Hatten Sie auch schon einmal das Gefühl, Sie lebten in einer Parallelwelt? Hatten Sie schon einmal den Eindruck, dass öffentliche Diskussionen oder politische Entscheidungen lebensfremd sind oder der Realität entgegenstehen? Mir geht das in letzter Zeit häufiger so. Es gibt derzeit viele Dinge, die dem zuwiderlaufen, was sinnvoll erscheint.
Nehmen wir als Beispiel die Einführung von 2G im Einzelhandel im Dezember 2021. Die Politik, also die gesetzgebende Kraft, hat diese Regelung beschlossen, die Kontrollen aber an Händler und Gastronomen abgegeben. Damit hat der Gesetzgeber staatliche Aufgaben an Unternehmen übertragen, ohne die Kosten für den zusätzlichen Aufwand zu übernehmen und mögliche Gefahren fürs kontrollierende Personal einzukalkulieren. Von den Umsatzeinbußen, die dem Einzelhandel durch 2G entstanden, ganz zu schweigen.
Ich weiß, wir haben eine Pandemie und die lässt sich nicht wegdiskutieren. Doch was hat die 2G-Regelung im Einzelhandel denn nun wirklich gebracht? Sie hat vielleicht Ungeimpften das Leben ein wenig erschwert, die Ansteckungszahlen jedoch kaum vermindert. Denn die Gefahr der Ansteckung ist beim Einkauf ausgesprochen gering. Für den Einkauf im Supermarkt beispielsweise liegt die Ansteckungsrate zwischen 0,001 und 0,004 Prozent; das bedeutet: Eine bis vier von 100.000 Personen infizieren sich dort mit Covid-19. Den Einzelhändlern hat die 2G-Regelung hingegen erheblich geschadet. Von November bis Dezember 2021 sanken die Umsätze im stationären Handel laut Statistischem Bundesamt real um 5,5 Prozent – und das in der Zeit des normalerweise umsatzstarken Weihnachtsgeschäfts. Wie kann das alles richtig (gewesen) sein?
Ein weiteres Thema, bei dem ich das Gefühl gewinne, in einer Parallelwelt zu leben, ist die Diskussion um das geplante sogenannte Selbstbestimmungs- oder Vielfaltsgesetz. Menschen, die sich dem anderen als dem eigenen Geschlecht zugehörig fühlen, soll gesetzlich gestattet werden, einmal jährlich den Personenstand von männlich zu weiblich zu wechseln oder umgekehrt. Und zwar allein durch Selbstauskunft und ohne körperliche Angleichungsmaßnahmen vornehmen lassen zu müssen. Jegliche Kritik an den bislang geplanten Regelungen dieses Gesetzes wird als transfeindlich bezeichnet, dabei gibt es einiges zu kritisieren.
Für Menschen, die trans sind, ist die Möglichkeit eines vereinfachten Personenstandswechsels eine gute Sache, doch würde ein Gesetz mit den bislang geplanten Regelungen auch dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Nicht zuletzt durch die jährliche Wechselmöglichkeit. Es wird immer Menschen geben, die nur vorgeben, sie seien ein Mann/eine Frau, um sich Vorteile zu verschaffen.
Wie Beispiele aus anderen Ländern bereits zeigen, könnten sich etwa männliche Straftäter vor Antritt ihrer Haftstrafe als Frau identifizieren, um die Haftzeit im Frauen- statt im Männergefängnis abzusitzen. Männer könnten Frauen vorbehaltene Räume, z.B. Umkleidebereiche, nutzen, allein, indem sie behaupten, sie seien eine Frau. Einen Ausweis muss schließlich niemand vor der Nutzung einer solchen Räumlichkeit vorweisen. Auch Unternehmen und Behörden müssten Menschen, die sich als Frau identifizieren, bevorzugt einstellen, wenn sie zu Gleichstellungszwecken den Frauenanteil in einem Bereich erhöhen wollen. Was aber, wenn die Person, die sich als Frau identifiziert, nach einiger Zeit ihren Personenstand wieder wechselt? Wie sieht es dann mit der Gleichstellung aus? Daneben soll durch das geplante Selbstbestimmungsgesetz das sogenannte Misgendern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Spräche man eine Person, die ihren Geschlechtseintrag hat ändern lassen, mit ihrem alten Vornamen an oder würde sie etwa Herr XY statt Frau XY nennen, soll dies mit einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro belegt werden können. Unabhängig davon, ob vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt wurde.
Bei allen oben genannten Beispielen wurden und werden sinnvolle mit unsinnigen, zum Teil schädlichen Maßnahmen vermischt. Vielleicht rührt das Gefühl, in einer Parallelwelt zu leben, daher, dass vieles zwar gut gemeint, jedoch nicht gut gemacht, sondern haarscharf daneben ist. Würden Regelungen zuvor gründlicher durchdacht und Bedenken, etwa von Unternehmen, ernst genommen, könnte auch das Vertrauen in die Politik wieder steigen.
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