er sich verändern möchte“, erläutert der Gallup-Experte.

Stärken fördern, Schwächen mildern

Natürlich hat auch der fähigste Mitarbeiter nicht nur Stärken, sondern immer auch einige Schwächen. „Es ist sehr wichtig, die Stärken weiter zu fördern, etwa durch Fortbildungen oder Coachings“, sagt Nink. Gleichzeitig sollten Chefs ihre Beschäftigten aber auch dabei unterstützen, an persönlichen Schwächen zu arbeiten. Das führt nicht nur dazu, dass weniger Fehler passieren, die Mitarbeiter fühlen sich auf diese Weise auch akzeptiert. Sie haben dann nicht das Gefühl, sich vor dem Chef oder den Kollegen „verstecken“ zu müssen, bauen Ängste ab und können entspannter arbeiten. „Gute Führungskräfte geben Mitarbeitern außerdem klare Ziele vor“, sagt Nink. Dabei müssen es nicht unbedingt konkrete jährliche Zielvorgaben sein, die dann auch zu erfüllen sind. Vielmehr geht es darum, dass jeder Mitarbeiter weiß, worin genau seine Tätigkeit besteht und welchen Sinn und Zweck seine Arbeit erfüllen soll.
„Wer Angestellte im luftleeren Raum vor sich hin arbeiten lässt, erzeugt Irritation und Verunsicherung“, sagt Nink. Weiß jeder Beschäftigte hingegen, was er zu tun hat und warum, schafft das Klarheit und Sicherheit. Bekommt jeder Mitarbeiter dann noch in regelmäßigen Abständen oder aber in Sondersituationen ein Feedback, steigert dies die Motivation noch mehr. „Ein negatives Feedback sollte selbstverständlich sachlich und konstruktiv vorgetragen werden“, mahnt Nink. Aber selbst vernünftig geäußerte Kritik sei allemal besser als gar keine Rückmeldung. „Das Schlimmste ist, wenn Mitarbeiter sich ignoriert fühlen“, erklärt Nink. Damit es nicht dazu kommt, ist es für einen guten Führungsstil unerlässlich, auf Fragen, Vorschläge oder Ideen von Mitarbeitern zu reagieren. Natürlich kann sich kein Chef immer sofort um die Anliegen seiner Angestellten kümmern. Aber etwa auf Mails tagelang oder gar nicht zu antworten, hat mit Führungskultur nichts zu tun. Schließlich würde kein Unternehmer jemals seine Kunden so behandeln. Warum sollte er seinen Mitarbeitern nicht dieselbe Höflichkeit und Wertschätzung entgegenbringen?

Für jeden das richtige Lob

„Wertschätzung, Anerkennung, schlichtweg Lob spielt in einer positiven Führungskultur eine ganz entscheidende Rolle“, sagt Nink. Das mag fast banal erscheinen, ist jedoch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zumal es nicht mit einem plumpen Schulterklopfen getan ist, das der Chef am Montagmorgen großzügig verteilt, wenn er beim Wochenendseminar gelernt hat, er müsse auch mal loben. „Anerkennung wirkt nur dann richtig, wenn sie in der für die betreffende Person passenden Form gezeigt wird“, sagt Nink. So wünscht sich ein Mitarbeiter vielleicht ein öffentliches Lob bei der Betriebsfeier, während einem anderen genau das hochnotpeinlich wäre. Um zu erfahren, für wen welche Form der Wertschätzung die richtige ist, müssen Führungskräfte ihre Mitarbeiter natürlich gut kennen. Auch dafür sind Gespräche und regelmäßiger Austausch wichtig. Echte Führungskultur beansprucht Zeit und bindet Aufmerksamkeit, die ansonsten auf rein geschäftliche Aufgaben gelenkt werden könnte. Aber sie lohnt sich. „Wenn Mitarbeiter ihren Stärken entsprechend eingesetzt und gefördert werden, wenn sie sich gesehen und geschätzt fühlen, dann macht ihnen die Arbeit oft einen solchen Spaß, dass etwas Erstaunliches geschieht“, weiß Experte Nink. Sie erleben ein Flowgefühl, wie man es beim Ausdauersport oder bei der Beschäftigung mit einem geliebten Hobby empfindet. Und etwas Besseres kann es für eine Führungskraft und das Unternehmen kaum
geben. Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de

Andrea Martens
| redaktion@regiomanager.de

Teilen:

Weitere Inhalte der Serie
Newsletter abonnieren

Newsletter abonnieren und Brancheninfos erhalten

Datenschutz*