Deutschland ist ein Land der Erfinder und innovativen Unternehmen. Jedes Jahr werden beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München rund 200.000 neue Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster (Designs) und Marken angemeldet. Im Jahr 2014 erreichten die Einnahmen des DPMA nach eigenen Angaben einen Rekordwert von 365,8 Millionen Euro. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 570.000 Patente und etwa 92.000 Gebrauchsmuster beim DPMA eingetragen, dazu kamen über 120.000 im Anmeldeprozess befindliche, also noch nicht eingetragene Patente. In einer Studie des europäischen Patentamtes und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt wird die internationale Bedeutung von Innovationen in der Wirtschaft deutlich. In Europa entfallen 40 Prozent der Wirtschaftsaktivitäten auf Branchen, für die das Urheberrecht eine hohe Bedeutung hat. Das entspricht über 70 Millionen Arbeitsplätzen oder einem Umsatz von fast fünf Billionen Euro.
Milliardengeschäft Produktpiraterie
Nicht alle eingetragenen Patente, Gebrauchsmuster oder Marken erlangen Weltruhm, aber viele von ihnen sind eine wichtige Geschäftsgrundlage gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Und gerade diese laufen – in Zeiten einfacher Zugänge über Internetverbindungen noch stärker als noch vor einigen Jahren – Gefahr, in ihren Innovationen ausgespäht und nachgemacht zu werden. Produktpiraterie und Plagiate waren immer schon ein Thema, haben aber in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Für diejenigen, die sich auf diese Seite von Recht und Gesetz begeben haben, ist es ein Milliardengeschäft – die anderen leiden darunter und verzeichnen teilweise große Umsatzeinbußen. Am bekanntesten sind da sicherlich Fälle aus der Bekleidungs- oder Elektroindustrie, insbesondere bei Smartphones. Auch die klassischen günstigen „Marken“-Uhren und -Taschen aus dem Südeuropaurlaub haben einen hohen Bekanntheitsgrad. Doch selbst komplizierte Maschinen werden mitunter kopiert und billiger in den Markt gebracht. Nicht auszumalen, was im Bereich der Automobil- oder Flugzeugindustrie passieren kann, wenn hier billig nachgemachte Teile zum Einsatz kommen. Im Ernstfall kann das sogar Leben kosten. Oder wie sich Plagiate bei Medikamenten und Medizinprodukten auswirken können. Wie hoch der Schaden durch Fälschungen und deren Verbreitung tatsächlich ist, lässt sich kaum beziffern. 2014 gaben die Maschinen- und Anlagenbauer in Deutschland an, dass durch professionell kopierte Produkte allein in ihrer Branche jedes Jahr rund acht Milliarden Euro Umsatz verloren gehen – was rund 30.000 Arbeitsplätzen entspräche. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag geht nach aktuellen Schätzungen davon aus, dass sich der jährliche Schaden für deutsche Unternehmen auf 50 Milliarden Euro beläuft – mit steigender Tendenz.
Zoll fängt gefälschte Waren ab
Fahndungserfolge wie die der Pekinger Polizei, die im Mai 2015 in einer als Wartungsgeschäft getarnten Produktfälscherfabrik 1.400 Smartphones sicherstellte, sind selten. Insgesamt hatte die Fabrik wohl über 40.000 falsche iPhones hergestellt. Aufgeflogen waren die Betreiber nach einem Tipp von US-Behörden. Etwas größer ist die Bedeutung des Zolls im Kampf gegen Produktpiraten. Da werden zwar seltener die Hintermänner, aber immerhin ein Großteil der gefälschten Waren aus dem Verkehr gezogen. Insbesondere an Flughäfen und bei Paketen verzeichnen die Zollbeamten Erfolge. Im Jahr 2014 meldete der Zoll mit aufgegriffenen gefälschten Produkten im Wert von 134 Millionen Euro einen Rekordwert, der im Jahr darauf nur minimal darunter blieb: 2015 waren es gefälschte Waren im Wert von 132 Millionen Euro. Über 75 Prozent der Waren stammten aus der Volksrepublik China und Hongkong. Am häufigsten geschmuggelt wurden Körperpflegeprodukte und Spielzeuge. Einer der Aufgabenschwerpunkte des Zolls im vergangenen Jahr war der Kampf gegen illegale und gefälschte Arzneimittel. Es gelang den Fahndern, die sichergestellte Menge an Tabletten mit 3,9 Millionen Stück gegenüber 2014 annähernd zu vervierfachen. Damit leistet der Zoll einen wichtigen Dienst für die innovativen produzierenden Unternehmen nicht nur in Deutschland.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Zoll und marken- sowie patentführenden Unternehmen ist neben der Eintragung in die Register der Europäischen Kommission ein Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013. In Deutschland wird dieser Antrag bei der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz in München gestellt. Der Antrag muss die Informationen enthalten, die die Zollbeamten vor Ort benötigen, um gefälschte Waren zu erkennen. Für die Antragstellung steht mit dem Zentralen Datenbanksystem zum Schutz von Geistigen Eigentumsrechten (ZGR-online) eine moderne und effiziente IT-Lösung zur Verfügung.
