Marketing/Vertrieb

Hybrid ist das neue Normal: Lagerfeuer wird digital

Wie Eventagenturen Live- und Online-Erlebnisse verbinden. Hybride Events verbinden das Beste aus beiden Welten. Je emotionaler das Kommunikationsziel gewählt ist, desto hybrider sollte die Veranstaltung ausgerichtet werden.

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von Maren Hellhake 07.01.2025
Licht an: Musikevents stehen nach der Pandemie wieder hoch im Kurs (© Who is Danny – stock.adobe.com)

Die Pandemie hat tiefe Spuren hinterlassen. „Abgesehen von globalen oder geopolitischen Entwicklungen, die das Potenzial haben, von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen zu können, sehe ich drei starke Entwicklungen in der Veranstaltungswirtschaft: die Nachhaltigkeit, die Herausforderungen durch die fehlenden Arbeitskräfte sowie die Digitalisierung mit den fortschreitenden Möglichkeiten der Virtualisierung, der KI sowie des Datenmanagements“, sieht Markus Illing, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft fwd das „New Normal“.

Bei einem Umsatz von 81 Milliarden Euro und 1,13 Millionen Erwerbstätigen schlitterte die Veranstaltungswirtschaft als sechsgrößte Wirtschaftsbranche in Deutschland 2020 in das Krisenvirus. Die Covid-Lawine traf den Kulturveranstaltungsbereich ebenso wie die Musikszene, die Messe-, Kongress- und Tagungswirtschaft, die Betreiber von Veranstaltungshäusern und Musikclubs, die Agenturen und Künstlervermittler bis hin zum Schaustellergewerbe sowie die 243.000 vor allem im Dienstleistungsbereich tätigen Solo-Selbständigen: Von heute auf morgen ließ der faktische Lockdown die Branche implodieren. Das war der Start, neue Wege zu beschreiten.

Wertvolle Ergänzung

„Die Veranstaltungsbranche wird nicht mehr so sein, wie sie vorher war“ hieß schnell die Prognose. Das wurde insbesondere am Publikum deutlich: Das blieb (gezwungenermaßen) fern, beteiligte sich später auf Distanz. Aber die Branche reagierte auf Hygienestress und Autokino. Neue Formate, neue Technik, ein neuer Wirtschaftszweig veränderte die Event- und Kommunikationswelt. Die virtuelle Welt eroberte das Business.

„Als Fachverband für Messen und Ausstellungen betrachten wir digitale Formate als wertvolle Ergänzungen physischer Events, die in speziellen Anwendungsfällen ihre Berechtigung haben. Insbesondere zur Ergänzung sehen wir eine wachsende Bedeutung digitaler Services“, ist Henning Könicke vom FAMA-Fachverband Messen und Ausstellungen überzeugt: „Messen und Ausstellungen sind immer das Besondere. Sie sind wahrhaftige Höhepunkte, an denen sich Menschen persönlich begegnen, sich austauschen, einander zuhören und gemeinsam Informationen, die durch digitale Medien schwirren, von Angesicht zu Angesicht auf den Prüfstein legen können“.

Ideale Flankierung

„Digitalisierung bedeutet kein Entweder- oder zur analogen Präsenz, sondern eine wohl überlegte Kombination aus den besten Elementen beider Welten. Virtual Reality macht insbesondere Dienstleistungen intensiv erlebbar. Digitale Touchpoints werden in die Customer Journey sinnvoll integriert. Echte Messeauftritte werden durch kluge digitale Lösungen, Erweiterungen und Verlängerungen ideal flankiert. Digitale Verlängerungen ermöglichen auch die Teilnahme an weit entfernten Orten oder bei plötzlich auftretenden Hürden für eine Teilnahme“, ist auch Jörn Holtmeier überzeugt Für den Geschäftsführer im Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA steht aber eindeutig fest: „Das Format Präsenzmesse zu digitalisieren hat nicht funktioniert“.

