Mit dem Licht geht es vielen Menschen so wie mit der Wärme: Wo es die eine fröstelt, sitzt ein anderer nur im T-Shirt gekleidet. Und wo es der eine nicht hell genug haben kann, sucht manch anderer nach dem Dimmer, um die Lichtflut auf ein erträgliches Maß herunterzupegeln. Das Licht, oder besser seine Wirkung auf uns, ist von sehr individuellen Empfindungen geprägt, die vereinfacht gesagt ein Ergebnis des Zusammenspiels von Pupille, Linse und Netzhaut sind – unsere Augen sind kleine Wunderwerke der Natur, mit denen wir bis zu 80 Prozent aller Informationen aufnehmen, die für unser Leben wichtig sind. Ihre Empfindlichkeit steuert, welches Maß an Helligkeit wir wann und wie zu ertragen bereit sind. Mit dem optimalen Licht zur richtigen Zeit am passenden Ort sorgen Beleuchtungsspezialisten für das gewisse Feintuning und steuern durch Optik unser Wohlbefinden.
Kein Wunder, dass die Branche der „Lichtplaner“ oder „Lichtdesigner“, wie sich Beleuchtungsspezialisten auch nennen, ebenso vielseitig wie dadurch interessant ausgerichtet ist. Ein Kosmos unterschiedlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten unterscheidet einen Lichtplaner oder eine Lichtplanerin von einem Lampenverkäufer und kennzeichnet den Wandel, dem die Branche unterliegt. Das liegt vor allem an der Vielzahl der verschiedenen Bereiche, die für ein Lichtkonzept zu berücksichtigen sind. Von der Elektroplanung über Aspekte der Energieeinsparung, von der reinen Leuchten-Technik über ästhetische Aspekte, von der Bedürfnisanalyse der Lichtnutzer über technische Lichtnormen, die in Ausschreibungen zu beachten sind – die Kombination all dieser Know-how-Facetten mit einer umfänglichen Beratungsleistung macht einen guten Lichtdesigner heute aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob er ein Lichtkonzept für ein Unternehmen, eine öffentliche Einrichtung oder für einen Privathaushalt entwickelt. „Light follows function“ ließe sich in Abwandlung des Leitspruchs aus dem Produktdesign formulieren, denn welche Lichtintensität, Lichtfarbe, Wellenlänge oder welchen Einstrahlwinkel wir bei welcher Tätigkeit als optimales Licht empfinden, das ist wiederum nur in Individualität zu messen.
Lichtsteuerung per Iris-Scan
Dass der Lichtbedarf des Auges mit zunehmendem Alter steigt, ist in diesem Zusammenhang insofern relevant, da die Lebenserwartung steigt und die Menschen auch im Alter länger fit und aktiv bleiben. Ob am Arbeitsplatz, in der Freizeit, in Auto, Bahn oder Flugzeug sowie zu Hause – Lichtkonzepte müssen künftig zunehmend den Seniorenfaktor berücksichtigen, ein Aspekt, der in den heute gebräuchlichen DIN-Normen noch nicht erfasst wurde. Eine Lösung wird hier mit Sicherheit auch der allgegenwärtige Megatrend des 21. Jahrhunderts bringen: die Digitalisierung. Vielleicht steuern wir die Lichtstimmungen im Smarthome schon bald nicht mehr mit der iPhone-App, sondern per Iris-Scan je nach Blickrichtungswechsel? Und vielleicht liegt in einer solchen Art intelligentem Lichtpegel auch die Chance, der weltweiten Lichtverschmutzung in den nächtlichen Städten Herr zu werden, an deren negativen Auswirkungen zahlreiche Insekten, Vögel und Fledermäuse in der Natur bisher enorm zu leiden haben.
Die positiven Auswirkungen des natürlichsten Lichts auf der Erde, des Sonnenlichts, reichern u.a. Vitamin D in unserem Körper an und sorgen dafür, dass wir im Tagesverlauf nicht so schnell ermüden. Daher unterstützen moderne Architektur-Trends mit großformatigen Fensterflächen die anregende Wirkung des Tageslichts und innovative Lichtplaner berücksichtigen bei tageslichtorientierten Raumbeleuchtungen die energetischen Aspekte eines ganzheitlich ausgerichteten Natur-/Kunstlicht-Mixes. So wird Licht ein Gestaltungsmittel der Architektur. Eine frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Architekten und Beleuchtungsspezialisten ermöglicht zahlreiche Vorteile in ökologischer wie auch in ökonomischer Perspektive. Oft genug sind Lichtplaner daher schon ein fester Team-Bestandteil in großen Architekturbüros, bei Leuchtenherstellern oder führenden Büro- und Objekteinrichtern. Zahlreiche freie Lichtplanungsbüros bieten darüber hinaus eine große Bandbreite an kreativen „Lichtweisen“.