Produktpiraten auf Messen
Auch auf Messen spielt Produktpiraterie eine immer größere Rolle. Anbieter wie die Kölnmesse beispielsweise haben sich inzwischen darauf eingestellt und bemühen sich, schon im Vorfeld darauf zu achten, dass Produktpiraten auf den eigenen Ausstellungen keine Chance haben. „Wenn wir bei einer Messe-Anmeldung konkrete Hinweise auf eine vorliegende oder drohende Schutzrechtsverletzung erhalten, schreiben wir die Aussteller schon im Vorfeld einer Veranstaltung an und weisen sie auf die Teilnahmebedingungen und die sich ergebenden Konsequenzen hin“, heißt es auf den Internetseiten der Messe und in einer achtseitigen zweisprachigen Broschüre, die über das Thema aufklärt. Wiederholungstäter würden von den Messen ausgeschlossen. Auch für Aussteller und Besucher selbst gibt es die Möglichkeit, Verdachtsfälle direkt an die Kölnmesse zu melden – auf besonders gefährdeten Messen direkt am „No Copy! Pro Original“-Counter, der gemeinsam mit DPMA betrieben wird. Die Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf hatte erst Ende September 2016 zur Informationsveranstaltung zum Thema „Marken- und Produktpiraterie auf Messen verhindern“ eingeladen. Im Mittelpunkt standen dabei die Darstellung von Schutzstrategien und Schutzmaßnahmen sowie das Vorgehen im Verletzungsfall, insbesondere bei Messen.
Prävention
Produktpiraterie wird wohl niemals vollständig ausgeschlossen werden können, aber Unternehmen können sich präventiv gegen das Kopieren ihrer wertvollen Innovationen wehren. Eine der ersten Maßnahmen ist es, gewerbliche Schutzrechte anzumelden. Die offizielle Registrierung von Marken, Patenten, Gebrauchsmustern und Designs ist wesentliche Voraussetzung, um zivil- und strafrechtlich gegen Fälscher vorzugehen. Die Begleitung durch eine Patentanwaltskanzlei hilft hier schon bei der Anmeldung, Fehler zu vermeiden und Unklarheiten vor der Anmeldung bereits weitgehend auszuräumen. Zudem lassen sich über die Kanzleien Überwachungsverfahren einrichten, die einen weiteren Schutz bieten. Nach der Eintragung der Schutzrechte besteht dann auch die Möglichkeit, die Grenzbeschlagnahme beim Zoll (siehe oben) zu beantragen. Noch wichtiger ist die Absicherung der (digitalen) Zugänge zum Unternehmen. Während Türen ins Gebäude häufig gut gesichert sind, hat die IT-Landschaft gerade in mittelständischen Unternehmen oftmals Lücken, die es mithilfe spezialisierter IT-Unternehmen zu schließen gilt. Die Produkte selbst sollten nach Möglichkeit fälschungssicher gestaltet werden, damit Plagiate einfach zu erkennen sind. Die Märkte kennen hier mittlerweile viele verschiedene Optionen wie z.B. Codierungen, Sicherheitsfäden, Etiketten, Verschlüsse oder Hologramme (bei CD’s oder DVD’s) und einiges mehr. Weitere präventive Maßnahmen sind der Service für die Verbraucher, das Absichern der Lieferketten (um das Einschleusen von Fälschungen zu vermeiden oder zu verhindern, dass Originalware in den Graumarkt gelangt) und die eigene Überwachung des Internets. Dabei sollten die für das Unternehmen und das Produkt einschlägigen Portale beobachtet werden und natürlich die allgemeinen Auktions- und Verkaufsseiten. Übrigens gilt das alles in besonderem Maße auch für Unternehmen der IT-Branche und in der Musikindustrie, die seit Jahren durch Raubkopierer von der Produktpiraterie betroffen sind. Stefan Mülders | redaktion@regiomanager.de
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