Der Mittelstand ist die tragende Säule in Deutschland, wenn es um die Ausbildung von Lehrlingen geht. Neun von zehn Azubis machen ihre Berufsausbildung bei einem mittelständischen Unternehmen – so lauten die Zahlen des KfW-Mittelstandpanels von 2016. Vor allem die Betriebe, die 50 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen, kümmern sich am stärksten um den Nachwuchs. Kleine mittelständische Betriebe bilden in der Regel seltener aus, es sei denn, es sind handwerkliche Betriebe. Seit Jahren wird jedoch ein Mangel an Auszubildenden beklagt, zu viele Schulabgänger zieht es mittlerweile an die Fachhochschule oder Uni. Die DGB-Studie aus dem letzten Jahr widerlegt jedoch diese These. Vielmehr betont die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack: „Die Geschichte vom bundesweiten Azubi-Mangel entpuppt sich bei Licht betrachtet als Märchen. Rund 283.000 Jugendliche, die von der Bundesagentur für Arbeit als ausbildungsreif eingestuft wurden, haben keinen Ausbildungsplatz bekommen. Die Mehrheit von ihnen wird in Ersatzmaßnahmen geparkt – und wird in den kommenden Jahren kaum eine Chance auf einen Ausbildungsabschluss haben.“ Ohne Ausbildung oder Berufsabschluss wird es schwer, den eigenen Lebensunterhalt eigenständig erarbeiten zu können. „Diesen Jugendlichen eine Chance auf Ausbildung zu geben, wird zentrale Aufgabe der Bildungspolitik in den kommenden Jahren.“
Schlechter Schüler, guter Azubi?
Azubis sind auf dem Markt hart umkämpft. Jedes Unternehmen möchte leistungsstarke Mitarbeiter für sich gewinnen. Doch was macht die Attraktivität eines Unternehmens aus? Die jährliche Personalstudie Azubis-Recruitingtrends mit wissenschaftlicher Begleitung zeigt, dass Unternehmen und Bewerber oftmals andere Prioritäten setzen, wenn es um die Auswahl des Ausbildungsplatzes geht. So rangiert die „Jobsicherheit“ bei den Azubis weit vorn, dahinter kommen Betriebsklima und Übernahmechancen sowie Weiterbildungsoptionen. Unternehmen hingegen überschätzten laut der Studie die Bedeutung der Leistungen während der Ausbildung sowie des Unternehmensimages. Verschiedene Branchen haben jedoch immense Probleme mit der erfolgreichen Azubi-Rekrutierung, wie die DGB-Studie zeigt: Hotel- und Gaststättenbereich, das Lebensmittelhandwerk, der zahnmedizinische Bereich sowie Maler und Lackierer. Diese Berufe sind für Schulabgänger wenig attraktiv. Lange Arbeitszeiten, häufige Überstunden, mangelnde Ausbildungsqualität und eine unterdurchschnittliche Vergütung schrecken davor ab, sich für einen der Berufe zu entscheiden. Unter den Jugendlichen finden sich überdurchschnittlich viele Hauptschulabgänger, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Auch hier fordert der DGB, dass die Betriebe den jungen Menschen über alle Schulabschlüsse hinweg Berufsperspektiven bieten.
Pluspunkte als Unternehmen gewinnen
Im westfälischen Ruhrgebiet macht sich der demografische Wandel bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen nicht so stark bemerkbar. Seit sechs Jahren werden bei der IHK zu Dortmund über 5.000 Lehrstellenverträge in der Region abgeschlossen. „2016 mussten wir einen leichten Rückgang verzeichnen“, berichtet Michael Ifland, Geschäftsführer Berufliche Bildung der IHK zu Dortmund. Die Gründe dafür sieht er beispielsweise darin, dass viele Banken nur für den eigenen Bedarf ausbilden und der aufgrund der derzeitigen Filialschließungen entsprechend geringer wird. Die Bewerbersituation ist sehr branchenabhängig. „Das Hotel- und Gastgewerbe hat beispielsweise zu wenig Bewerber auf die offenen Lehrstellen zu verzeichnen, ebenso wie Sicherheitsbetriebe.“ Das liegt bei beiden Branchen an unattraktiven Arbeitszeiten und einer im Vergleich zu anderen Berufen nicht so hohen Ausbildungsvergütung. Vor allem das Hotel- und Gastgewerbe leidet unter einem schlechten Ruf bei den Auszubildenden: Nachrichten vom rauen Umgangston in der Küche beispielsweise oder unzureichende Arbeitspausen schrecken die jungen Menschen ab, sich für eine solche Ausbildung zu entscheiden. „In der IT-Branche hingegen befinden sich die Betriebe in einer guten Bewerbersituation, die eine technische Ausbildung anbieten. Sie profitieren unter anderem von den Studienabbrechern der Hochschulen in der Region“, berichtet Ifland.
Aufmerksamkeit generieren
Um für Schulabgänger attraktiv zu sein, geht es für kleine und mittelständische Betriebe vor allem darum, auf sich aufmerksam zu machen. „Gute Erfahrungen haben wir mit Schulpartnerschaften machen können“, sagt Ifland. Neben dem klassischen Praktikum gibt es für Betriebe viele andere Maßnahmen, wie sie den Kontakt zu einer Schule ausbauen können: Tag der offenen Tür, Unterrichtsstunden, die im Betrieb stattfinden, Einladung der Schulband zum Betriebsfest, gemeinsame Projekte mit den Schülern – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Pluspunkte bekommen Betriebe von den Bewerbern, wenn sie neben einer vernünftigen Bezahlung eine Übernahmeperspektive und Karrierewege im Unternehmen aufzeigen. Auch zusätzliche Sozialleistungen können eine Rolle spielen, angefangen vom Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel bis zur Übernahme des Mitgliedsbeitrags für ein Fitnessstudio. „Über flexible Arbeitszeiten für die Azubis können Betriebe ebenfalls nachdenken – vorausgesetzt natürlich, der Ausbilder ist zeitgleich anwesend“, ergänzt der IHK-Geschäftsführer. Auch Weiterbildungsmaßnahmen machen einen Betrieb für angehende Azubis attraktiv. „Wichtig ist, dass sich die Unternehmen öffnen“, betont Ifland. „Leistungsstarke Bewerber erwarten mehr als das Übliche.“ Schnuppertage, an denen Schüler zum Beispiel einmal pro Woche nachmittags im Betrieb mitarbeiten, helfen, Schüler an den Betrieb zu binden und als Azubis zu gewinnen. „In Nordrhein-Westfalen gibt es vielerorts den Ausbildungsbotschafter – ein Azubi berichtet in Schulen über seine eigene Ausbildung. Der Azubi und die Schüler führen ein Gespräch auf Augenhöhe. Die Betriebe, die sich so zukünftigen Bewerbern vorstellen, haben damit gute Erfahrungen gemacht.“ Dennoch: Den einen richtigen Weg, um als attraktiver Ausbildungsplatz zu gelten, gibt es nicht.
Karin Bünnagel | redaktion@regiomanager.de
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