Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig. Kaum eine Nachrichtensendung oder Magazinausgabe verzichtet auf Berichte zu diesem Thema. Doch was US-Milliardäre als KI-Vision entwerfen, ist das eine – für Sie als NRW-Unternehmer ist entscheidend, was hier in Nordrhein-Westfalen passiert. Kann es den Unternehmen gelingen, die neuen technologischen Möglichkeiten in praxisnahe, wirtschaftlich relevante Anwendungen umzusetzen?
Um diese Frage zu beantworten, hat der REGIO MANAGER gemeinsam mit den KI-Experten heikoziegeler.de (Erkrath), lise GmbH (Köln) und dem Startplatz AI Hub (Köln) eine umfassende Studie durchgeführt.
Die Umfrage richtete sich gezielt an Geschäftsführer und Entscheider aus Nordrhein-Westfalen, um den Stand der KI-Transformation im Mittelstand zu erfassen. Dass 651 Unternehmer aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmensgrößen teilgenommen haben, zeigt: Die Wirtschaft in NRW erkennt die Tragweite des Themas und ist bereit, sich aktiv damit auseinanderzusetzen.
TIPP:
Die komplette Studie mit zahlreichen Details und 18 weiteren Grafiken finden Sie unter: www.regiomanager.de/ki-studie.
Vorreiter made in NRW
Die befragten Unternehmer sind Vorreiter in der KI-Nutzung. Über 80 % der Unternehmen setzen bereits auf Künstliche Intelligenz – wenn auch in unterschiedlicher Intensität: 41,0 % nutzen KI stark oder sehr stark, weitere 39,8 % immerhin weniger stark.
Der KI-Enthusiasmus hängt jedoch stark von der Unternehmensgröße ab: Während noch jedes vierte Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern angibt, keine KI einzusetzen, ist es bei größeren Unternehmen ab 50 Mitarbeitern nur jedes dreizehnte.
Der Blick in die Zukunft zeigt eine klare Tendenz: Über 80 % der befragten NRW-Unternehmen erwarten, dass KI in den kommenden fünf Jahren eine starke oder sehr starke Bedeutung für ihr Geschäft haben wird. Nur 3,9 % glauben nicht an eine Veränderung durch KI.
Auch in Bezug auf die eigene Branche zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Die Unternehmen sind sich bewusst, dass KI die Art und Weise, wie ihre Branche funktioniert, grundlegend verändern wird.
Doch trotz dieser hohen Erwartungen bleibt eine Diskrepanz: Die optimistischen Prognosen passen nicht zu den bisher erzielten Fortschritten.
Es gibt noch viel zu tun!
Ziele für den KI-Einsatz
Für 60,7 % der Befragten steht die Kostensenkung als Ziel des KI-Einsatzes an erster Stelle. Doch auch ein verbesserter Kundenservice (50,2 %) und höhere Qualitätsstandards (46,5 %) sind fast genauso wichtig. Neue Geschäftsmodelle (24,4 %) oder zusätzliches Wachstum (34,5 %) spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. Dies deutet darauf hin, dass der Mittelstand KI vor allem als Werkzeug zur Optimierung bestehender Prozesse betrachtet – und weniger als disruptive Innovation, die neue Geschäftsmodelle hervorbringt.
Besonders bemerkenswert: Fast alle Unternehmen haben eine klare Vorstellung davon, was sie mit KI erreichen wollen – nur 7,3 % sind sich darüber noch unsicher. Das zeigt, dass KI längst nicht mehr als abstrakte Zukunftstechnologie wahrgenommen wird, sondern als konkretes Werkzeug mit greifbaren Vorteilen. „Repetitive Arbeit wird entfallen und damit Kostenvorteile gehoben. Das wird aber nicht reichen, um in der KI-Welt zu überleben. Wer langfristig Erfolg haben will, muss über neue Geschäftsmodelle nachdenken“, so Daniel Schwarz, Geschäftsführer der lise GmbH aus Köln.
Wofür wird KI bislang genutzt?
Die befragten Unternehmen setzen Künstliche Intelligenz in einer Vielzahl von Anwendungsfällen ein. Besonders verbreitet sind unternehmens- und branchenübergreifende Einsatzbereiche wie Marketing (60,6 %), Kundenservice (38,8 %) und Sales (26,8 %). Spezialisierte Lösungen sind hingegen seltener – vermutlich, weil sie ein deutlich höheres Investment und spezialisiertes Know-how erfordern als gängige Standardlösungen.
