Regio Manager: Die Zahl der Zeitschriftentitel steigt, das E-Book stagniert im Publikumsmarkt bei gut 6% Marktanteil und die Werbewirtschaft setzt wieder auf gedruckte personalisierte Werbemailings. Die Menschen scheinen Gedrucktes zu mögen. ¬Papier ist wieder etwas Besonderes; ist die Papierform auch schon ein Ausweis von Qualität?
Mads Pankow: Man muss zwischen Textproduktion und Medium unterscheiden. Nur weil etwas in KI geschrieben wird, heißt es ja nicht, dass es nicht gedruckt werden kann und umgekehrt. Allerdings: Die Bereitschaft, KI-Texte zu drucken, ist wohl relativ gering, weil Druck nach wie vor teuer und aufwendig ist und eine überschaubare Reichweite hat. Nichtsdestoweniger können KI-Texte sehr interessant, sehr klug sein.
RM: Sind sie schon so gut wie vom Menschen produzierte Texte?
MP: Was einen hochwertigen journalistischen Text interessant macht, ist ja die Perspektive und Einordnung. Dies sind nicht die Stärken von KI, denn so funktionieren Sprachmodelle nicht. Die emulieren Sprache, also bilden Sprache nach. Sprachmodelle berechnen das nächste Wort nur nach der Wahrscheinlichkeit, mit der es anhand der vom KI-Sprachmodell gelernten Texte vorkommt. Das funktioniert überraschend gut, allerdings weiß die KI nicht, wovon sie schreibt, sie reproduziert nur Wahrscheinlichkeiten. Und ohne Verständnis, was Worte eigentlich bedeuten, bleibt die Reflexion, die hochwertigen Journalismus interessant macht, auf der Strecke.
RM: Auf mich wirken KI-Texte oft weichgespült, sie wollen niemandem auf die Füße treten.
MP: Dies liegt an der sogenannten Temperatur, die man bei generativer KI einstellen kann. Sie bestimmt, wie assoziationsfreudig so ein Modell ist, also wie verrückt es wird. Für einen etwas kreativeren Text kann man die Temperatur höher einstellen. Dann wählt die KI als nächstes Wort die zweitwahrscheinlichste statt der wahrscheinlichsten Variante. Fährt man die Temperatur immer weiter hoch, landet man irgendwann bei dadaistischen Gedichten und bei Bildgeneratoren bei abstrakten Formaten.
RM: Welche anderen Faktoren bestimmen, wie ein Text aussieht?
MP: Zunächst kommt das Prompting, die Instruierung: Sie können das Sprachmodell ein bisschen kitzeln und sagen: Lies mal 20 Texte von Ulf Poschardt. Und dann schreibt die KI auch so was, sowohl von der Tonalität her als auch von der Steilheit der Thesen als auch von der Entkoppelung von Fakten. Aber: Sprachmodelle wie ChatGPT oder Gemini sind durch „Alignment-Prozesse“ gegangen. Da versuchen Menschen, diese antrainierten rohen Modelle durch Nacharbeiten, durch Leitplanken, durch Anweisungen in die Schranken zu weisen. Das soll vermeiden, dass solch ein Modell Verschwörungstheorien aufsitzt und anfängt zu kolportieren, dass in Europa die große „Umvolkung“ stattfindet oder dass die Amerikaner nie auf dem Mond gelandet sind.
RM: Was bedeutet das für den Journalismus?
MP: Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz verändert sich das Berufsbild immer eine Stufe nach oben. Also man wird vom Journalisten zum Redakteur, man wird vom Designer zum Art Director. Man ist jetzt nicht mehr dafür zuständig, selber zu produzieren, sondern Aufträge möglichst klar zu formulieren, die generierten Texte zu korrigieren, anzugleichen und die KI zu coachen. Das alte Berufsmodell wird es bald vielleicht so nicht mehr geben, aber den Marktschreier von vor 300 Jahren gibt es ja auch nicht mehr, auch wenn das ein bisschen schade ist.
