Das Tischlerhandwerk ist „ein großer, stolzer, starker und in der öffentlichen Meinung der angesehenste Handwerksberuf“, sagte kürzlich Thomas Radermacher, der neue Präsident des Verbands Tischler Schreiner Deutschland. Er findet aber auch: „Das müssen wir noch sichtbarer machen.“ Dass bei der Öffentlichkeitsdarstellung noch Luft nach oben ist, klingt auch an beim Obermeister der Tischler-Innung Paderborn, Matthias Gerdesmeier. Er ist regelmäßig Gast auf der Internationalen Möbel-Messe Köln und immer aufs Neue überrascht: „Manchmal von der Fortschrittlichkeit und den ‚verrückten neuen Ideen‘ – manchmal aber auch von der Erkenntnis, dass Möbelmessen gelegentlich das zeigen, was wir als Tischler vor Ort bereits lange bauen.“ Was aber offenbar noch nicht in allen Köpfen verankert ist. Das Können der Tischler etwa im Möbelbau darf ruhig noch bekannter werden. Zwischen der weltweit renommierten Möbel- und Küchenindustrie in Ostwestfalen und dem Handwerk gibt es übrigens Schnittmengen. Dort sind größere Möbelhersteller teilweise Mitglied der Innung – abgesehen davon, dass sie ebenfalls Tischler beschäftigen.
Geschäftsklima-Spitzenwerte
Die Stimmung bei den Tischlern – in Süddeutschland eher als „Schreiner“ bekannt – ist und bleibt hervorragend. Der Geschäftsklimaindex in der Branche erreichte im Herbst 2018 den zweithöchsten Herbstwert seit mehr als 25 Jahren; die Umsätze der rund 5.797 am Markt aktiven, in die Handwerksrolle eingeschriebenen Betriebe in Nordrhein-Westfalen stiegen im zweiten Quartal 2018 um 4,4 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Bei der Konjunkturumfrage aus dem Herbst gaben immerhin 44,4 Prozent der Betriebe an, dass ihre Umsätze im Halbjahr zuvor gestiegen waren, bei geringfügig mehr (44,9 Prozent) waren sie gleich geblieben. Besonders profitieren konnte die Bautischlerei – also die Betriebe, die z.B. Fenster, Türen und Treppen bauen. Sie trugen zur boomenden Baukonjunktur bei und erhöhten ihre Umsätze laut Umfrage um 57,7 Prozent.
Schere Einkaufs-/Verkaufspreise
Auf breiter Front gehen die meisten Betriebe von weiter steigenden Einkaufspreisen aus, während bei den Verkaufspreisen eine Mehrheit glaubt, dass sie eher gleich bleiben werden – dass also die erwarteten Teuerungen auf der Einkaufsseite nicht im gleichen Maß weitergegeben werden können. Allerdings war die Schere zwischen beiden Werten früher schon einmal größer, ist die Beobachtung von Jens Südmeier, dem Pressereferenten von Tischler NRW. „Das ist ein bisschen die Mentalität des Tischlers: Er schlägt nicht gern was drauf. Es ist schwer, die Preise zu erhöhen, denn es findet sich immer jemand, der billiger anbietet.“ In keinem Gewerk liegen bei Ausschreibungen und Angeboten die Preise so weit auseinander wie im Tischlerhandwerk, hat Jürgen Bröker, Innungs-Obermeister Hochsauerland, beobachtet. „Die Tischlerbetriebe sollten etwas mehr an einem Strang ziehen und die Preisspirale nicht gegenseitig nach unten drehen“, sagt Südmeier.
Größere Firmen investieren mehr
Die Branche blickt weiter optimistisch in die Zukunft. Fast drei Viertel aller Unternehmen glaubten im Herbst 2018 noch an eine Fortsetzung des günstigen Konjunkturverlaufs. Investitionen im Tischlerhandwerk dienen in erster Linie dem Ersatz für alte oder defekte Maschinen und Anlagen – 65,1 Prozent der befragten Betriebe investieren in diesem Bereich. Erweiterungsinvestitionen planen und realisieren mit 27,1 Prozent noch deutlich mehr als noch im Herbst 2017. Rationalisierungsinvestitionen fanden laut Herbstumfrage 2018 jedoch nur noch in 19,4 Prozent der Betriebe statt – gegenüber 22,8 und 24,1 Prozent im Herbst 2017 und Frühjahr 2018. Im Allgemeinen wird umso stärker investiert, je größer ein Betrieb ist. 23,8 Prozent der Betriebe unter fünf Beschäftigten gaben Investitionssteigerungen an gegenüber 40,0 Prozent der Betriebe mit 20 Beschäftigten und mehr – die Betriebsgrößen dazwischen reihen sich im etwa gleichen
Verhältnis ein.