„Die geringe Verbreitung von KI-Lösungen in den Bereichen Supply Chain, Produktion und Einkauf bestätigt mein Erleben in der Praxis. Nach einer ersten Analyse sind viele Unternehmen überrascht, welches Kosten-Nutzen-Potenzial hier für sie schlummert. Die finanziellen Auswirkungen beispielsweise einer optimalen Produktionsplanung und Disposition sind immens.“, sagt KI- und Supply-Chain-Berater Heiko Ziegeler, der seit 20 Jahren internationale Unternehmen bei der Optimierung der Supply Chain berät.
ChatGPT dominiert klar
Cloud-basierte KI-Lösungen (69,2 %) sowie Standard-Software mit integrierten KI-Funktionen (55,7 %) dominieren den Markt. Dies zeigt, dass Unternehmen vor allem auf leicht zugängliche und schnell einsetzbare KI-Dienste setzen – anstatt auf komplexere Eigenentwicklungen oder angepasste Open-Source-Lösungen (25,9 %) sowie selbst gehostete On-Premise-Lösungen (8,0 %). Die Umfrage macht deutlich: Generative KI (z. B. ChatGPT) ist mit 78,2 % die am häufigsten genutzte Technologie. Ebenfalls vergleichsweise stark vertreten sind KI-gestützte Business Intelligence (21,7 %) sowie Chatbots und virtuelle Assistenten (20,9 %). Sieben weitere Technologien spielen hingegen eine deutlich geringere Rolle. Beim bevorzugten GPT-Modell zeigt sich – wenig überraschend –, dass ChatGPT den Markt klar dominiert: 81,6 % der Befragten nutzen es am häufigsten. Doch mit steigendem Budget wächst auch die Vielfalt. Während kleinere Unternehmen vor allem auf ChatGPT setzen, gewinnen Alternativen wie Claude, Gemini und LLaMA mit steigendem Budget zunehmend an Bedeutung.
„Hier sieht man die starke Abhängigkeit von einzelnen Anbietern. Wir müssen dringend technologische Souveränität bei diesem strategischen Thema zurückgewinnen. Sonst findet die KI-Wertschöpfung nicht in unserem Land statt“, sagt Schwarz.
Investitionen in KI
In den kommenden 12 Monaten plant die Mehrheit der Unternehmen nur geringe oder gar keine Investitionen in KI-Technologien. 44,3 % wollen maximal 10.000 Euro investieren, während ein Drittel (33,4 %) gar kein Budget für KI vorsieht. Oder anders ausgedrückt: Nur jedes vierte Unternehmen ist bereit, ernsthaft in KI zu investieren.
Das zeigt: Viele Unternehmen reden über KI, doch nur wenige werden wirklich aktiv. „Wer nicht investiert, muss damit leben, dass Firmengeheimnisse in die großen, externen Plattformen kopiert werden“, warnt Daniel Schwarz.
Die paradoxe Situation: Fast alle Unternehmen erkennen die tiefgreifenden Veränderungen durch KI für ihre Branche und ihr eigenes Geschäft – dennoch fehlt die Bereitschaft, entsprechend zu investieren.
Je größer das Unternehmen, desto höher die Investitionen in Künstliche Intelligenz. Während kleine Unternehmen mit bis zu 24 Mitarbeitern zögerlich bleiben und kaum mehr als 10.000 Euro für KI ausgeben, öffnet sich mit zunehmender Unternehmensgröße die Budgetschere deutlich. „Viele Unternehmen scheinen in Bezug auf KI eine abwartende Haltung zu haben. Das kann sich als fatal erweisen, denn sobald das Thema richtig Fahrt aufnimmt, fehlen einem die Daten-, Prozess-, und Know-How-Grundlagen, um durchzustarten“, warnt, KI- und Supply-Chain-Berater Heiko Ziegeler.Auf den ersten Blick ist die thematische Spezialisierung des KI-Beraters nur bedingt wichtig. 55,8 % der Befragten finden diese sehr wichtig oder eher wichtig; 44,2 % finden sie weniger bis überhaupt nicht wichtig.
