In Zeiten von Agilität, flachen Hierarchien und New Work kann durchaus der Eindruck entstehen, dass die Rolle der Führungskraft zunehmend an Bedeutung verliert. Dass der gute alte Chef wohl dennoch nicht zum Auslaufmodell werden wird, liegt nicht nur an Unternehmen, die am alten hierarchischen Modell festhalten. Auch die neuen Formen der Betriebsorganisation zeigen, dass es völlig ohne Führung nicht geht. Dabei werden Chefs auch zukünftig nicht bloß „Bestimmer“ sein, die Kraft ihrer Position im Firmenorganigramm sagen, wo es langgeht. Gute Führungskräfte zeichnet schon immer ein besonderes Repertoire an Eigenschaften und Verhaltensweisen aus, das ihn oder sie von Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung unterscheidet.
Fachwissen ist fundamental
Fachkompetenz ist in der Regel die Basis-Voraussetzung für eine Führungsposition. Kaum jemand lässt sich gerne Anweisungen von Chefs oder Chefinnen geben, die weniger vom Fach verstehen als man selbst. Um eine Chefposition sinnvoll und anerkannt ausfüllen zu können, muss man also zumindest gute – besser noch: überdurchschnittliche – Fachkenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Je nach Branche und Aufgabenbereich gehören dazu selbstverständlich auch technische und handwerkliche Geschicklichkeit. Eine gute Portion Erfahrung schadet auch nicht, was aber nicht grundsätzlich gegen junge Führungskräfte spricht. Darüber hinaus ist eine produktive und ergebnisorientierte Arbeitsweise eine gute Basis, um als Vorbild und „Vor-Arbeiter“ akzeptiert zu werden. Und last, but not least schadet eine hohe Intelligenz – und zwar intellektuell wie emotional – keinesfalls für eine Führungsposition.
Angenehme Persönlichkeit
Fachlich perfekt und fleißig bis zum Umfallen, aber leider ein menschenscheuer Eigenbrötler? Ein solcher Nerd mag zu den Leistungsträgern seines Unternehmens zählen. Man lässt ihn oder sie aber lieber im stillen Kämmerlein arbeiten, als dieser Person Führungsverantwortung zu übertragen. Ein gewisses Maß an Offenheit und Verträglichkeit ist für Teamplayer sowieso Voraussetzung – und in der Teamleitung absolut unverzichtbar. Weil dort, wo Menschen zusammenarbeiten, Fehler passieren und Konflikte unvermeidlich sind, benötigen gute Chefs dazu ein gehöriges Maß an Geduld und Resilienz. Wenn es dann doch mal schlimmer kommt als erwartet, hilft ein gesunder Sinn für Humor weiter. Mit wirklich guten Kollegen kann man nicht nur gut in der Pause scherzen, sondern sich auch in schwierigen Zeiten auf sie oder ihn verlassen. Ein guter Chef ändert seine Meinung erst recht nicht, je nachdem, wie es gerade opportun ist, sondern zeichnet sich durch Integrität und Fairness aus und verhält sich verantwortungsbewusst gegenüber den Teammitgliedern.
Ein guter Coach
Aber eine gute Führungskraft muss natürlich noch etwas mehr können. Sie hat die Aufgabe, das Beste aus ihrem Team herauszuholen, Leistungsbereitschaft zu fördern und positiv auf die Mitarbeitenden einzuwirken. Erfolgreiche Chefs sorgen dafür, dass sich die Menschen ihres Teams gut in die Gruppe integrieren und dort wohlfühlen – was übrigens auch ein gutes Rezept für die Mitarbeiterbindung ist. Um das zu erreichen, müssen Chefin oder Chef zunächst einmal zuhören, um dann selbst klar zu kommunizieren und ihre Anliegen deutlich zu machen. Sind die zu erledigenden Aufgaben verteilt, lässt der Chef seine Leute machen, ohne sich ständig in die Details einzumischen. Über die Arbeitsergebnisse wird sachlich diskutiert und gegebenenfalls an einer Verbesserung gearbeitet. Ist eine Arbeit erfolgreich erledigt, vergisst die Führungskraft nicht, zu loben. Wie der gute Coach einer Sportmannschaft fördert der erfolgreiche Chef seine Teammitglieder auch über das Tagesgeschäft hinaus und hilft ihnen bei ihrer persönlichen (Karriere-)Entwicklung.
Charismatische Persönlichkeit
Führungskräfte gibt es bekanntlich auf allen Ebenen und in allen Branchen. Eine Betriebskantine muss genauso geführt werden wie ein Tech-Unternehmen. Während bei der Organisation von Routineaufgaben die bisher beschriebenen Eigenschaften voll ausreichen, benötigt man für das „Führen zu neuen Ufern“ allerdings ein deutlich höheres Maß an Kreativität und Leidenschaft und vor allem eine klare Vision, wo die Reise hingehen soll. Stößt man mit seinem Team auf unbekanntes Terrain vor, kann das nur gelingen, wenn ein „Leader“ sein Team immer wieder mitnimmt, auch wenn es einmal schwierig wird. Jetzt sind klassische Führungseigenschaften wie Extraversion, Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit zu entscheiden und zu machen, anstatt zu analysieren, in noch stärkerem Maße erforderlich. Kurz und gut, ein Chef oder eine Chefin in unsicheren und herausfordernden Zeiten sollte eine charismatische Persönlichkeit sein, wie ein Leuchtturm, der in schwerer See den Weg weist.
Lässt sich Führung lernen?
Bleibt zum Schluss die Frage, ob man zu einer Führungsrolle geboren sein muss oder ob man sich all die wichtigen Eigenschaften auch aneignen kann? Die Personalexperten Joachim Sauer und Professor Dr. Alexander Cisik etwa sind der Ansicht, dass Führung nur bedingt erlernbar ist. „Notwendige Voraussetzung für eine gute Führungskraft sind zunächst ihr Talent und ihr Wille zum Führen. Ebenso, wie man für eine Musiker-, Künstler- oder Sportlerkarriere auf höchstem Niveau viel Talent und starken Willen benötigt, trifft dies auch für Top-Führungskräfte zu. Nicht alles ist durch persönlichen Fleiß und ein anregendes Umfeld gestaltbar“, erklären sie.
Es geht also darum, herauszufinden, wer im eigenen Unternehmen die erforderlichen Führungseigenschaften im Ansatz besitzt, um diese Personen dann so zu fördern, dass sie sich entfalten können. Nicht jeder ist die geborene Führungskraft, aber jeder – auch wer bereits in Führungsverantwortung ist – kann seine Führungsfähigkeiten verbessern.
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