Trend zu größeren Einheiten
Anders als in anderen Bereichen der Wirtschaft kommen Übernahmen im Tischlerhandwerk nur gelegentlich vor, doch ist ein Trend zu größeren Einheiten unverkennbar. Die Kategorie der Betriebe mit unter fünf tätigen Personen hat nach Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Statistischen Bundesamts zwischen 2008 und 2015 um knapp zehn Prozent abgenommen, die Menge der Firmen mit fünf bis neun Personen ist in etwa gleich geblieben, die der Betriebe mit zehn bis 19 Beschäftigten stieg leicht um 4,2 Prozent und die der Betriebe mit Beschäftigten ab 20 Personen um über
zehn Prozent.
Problemfeld Nachwuchs
Ausbildung ist die Achillesferse im Handwerk – auch im Holzhandwerk. Deutlich abgenommen hat die Zahl der Ausbildungsstätten. Im Jahr 2004 bildeten noch 43 Prozent der Tischlereien aus, 2018 nur noch 37,7 Prozent. Insgesamt sank die Zahl der Ausbildungsstätten auf 2.186 Betriebe. „Viele Betriebe finden keine geeigneten Kandidaten“, meint Jens Südmeier. Er beobachtet auch, dass manche Firmenchefs langsam resignieren: „Nicht nur die Menge, sondern auch die Ausbildungsreife und Qualität der potenziellen Auszubildenden haben abgenommen. Da sagt sich mancher Chef: Ich habe jetzt noch fünf bis sechs Jahre im Beruf. Den Stress tue ich mir nicht mehr an.“ Der Hauptgeschäftsführer von Tischler NRW, Dr. Johann Quatmann, macht sich darüber hinaus Sorgen, dass vor 15 Jahren noch ein Drittel der Schulabgänger ein Studium aufnahm, mittlerweile jedoch schon die Hälfte. „In vielen Köpfen steckt noch drin, dass Akademiker viel Geld verdienen“, sagt Jens Südmeier, „während die Verdienstmöglichkeiten auch im Handwerk sehr gut sind.“
Entlastung durch Migranten?
Der Flüchtlingszuzug könnte Entlastung in Gestalt talentierten Nachwuchses bringen. Geflüchtete wurden schon als Praktikanten beschäftigt oder als Azubis eingestellt. Teilweise klappt dies auch. Allerdings scheitert es in der Praxis nicht selten an der Sprachbarriere – vor allem der Schulunterricht bildet dann eine zu hohe Hürde. 1.768 neue Ausbildungsverträge konnten nordrhein-westfälische Tischlerfirmen 2018 abschließen, etwas mehr als 2017 (1.756) und deutlich mehr als 2016 (1.675). Allerdings werden schon seit 2009 durchgängig über 30 Prozent der neuen Ausbildungsverhältnisse wieder aufgelöst. 2018 waren es 32,2 Prozent. Guido Kramp, Obermeister der Innung Lippe, hat die Erfahrung gemacht: „Wir versuchen, alle Azubis zu übernehmen, aber das klappt nur bei einem Drittel – das zweite Drittel geht studieren und beim letzten Drittel passt es nicht.“ Die „Zukunfts-Initiative modernes Tischlerhandwerk“ (ZIMT) soll den Beruf insgesamt attraktiver machen, indem sie seit 2017 Gesellen mit Bausteinseminaren zu Werkstattleitern, Projektbetreuern und Montagefachkräften weiterqualifiziert. Die Verbände des Tischlerhandwerks in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Schleswig-Holstein haben dieses Modell auf den Weg gebracht und sind bisher sehr zufrieden mit den Ergebnissen, so Jens Südmeier. Man hofft darauf, dass das Modell auch bundesweit umgesetzt wird. „Wir wollen Anreize setzen, dass die Fachkräfte im Tischlerhandwerk den Firmen
erhalten bleiben.“
Einmal Tischler, immer Tischler
Allerdings: „Wer einmal ins Tischlerhandwerk reingeschnuppert und eine gute Ausbildung genossen hat, bleibt meistens irgendwie dran, auch wenn er später z.B. Innenarchitekt geworden ist. Da gibt es eine gewisse Affinität“, so Jens Südmeier. Auch solche „Altgesellen mit akademischen Weihen“ könnten in ihrem jeweiligen Bereich fürs Image des Tischlerhandwerks daran arbeiten, dass das Tischler-Image steigt.Claas Syrt Möller
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