Doch eine detaillierte Analyse nach Investitionshöhe offenbart ein klares Muster: Bei niedrigen Budgets spielt die Spezialisierung des Beraters kaum eine Rolle. Mit steigendem Budget und damit einhergehend auch steigender Komplexität der Aufgabe hingegen steigt auch die Bedeutung der Spezialisierung. „Die aktuellen Anforderungen und Budgetverteilungen zeigen, dass die Unternehmen sich aktuell primär auf die Umsetzung einfacher Anwendungsfälle konzentrieren. Wenn Sie jedoch das volle Potenzial der KI nutzen möchten, gilt es, aufbauend auf einer fachkundigen Analyse, KI-Anwendungen zu bauen, die auf Ihre Branche und Ihr Unternehmen maßgeschneidert sind“, sagt Heiko Ziegeler.
Die Untersuchung macht deutlich: Unternehmen unterschiedlicher Größe stehen teils vor ähnlichen, teils vor spezifischen Herausforderungen bei der Einführung von KI-Technologien. Auffällig ist, dass fehlendes internes Know-how der größte Hemmschuh für alle Unternehmensgrößen ist – wobei größere Unternehmen mit 54,7 % sogar noch stärker betroffen sind als kleinere (45,9 %). „Viele ‚Berater‘ machen sich das mangelnde Know-how der Unternehmer zunutzeund verkaufen PowerPoint-Präsentationen. Das ist ein Strohfeuer“, sagt lise-Geschäftsführer Daniel Schwarz. „Tatsächlich geht es um Datenqualität und Change-Management. Mein Appell: Bringt Eure Daten auf Vordermann und schon ist ‚Data the new soil‘, auf dem die KI-Projekte nur so sprießen. Ich sage: Befähigt euer Team und es wird eigene Ideen entwickeln, auf die die externen Berater nicht gekommen wären.“
Überfordert durch KI?
Wie die Umfrage zeigt, fühlt sich die Hälfte der Unternehmen durch die Komplexität des Themas KI zumindest teilweise überfordert. Interessanterweise ist dieses Gefühl bei Unternehmen, die hohe Summen in KI investieren, fast genauso stark ausgeprägt wie bei jenen, die wenig oder gar nicht investieren. Diese Erkenntnis sollte insbesondere zurückhaltende Unternehmen ermutigen: Selbst diejenigen, die bereits stark in KI investieren, stehen vor ähnlichen Herausforderungen.
Gezielte Bildungsangebote könnten Unternehmen dabei helfen, schneller handlungsfähig zu werden – vorausgesetzt, sie sind praxisnah, bezahlbar und effizient umsetzbar. „KI kann nur dann erfolgreich im Unternehmen ankommen, wenn alle an Bord sind. Wissen und Weiterbildung sind der Schlüssel, um Unsicherheiten abzubauen und KI sinnvoll zu nutzen“, sagt Dr. Lorenz Gräf, Geschäftsführer des STARTPLATZ AI Hub. Die beliebtesten Weiterbildungsformate sind kostenlose Masterclasses (47,6 %) und mehrtägige Weiterbildungen (46,4 %). Diese sind besonders gefragt, da sie einen schnellen und praxisnahen Wissenstransfer ermöglichen – ohne hohe Kosten zu verursachen.Auch externe Beratung (44,8 %) wird stark nachgefragt. Online-Kurse sowie mehrwöchige oder gar mehrmonatige Weiterbildungen stoßen hingegen auf deutlich geringeres Interesse.
Fit für den AI Act?
Seit dem 2. Februar 2025 gilt die erste Stufe des europäischen AI Act – der umfassenden Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Europäischen Union. „Der AI Act verpflichtet Unternehmen, den sicheren und verantwortungsvollen Einsatz von KI nachzuweisen. Bereits in einem eintägigen Workshop können Sie diese Vorgaben erfüllen und lernen, KI direkt gewinnbringend einzusetzen“, erklärt Dr. Lorenz Gräf.
