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Kompetenzzentrum Digital: „Digitalisierung und Vernetzung geht alle was an!“

Warum Industrie 4.0 ein zukunftsweisendes Thema für den Mittelstand ist, erläutern Diplom-Logistikerin Maria Beck und Diplom-Wirtschaftsingenieur Arno Kühn vom Kompetenzzentrum Digital in NRW.

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von Regiomanager 01.03.2017
Digitale Montageanleitung – eine typische Anwendung im Mittelstand (Foto: Digital in NRW) | André Sarin

Industrie 4.0 ist für die einen eine Revolution, für die anderen eine Evolution und für Dritte gar ein Buch mit sieben Siegeln.

NRM: Frau Beck, was verstehen Sie im Kompetenzzentrum Digital in NRW unter dem Jahrhundertthema Industrie 4.0, das Ingenieure entzückt, Manager verzweifeln lässt und Messehallen zum Brodeln bringt?

Maria Beck: Wir holen mit den Angeboten von Digital in NRW das geflügelte Wort Industrie 4.0 auf den Boden der unternehmerischen Praxis zurück. Begriffe, Technologien und Konzepte werden verständlich und immer mit Praxisbezug vermittelt. Unsere Aufgabe im Kompetenzzentrum ist es vor allem, kleine und mittlere Unternehmen auf ihrem Weg in Richtung einer zukunftsfähigen Produktion und Wertschöpfung zu unterstützen. Nach der Definition beschreibt Industrie 4.0 die echtzeitfähige, intelligente, horizontale und vertikale Vernetzung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen.

NRM: Das klingt nach umwälzenden Veränderungen. Schaffen besonders kleine Unternehmen das?

Maria Beck: Das ist für viele KMU natürlich erst mal ein dickes Brett. Doch wir möchten sie mit unseren kostenfreien Serviceangeboten unterstützen, Schritt für Schritt in diese Richtung zu gehen. Wir haben uns im Kompetenzzentrum bewusst dafür entschieden, den Aspekt der Digitalisierung neben dem Thema 4.0 zu kommunizieren, denn bei vielen Unternehmen müssen wir erst mal noch Basisarbeit leisten, z.B. von papierbasierten Prozessen hin zu einer digitalen Datenerfassung und -auswertung, damit eine solche Vernetzung im Sinne einer Industrie 4.0 überhaupt ermöglicht wird.

NRM: Herr Kühn, ist Industrie 4.0 nicht eher ein Thema für die Global Player? Oder birgt das Thema auch genug Potenzial für KMUs?
Arno Kühn: Digitalisierung und Vernetzung geht alle was an! Es ergeben sich Potenziale, egal auf welchem Level sich die Produkte und Prozesse befinden. Diese Potenziale müssen schrittweise und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt erschlossen werden. Unser Beispielprojekt Digitalisierung im Schaltschrankbau mit einem typischen KMU, der Schaltanlagen GmbH H. Westermann aus Minden, macht dies deutlich: Der einfache Ersatz der papierbasierten durch eine digitale Montageanleitung bringt relevante Informationen in Echtzeit an den Arbeitsplatz. Änderungen im Schaltplan werden direkt kommuniziert. Für Mitarbeiter ist dies eine deutliche Arbeitserleichterung, Kunden profitieren von zuverlässigen Lieferzeiten und Produkten. Dies ist nur eine von vielen Maßnahmen, die unser Partnerunternehmen in eine übergeordnete systematische Digitalisierungsstrategie einfließen lässt. Erfolgt dies nicht, besteht das Risiko, den Anschluss zu verpassen. Es gilt: Wenn ich es nicht tue, dann macht es mein Wettbewerber. Sowohl Global Player als auch KMU müssen also ihre Hausaufgaben im Kontext Digitalisierung machen. Nur so kann auch zukünftig wettbewerbsfähig am Standort Deutschland produziert werden.

NRM: Frau Beck, wie unterstützt Digital in NRW das Thema Industrie 4.0 für den Mittelstand? Welche Kompetenzen liegen bei Ihnen und wie setzen Sie diese ein?