„Das Bedürfnis, sich physisch zu treffen, ist immer noch groß. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass Formate sich grundlegend ändern müssen“, ist Ulrike Tondorf, Head of Brand Activation & Engagement, bei der Bayer AG überzeugt. Sie verweist auf die zunehmende Dichte neuer technischer Möglichkeiten. Kreative und innovative virtuelle Ansätze seien die Antwort, die neben den physischen Formaten einen dauerhaften Platz im Mix der Aktivierungsoptionen behalten werden. Das Event-Format werde dadurch nicht verdrängt, wohl aber ergänzt und verändert.

„Eher halbhybrid“

Für einige Verbände und viele Akteure und Anbieter steht fest: Die Tagungs- und Eventbranche wird nie wieder so sein wie einst. Der Strukturwandel habe sich noch einmal enorm beschleunigt und werde vor allem den Trend zu hybriden und räumlich verteilten Veranstaltungen noch weiter zunehmen lassen, weiß Ralf Schmitt. Der Geschäftsführer der Veranstaltungsagentur Impulspiloten analysiert einen Hype der hybriden Events. Die seien im engeren Sinne jedoch hauptsächlich teilhybrid, da das Publikum zumeist ausschließlich online teilnehme, das Programm des Events hingegen mit Gästen, Show Acts und Keynotes in einem Streamingstudio stattfinde. Im Streaming- oder Pop-up-Studio seien Moderator und einige Akteure live vor Ort, andere werden nach Bedarf in den Livestream zugeschaltet. Das Publikum verfolgt die Veranstaltung rein digital vom PC, Smartphone oder Tablet aus.

Persönliches Miteinander

„Gemeinsame Lagerfeuermomente“ seien für das soziale Wesen Mensch nach wie vor universell. Veranstaltungen könnten durch die digitalen Möglichkeiten aber sehr viel flexibler werden. „Reine Live-Events werden nicht mehr das Nonplusultra sein. Bei der Wahl des Formats gilt es, Kosten, Reichweite, Reisezeiten und CO2-Bilanz genau abzuwägen. Letztendlich werden mit der richtigen Ausgewogenheit an digitalen Möglichkeiten flexible Mischformate entstehen, die die gewünschte Zielgruppe und ihre Bedürfnisse erreichen, mit überlegter Ausgestaltung begeistern und damit auch in Zukunft erfolgreich sein werden“, analysiert Schmitt. Bei Events gehe es nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch um das Erlebnis, zum gemeinsamen und persönlichen Miteinander. Für die Zukunft werde die Frage, inwieweit dabei digitale Komponenten eine Rolle spielen, eine weitere Dimension hinzufügen. „Dabei gilt als Faustregel: Je emotionaler das Kommunikationsziel gewählt ist, desto hybrider sollte die Veranstaltung ausgerichtet werden“.

Kein Zaungeist sein

Die Herausforderung eines hybriden Events besteht darin, die Eventdramaturgie für die digitalen Teilnehmer gleichberechtigt zum Livepublikum zu konzipieren. Der Teilnehmer am Bildschirm sollte nicht das Gefühl eines Zaungastes haben, sondern ebenso Erlebnisse erfahren wie ein Teilnehmer vor Ort. „Applaus und Lachen generieren Liveatmosphäre, die wirkt auf die Akteure auf der Bühne. Kombiniert lässt sich eine fast unbegrenzt skalierbare digitale Reichweite erzielen“. Fazit der Befürworter: Hybride Events verbinden das Beste aus beiden Welten. Die Aspekte physischer Events (Multisensualität, persönlicher Dialog, erlebnisorientierte und emotionale Ansprache) ergänzen sich durch die Vorteile der digitalen Kommunikation (Reichweite, Nachhaltigkeit, Effektivität und Effizienz, Convenience). Die Synthese von live und digital schaffe Synergien und ermögliche gänzlich neue Veranstaltungsformate und Kommunikationsstrategien.
Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Ruhe vor dem Sturm (© panoramarx – stock.adobe.com)

Jörn Holtmeier, Geschäftsführer AUMA (©AUMA)

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