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Industrie 4.0 – Chancen für den Mittelstand

„Was ist das, wo kann man es kaufen und betrifft es alle Unternehmen und Branchen?“

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von Regiomanager 01.04.2016
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Vor dem Hintergrund der ökonomischen Herausforderungen stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Industrie 4.0 für den Mittelstand: Welche Chancen bietet Industrie 4.0 dem Mittelstand? Sind Mittelständler auf die Anforderungen der vierten industriellen Revolution vorbereitet oder riskieren sie, den Anschluss an die Technologien und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren?

Was ist Industrie 4.0? –
Eine Begriffserklärung
und Prozessbeschreibung

Industrie 4.0 ist ein Oberbegriff für die Weiterentwicklung der Produktions- und Wertschöpfungssysteme durch die Verknüpfung der realen mit der digitalen Welt. Diese Verknüpfung entsteht durch sich selbst steuernde Cyber-physische-Systeme (CPS), die mit eingebetteten Systemen ausgestattet sind. Im Rahmen von Industrie 4.0 werden innerhalb eines Unternehmens die technischen Prozesse mit kaufmännischen Geschäftsprozessen über Unternehmensebenen hinweg unter Einbeziehung der Informations-, Kommunikations-, Steuerungs- und Managementsysteme miteinander verknüpft. Dies bezeichnet man als vertikale Integration. Zum anderen werden die Prozesse und Ressourcen entlang der Wertschöpfungskette miteinander vernetzt. Diese Vernetzung beschränkt sich nicht auf einzelne Maschinen oder Bereiche innerhalb eines Unternehmens, sondern überwindet Unternehmensgrenzen. Die maschinelle Kommunikation findet horizontal zwischen Kunden und Lieferanten und weiterhin innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette auf allen Unternehmensebenen und -funktionen statt. Dies bezeichnet man als horizontale Integration. Industrie 4.0 basiert auf der digitalen Vernetzung über Unternehmensbereiche hinweg und entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Lieferanten über die Produzenten bis hin zum Kunden.

Industrie 4.0 –
Technologiefelder

Für die Anwendung von Industrie 4.0 können im Wesentlichen sechs Technologiefelder identifiziert werden: Kommunikation, Sensorik, eingebettete Systeme, Aktorik, Mensch-Maschine-Schnittstelle und Softwaresystematik. Ein Technologiefeld beschreibt eine Gruppierung von Technologien, die zur Realisierung eines CPS als technische Grundlage der Industrie 4.0 notwendig ist. In der Praxis erfordert Industrie 4.0 meist das Zusammenspiel von zwei oder mehreren Technologiefeldern, z.B. die „Vernetzte Sensorik“. Das bedeutet, dass eine Sensor-Technologie mit dem Technologiefeld „Kommunikation“ kombiniert genutzt werden kann oder sogar muss. Schaut man sich die Reifegrade einzelner Technologien an, wird deutlich, dass sich ein Großteil der für Industrie 4.0 notwendigen Technologien noch in der Grundlagen- oder Evaluierungsphase befindet. Das bedeutet, dass hier noch erhebliche F&E-Arbeiten von Wissenschaft und Wirtschaft zu leisten sind. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der Technologiefelder Aktorik und Sensorik. Diese Technologien werden im klassischen Maschinen- und Anlagenbau, einer starken Domäne der deutschen Wirtschaft, bereits teilweise eingesetzt. Hier gibt es für die Industrie 4.0 noch Entwicklungsbedarf bis zum Erreichen von vollständig implementierungsfähigen Technologien. Hierzu gehören auch die Technologiefelder Kommunikation und Softwaresystemtechnik. Die Datenerfassung und Verarbeitung sowie deren Anwendungen
werden bereits vom Mittelstand genutzt.