Unsere Umfrage zeigt, dass sich über 80 % der Unternehmen bislang nicht oder nur unzureichend mit der Verpflichtung zur Schulung ihrer Mitarbeiter im Bereich KI befasst haben. Bei einer detaillierteren Betrachtung zeigt sich: 17,2 % der Unternehmen verfügen über einen KI-Kompass (Do’s & Don’ts der KI-Nutzung); 13,5 % haben einen KI-Beauftragten ernannt; 5,2 % können einen Nachweis über KI-Kompetenz vorlegen; 11,2 % haben eine Betriebsvereinbarung zum KI-Einsatz abgeschlossen; 18,6 % besitzen hinreichende Kenntnisse über die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen rund um KI.
Diese Zahlen zeigen: Trotz der regulatorischen Vorgaben gibt es noch erheblichen Nachholbedarf bei der Umsetzung des AI Act.
Durch frühzeitige Maßnahmen können Unternehmen nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz stärken. „Kein Wunder, dass viele Unternehmen noch nicht alle KI-Vorgaben erfüllen – der Alltag lässt oft wenig Raum für Neues. Doch der AI Act macht klar: KI-Strukturen gehören zur Zukunft. Wer jetzt erste Schritte geht, kann nicht nur Vorgaben erfüllen, sondern KI auch gezielt für sich nutzen“, sagt Startplatz-Geschäftsführer Dr. Lorenz Gräf.
Wünsche der Unternehmer
Die Umfrage zeigt, dass Unternehmen klare Anforderungen an die Politik und Branchenverbände haben, um den Einsatz von KI-Technologien zu fördern. Rechtliche Klarheit zum Datenschutz (77,8 %) ist mit Abstand der meistgenannte Wunsch der Unternehmen. Gefordert wird mehr Transparenz in Bezug auf Datenschutzvorgaben wie DSGVO, den EU AI Act oder internationale Richtlinien wie die OECD AI Principles.
Diese Unsicherheit spiegelt sich auch in den offenen Antworten wider, in denen Bürokratie und Überregulierung häufig kritisiert werden. „Mit unserer Bürokratie stehen wir uns oft selbst im Weg“, sagt KI- und Supply-Chain-Berater Heiko Ziegeler. „Natürlich sind gewisse Regeln richtig und wichtig. Doch wenn Bürokratie und Unsicherheit dazu führen, dass wir in Deutschland und der EU nicht ins Handeln kommen und vom Rest der Welt in Sachen KI abgehängt werden, ist niemandem geholfen. Hier muss dringend nachjustiert werden.“
Mehr als 60 % der Unternehmen sehen Weiterbildungsmaßnahmen als entscheidend an – ein klares Zeichen für den großen Bedarf, Mitarbeitende auf KI-Technologien vorzubereiten. 58,0 % der Befragten wünschen sich finanzielle Unterstützung für die Einführung von KI. 42,2 % der Unternehmen plädieren für mehr Plattformen zum Austausch von Best Practices.
Fazit
Wie die Umfrage zeigt, ist den Unternehmen durchaus bewusst, dass KI ihre Branche sehr stark beeinflussen wird und auch ihr eigenes Unternehmen sich darauf einstellen muss. Schon heute setzen rund 80% der befragten Unternehmen KI ein – wenn auch vielfach nur in begrenztem Umfang. Es ist klar zu sehen, dass die Erfahrung mit KI einem klaren Muster folgt: Je größer das Unternehmen, desto mehr Erfahrungen wurden bereits gesammelt. Gleiches gilt für die geplanten Investitionen: Je größer das Unternehmen, desto höher die geplante Investition. Es besteht die Gefahr, dass die Kleinen von den Großen abgehängt werden. An dieser Stelle ist es fast schon beängstigend, dass nicht Weiterbildung und finanzielle Förderung auf Rang 1 der Wunschliste an die Politik stehen, sondern die Forderung nach klareren rechtlichen Rahmenbedingungen.
Politik und Wirtschaftsverbände sind jetzt gefordert, unnötige Hürden abzubauen und Unterstützung auszuweiten, um KI als Zukunftstechnologie im NRW-Mittelstand zu etablieren. Die Bereitschaft seitens der Unternehmer, NRW zum KI-Hotspot in Europa zu machen, wie Landesvater Hendrik Wüst (CDU) dies kürzlich forderte, ist vorhanden.
TIPP:
Die komplette Studie mit zahlreichen Details und 18 weiteren Grafiken finden Sie unter: www.regiomanager.de/ki-studie.
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