RM: Wie hoch ist das Interesse an der Qualität von Journalismus, also an Einordnung, Reflexion von Standpunkten von Meinungen, von Abwägen, von Fact-Checking?
MP: Das haben wir vielleicht überschätzt in den Zeiten, als Medien noch so strukturiert waren, dass die Lesenden nicht so viel mitreden durften. Wir dachten, die Leute wollen Qualitätsjournalismus und nüchterne Information. Jetzt können die von der anderen Seite mitreden und man stellt fest: Das will eigentlich kaum jemand, tatsächlich wollen die Leute viel Emotion. Ob das jetzt auch die Wahrheit ist, was da kolportiert wird, oder einfach der Sound gut ist oder einem ein gutes Gefühl gibt, ist auch egal. Sprachmodelle haben keine Wahrheitsbindung, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit. Wahrheit wird durch Wahrscheinlichkeit ersetzt. Da ist nicht immer eine Deckung mit den Fakten da. Damit kann man weit kommen, wie der US-Wahlkampf gezeigt hat.
RM: Welche Rolle spielt die Haptik von Papier?
MP: Haptik wird grundsätzlich, glaube ich, überschätzt. Es geht nicht notwendig darum, Papier in der Hand zu haben. Es geht darum, erst mal ein Objekt in der Hand zu haben, das man so mitnehmen kann und das in sich stimmig designt und produziert ist. Ich möchte kein digitales Gerät, das mich irgendwie ablenken könnte, sondern möchte nur dieses eine Produkt in der Hand haben in seiner Vielseitigkeit. Das geht besser mit Print.
RM: Welche Arten von Printprodukten werden bleiben?
MP: Im Werbebereich wird Print gefragt bleiben, weil Kataloge sich zum Beispiel in Sonderfarben drucken lassen. Ich glaube nicht an eine Renaissance der Print-Magazine. Aber Print wird immer besser seine spezifische Besonderheit herausfinden: das, was nur Print kann. Und darauf wird es sich beschränken. Weil Print teuer ist, ist man in der Selektion der Texte etwas bemühter. Print ist eher für zeitlose oder nicht unmittelbar zeitkritische Inhalte geeignet, würde ich behaupten. Da halten sich ja solche Publikationen auch. Gefragt bleiben auch ästhetisch hochwertige Formate, die ich mit an den Strand nehmen kann, die also ohne Strom und Host-Medium auskommen: zum Beispiel Urlaubsformate, Reportagemagazine, essayistische Formate mit eher geringer Auflage, Coffee-Table-Magazine an der Schnittstelle von Design, Kontemplation, leichter oder vielleicht auch schwererer intellektueller Unterhaltung, sprachlich interessante Texte.
RM: Also wird Print mit sehr beschränkten Aufgaben überleben?
MP: Es ist noch nie ein Medium untergegangen, nur weil ein neues kam. Auch die Malerei gibt es ja auch immer noch, obwohl es die Fotografie längst gibt. Interessant ist dann, was mit dem vorherigen Medium passiert. Die Malerei ist abstrakt geworden in dem Moment, als die Fotografie auftauchte. Es geht eigentlich eher um eine Befreiung des Mediums von Aufgaben, für die es zuvor eher ungeeignet war. So wie Print eigentlich ungeeignet war, möglichst tagesaktuell, umfassend oder individuell Nachrichten zur Verfügung zu stellen. Da waren Rundfunk und dann später Online deutlich schneller, besser. Oder das Kino: Wir schauen dort auch nicht mehr die Wochenschau und auch nicht mehr jeden Film. Und die Karte kostet auch nicht mehr 1,50 Mark, sondern man geht dann nur für bildgewaltige opulente Filme, vielleicht auch die vom Sounddesign attraktiv sind.
Claas Möller | redaktion@regio-manager.de
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