Industrie 4.0 – Förder­möglichkeiten für KMUs

Industrie 4.0 wird durch die nationale Forschungsförderung mit Zuschüssen und zusätzlich mit Förderfinanzierungen auf breiter Front vorangetrieben. Das Gesamtvolumen der hierfür vom Bund und den Ländern für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung gestellten Förderzuschüsse beträgt mehr als 450 Millionen Euro. Hinsichtlich der Forschungsthemen und der Einsatzbereiche liegt der Schwerpunkt auf dem Umfeld der Produktion. Industrie 4.0 entwickelt sich rund um die Produktion in der gesamten Smart Factory. Perspektivisch werden auch die angrenzenden Wertschöpfungsprozesse in und außerhalb eines Unternehmens sowie Logistik, Instandhaltung, Produktentwicklung und Production Engineering einbezogen. Zur Ausschöpfung sämtlicher Nutzenpotenziale der Industrie 4.0 betrachten wir die gesamte, überbetriebliche Wertschöpfungskette. In den derzeitigen Förderprojekten werden Aufgabenstellungen zu neuen Wertschöpfungsmustern, Geschäftsmodellen und -prozessen noch zu selten bearbeitet. Förderausschreibungen behandeln diese Fragen nur am Rande. Förderziele zukünftiger Ausschreibungen müssen den Nutzen für die gesamte Wertschöpfungskette deshalb verstärkt aufgreifen. Logistik und ein ganzheitliches Supply Chain Management eignen sich als verbindendes und interdisziplinäres Element hervorragend. Die Ergebnisse der bisherigen Forschungsförderung drücken sich in zahlreichen Einzellösungen aus. Der Transfer der Forschungsergebnisse und der in naher Zukunft vorliegenden Prototypen in die Praxis ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die Industrie 4.0. Dies gilt insbesondere für Forschungsergebnisse, die auf horizontale Integration zielen, sei es durch neue Geschäftsmodelle, überbetriebliche Kooperationen, Kommunikation,
z. B. in Logistik und Supply Chain Management und der dafür notwendigen Infrastrukturen. In nahezu jedem der Förderprojekte sind Aufwände für Software- und Softwaresystementwicklung enthalten. Der hohe Gesamtanteil an F&E-Aufwendungen ist dadurch zu erklären, dass Software zwingend notwendig ist, um Lösungen der Industrie 4.0 zu realisieren. Allerdings werden heute noch viele F&E-Mittel für die Implementierung von Software aufgebracht. Zukünftig sollten interoperable, offene, nachhaltig nutzbare und sichere Software-Plattformen gefördert und die Wiederverwendbarkeit verbessert werden. Die Forschung zu Industrie 4.0 erfolgt technologisch in der notwendigen Breite. Mittelständler können als Technologieentwickler, Integrationsdienstleister oder als Nutzer aber nur an Forschungsprogrammen partizipieren, wenn zeitnahe Marktchancen damit verbunden sind und Investitionsrisiken minimiert werden. Die Industrie-4.0-Förderprogramme wenden sich insbesondere an KMUs. Häufig ist der Zugang zu den Programmen für Großunternehmen oder Forschungseinrichtungen leichter als für den Mittelstand, da die Antragstellung Ressourcen erfordert und administratives Detailwissen voraussetzt. Hier können Spezialisten wie Deilmann Business Consulting helfen. Aber auch die Bildung von Konsortien kann dazu beitragen, den Aufwand für KMUs zu reduzieren. KMUs benötigen neben der reinen Förderberatung fachliche Unterstützung bei der Konzeption, Anbahnung, Beantragung und teilweise bei der Durchführung von Förderprojekten. Gefördert werden Investitionen in Produktion, Logistik, Lager, Intralogistik, Versand, Transport, Planung & Steuerung, Produktentwicklung- und Nutzung, F&E, Anlagen- und Verfahrensentwicklung, Fabrikplanung, Supply Chain Management, Produktionsengineering, Geschäftsmodell- und Strategieentwicklung, Auftragsabwicklung und After Sales Services. Diese Themen zeigen eindeutig die Fördervielfalt auf. Deshalb ist es für jeden Mittelständler wesentlich, sich dieses Themas anzunehmen.

Funktionsbereiche und
der Weg zur Industrie 4.0

Fünf Funktionsbereiche können aus den Schwerpunkten der Forschungs- und Förderprojekte extrahiert werden. Funktionsbereiche fassen die Einsatzbereiche im Unternehmen in den einzelnen Industrie-4.0-Anwendungen zusammen. Die Gruppierung erfolgt nach Grundfunktionen und Nutzungsaspekten. Sie haben über die Unternehmensbereiche Produktion, Logistik und Instandhaltung hinaus Gültigkeit. Die Funktionsbereiche der Industrie 4.0 orientieren sich am Nutzen und der Unterstützung für den späteren Anwender der Industrie-4.0-Lösungen in der
Praxis. Diese sind:

  • Datenerfassung und Datenverarbeitung

  • Assistenzsysteme

  • Vernetzung und Integration

  • Dezentralisierung und Serviceorientierung

  • Selbstorganisation und Autonomie

Die Einführung von Industrie 4.0 wird schrittweise erfolgen. Viele Unternehmen befinden sich in den Anfängen. Ein vollständig integriertes Industrie-4.0-Unternehmen befindet sich noch in weiter Ferne. Dies gilt für KMUs ebenso wie für Großunternehmen. Weitere Unterstützungen in der Umsetzung und Forschungsförderung sind zwingend erforderlich, damit insbesondere der Mittelstand diese bedeutsamen Potenziale ausschöpfen kann.

Handlungsempfehlungen

Es lässt sich erkennen, dass in der gesamten Gesellschaft, das heißt in der Politik, in der Wirtschaft einschließlich der Kammern, der Verbände und der Sozialpartner als auch in der Wissenschaft ein Bewusstseinswandel eingesetzt hat.

  • Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen und Anwendungshemmnisse abbauen.

 

  • Die Wirtschaft muss den Faktor Mensch, als wichtigstes Humankapital, aktiv in diesen Veränderungsprozess einbinden.


  • Die Wissenschaft muss die Grundlagenforschung in den einzelnen Funktionsbereichen der Industrie 4.0 aktiv vorantreiben und Kooperationen mit der Wirtschaft suchen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Industrie 4.0 für die mittelständische Wirtschaft wesentliche, unverzichtbare Chancen aufzeigt. Sie bietet insbesondere dem technologiegetriebenen Mittelstand Möglichkeiten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, wenn er diese Rolle aktiv einnimmt und die zahlreichen Fördermöglichkeiten umfassend nutzt.

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