Maria Beck: Das Kompetenzzentrum ermöglicht Unternehmen, auf jeder Stufe der Industrie 4.0 einzusteigen. Es bietet Informationsveranstaltungen, eröffnet den Zugang zu Demo-Zentren in Forschung und Industrie und macht Weiterbildungsangebote für die Industrie 4.0. Darüber hinaus unterstützt es Unternehmen beim Erstellen ihrer eigenen Industrie 4.0-Strategie und begleitet sie in konkreten Projekten. Das Kompetenzzentrum Digital in NRW bündelt die Expertise aus drei starken Wirtschafts- und Forschungsstandorten in NRW und stellt sie durch seine regionalen Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung: Im Rheinland arbeiten das Werkzeugmaschinenlabor WZL und das Forschungsinstitut für Rationalisierung FIR der RWTH Aachen an intelligenter Produktionstechnik. In der Metropole Ruhr sind das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML und der EffizienzCluster LogistikRuhr Experten für intelligente Logistik und Wertschöpfungsnetzwerke. In Ostwestfalen-Lippe bieten Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Spitzenclusters it’s OWL Unterstützung in den Bereichen intelligente Automatisierung und intelligente Produkte sowie Produktionssysteme. Die Stärke von Digital in NRW ist seine regionale Nähe zu Unternehmen und gleichzeitig die ausgeprägte Industrie 4.0-Fachexpertise. So bieten unsere Unterstützungsformate einen konkreten Mehrwert.

NRM: Herr Kühn, Sie beschreiben 27 Servicebausteine des Kompetenzzentrums. Können Sie das näher ausführen? Welcher rote Faden ergibt sich dabei?

Arno Kühn: Wichtig ist zunächst, dass Unternehmen unterschiedliche Absprunghöhen haben. Während für den einen erst mal zu klären ist, was sich hinter dem Schlagwort Industrie 4.0 verbirgt, will der andere bereits konkrete Lösungen für sein Unternehmen identifizieren und direkt umsetzen. Auf diese unterschiedlichen Ausgangssituationen haben wir unsere Services ausgerichtet und entlang von fünf Schritten gegliedert: Informieren – Demonstrieren – Qualifizieren – Konzipieren – Umsetzen. So ist sichergestellt, dass für jedes KMU die passenden Angebote dabei sind. Mit Erfolg: Allein im ersten Jahr haben rund 1.500 Unternehmensvertreter unsere Unterstützungsleistungen wahrgenommen. Es fanden u.a. 55 Unternehmensbesuche unserer Experten bei KMU vor Ort sowie rund 70 Lab-Touren und Praxisworkshops in den Demonstrationseinrichtungen der Forschungspartner statt, und mittlerweile sind 15 Transfer- und Umsetzungsprojekte gestartet. Erfolgsfaktor ist, dass wir kleine und mittlere Unternehmen auf jeder Stufe der Industrie 4.0 abholen – jeder kann mitmachen!

NRM: Frau Beck, was empfehlen Sie Unternehmen, die das erste Mal mit Digital in NRW zusammenarbeiten? Womit startet man idealerweise?

Maria Beck: Ein Standardrezept für alle und den EINEN Weg gibt es nicht. In einer Unternehmenssprechstunde oder bei Unternehmensbesuchen lernen wir das Unternehmen besser kennen und besprechen mit den Verantwortlichen deren aktuelle Herausforderungen. Auf Basis dieser Gespräche werden nächste Schritte festgelegt – sei es den Besuch einer relevanten Fachveranstaltung oder die Teilnahme an einer Lab-Tour oder einem Praxis-Workshop, bei dem man selber ein cyberphysisches System zusammenbaut und mehr über die technischen und kommunikativen Zusammenhänge erfährt. Viele Unternehmen möchten eine bessere Einschätzung über den eigenen digitalen Reifegrad erlangen. Hierfür haben wir einen Selbstcheck entwickelt, bei dem in bis zu zehn Fragen pro Bereich der aktuelle Stand der Entwicklung in den Unternehmen gemessen wird. In einer anschließenden Ergebnisauswertung wird den Unternehmen die aktuelle Situation mit Handlungsmaßnahmen aufgezeigt und ein Vergleich zu anderen Unternehmen dargestellt. Wurden konkrete Anknüpfungspunkte identifiziert, können sich Unternehmen auch auf ein Transferprojekt bewerben. Unser Team begleitet das Unternehmen bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen. Ziel ist es, innerhalb von kurzer Zeit nutzbringende konkrete Ergebnisse zu erlangen.

NRM: Frau Beck, Herr Kühn, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

André Sarin | redaktion@niederrhein-manager.de

André Sarin
| redaktion@regiomanager.de

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