Keine einheitliche Ausbildung
Die sehr heterogene Branche bietet ihrem Nachwuchs bisher sehr vielfältige Einstiegsmöglichkeiten in den interessanten Beruf. Eine einheitliche Ausbildung gibt es nicht, sodass das Spektrum der Qualifikationen zwischen den eher technisch ausgerichteten Ingenieuren und den Absolventen kreativ-gestalterischer Hochschulen schwankt. Berufsorganisationen wie der VDI – Verein Deutscher Ingenieure e.V. in Düsseldorf, FitLicht – Fördergemeinschaft innovative Tageslichtnutzung e.V. in Oberursel oder die Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e.V. (LiTG) mit Hauptsitz in Berlin und 16 Bezirksgruppen in allen Bundesländern bieten im deutschsprachigen Raum mit Tagungen, Konferenzen und Workshops kontinuierliche Fortbildungen zu aktuellen Themen zwischen Effizienzsteigerung in modernen LED-Leuchtmitteln bis zu Verkehrssicherheit durch Straßenbeleuchtung und Verkehrstelematik an.
Im Oktober 2018 präsentierte der Verband FILD – Federation of International Lighting Designers jedoch bei einer Tagung in Lindau mit den sogenannten „Lindauer Thesen“ (www.fild.eu) ein Kriterienraster für eine künftige Zertifizierung des Berufsfeldes der Lichtdesigner und zur Qualitätssteigerung der Lichtgestaltung. Der „Lighting Designer MA“ soll demnach ein anerkannter Beruf mit einem geschützten Berufstitel und einem strukturierten Masterstudium werden. Auch eine einheitliche Honorarordnung gehört hier zu den Kriterien, wobei sich die Vielzahl und die Individualität der Beratungs- und Planungsleistungen zwischen den technischen und kreativen Aspekten bisher nur schwer in ein Honorarkorsett pressen ließ. Die weitere Diskussion in der Branche wird zeigen, wie weit der Weg zum angestrebten Ziel noch ist. Emrich Welsing | redaktion@regiomanager.de
INFO
Lindauer Thesen 1 – Zertifizierung des Berufsfeldes:
1. Lichtdesigner muss ein anerkannter Beruf mit geschütztem Berufstitel werden.
2. Das Leistungsbild für Lichtdesigner muss eindeutig definiert werden.
3. Auf dieser Basis wird eine eigene Honorarordnung (HOLD) entwickelt.
4. Basis für den Berufstitel sind verbindliche Ausbildungsstandards nach Bologna-Kriterien, konkret ein Masterstudiengang „Architectural Lighting Design“.
5. Es sollen europaweit einheitliche Lehrinhalte für dieses Studium entwickelt werden; Referenz hierfür ist der Masterstudiengang „Lighting Design“ der Hochschule Wismar.
6. Der Master-Studienabschluss „Lighting Designer MA“ berechtigt zum Berufstitel.
Lindauer Thesen 2 – Qualitätssicherung der Lichtplanung:
1. Wir treten für eine vertiefte Grundlagenforschung zum Phänomen Licht ein.
2. Lichtdesign muss als technisch-gestalterisches Fachgebiet Anerkennung finden.
3. Dazu braucht es ein Masterstudium mit festgelegten Inhalten (s. o.).
4. Analog zur Akustik ist auch Lichtdesign als Pflichtfach in allen (bau-, elektro-)technischen und gestalterischen Studiengängen von Universitäten und Fachhochschulen zu etablieren.
5. Unabhängige Lichtdesigner sind in alle Entwicklungs- und Gestaltungsbereiche des öffentlichen Lebens einzubeziehen.
6. Die Normierung von Leuchtkörpern und Lichtquellen entspricht nicht mehr dem Stand der Technik und ist deshalb an neuesten und physiologisch sinnvollen Lichtqualitäten anzupassen und zu ergänzen.
Quelle: FILD – Federation of International Lighting Designers
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