Streit unter Kollegen, unbezahlte Rechnungen, Kundenbeschwerden oder Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Geschäftspartnern: Nicht selten enden Konflikte in der Arbeitswelt vor Gericht. Immer mehr Unternehmen versuchen diesen Weg zu vermeiden und setzen auf die Mediation. Die Beweggründe dafür sind vielfältig. „In der Regel geht es darum, durch Kommunikation, Dialog und Konfliktklärung bei Auseinandersetzungen neue Lösungswege zu finden“, sagt Sosan Azad vom Vorstand des Bundesverbandes Mediation. „Einige Unternehmen setzen aber vor allem deshalb auf die Mediation, weil es der schnellere, preiswertere und stressfreiere Weg ist.“ Es werde nicht immer offen darüber gesprochen, doch die Faktoren Kosten und Stress seien oftmals ausschlaggebend. „Ständige Termine mit Anwälten oder Gerichten wollen die Menschen vermeiden, weil der Arbeitsalltag schon stressig und belastend genug ist.“
Den guten Ruf bewahren
Für Unternehmen spielt die Art der Konfliktlösung aber auch in Bezug auf die Außendarstellung eine Rolle. Wer sich mehrfach vor Gericht wiederfindet und durch juristische Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern von sich reden macht, büßt an Glaubwürdigkeit und Attraktivität gegenüber potenziellen Bewerbern ein. „Niederlagen vor dem Arbeitsgericht können sich negativ auf den Ruf eines Unternehmens auswirken. Mittlerweile werben einige Firmen sogar mit ihrer Art der Konfliktlösung.“ Das Lösen von Problemen auf einer persönlichen Ebene wecke Vertrauen und fördere Loyalität. „Wenn in großen Unternehmen Mediationen durchgeführt werden, spricht es sich rum.“
Nicht selten komme es vor, dass sich mittelgroße Unternehmen an die Mediatorin wenden, weil die Geschäftsführung Konflikte zwischen Hierarchieebenen festgestellt hat. „In der Konsequenz nimmt innerhalb eines Teams die Leistung ab und die Motivation schwindet. Zudem hat vielleicht ein Mitarbeiter, der über besondere fachliche Kompetenzen verfügt und unverzichtbar für das Unternehmen ist, signalisiert, dass er die Firma verlassen wird, sollte sich das Arbeitsklima nicht verbessern. Selbst ein gutes Gehalt ist dann nicht mehr ausschlaggebend.“ Für einen Geschäftsführer, der seinen möglicherweise besten Mitarbeiter nicht verlieren möchte, bietet die Mediation dann die Chance, die Situation zu verbessern.
Neue Konfliktkultur
Vor diesem Hintergrund komme es in der Arbeitswelt zu einer neuen Konfliktkultur; die Denkweise über Probleme und Konflikte habe sich grundlegend geändert. Stellt ein Mitarbeiter beispielsweise fest, dass im Team etwas nicht stimmt oder ihm das Verhalten eines Vorgesetzten nicht gefällt, nimmt er die Situation nicht sprachlos hin, sondern nutzt die Möglichkeit der Mediation und setzt sich mit den betreffenden Kollegen sowie einer neutralen Person an einen Tisch. Im Idealfall können Missverständnisse ausgeräumt und das Arbeitsklima verbessert werden. Auf diese Weise sichern Arbeitgeber die Basis für zufriedene Mitarbeiter, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen. „Diese selbstverantwortliche Konfliktklärung trägt auch dazu bei, dass Menschen sich entwickeln, ihre Verhaltensweise und Kommunikation reflektieren.“ Dadurch würden soziale Kompetenzen gestärkt. Ob ein Unternehmen einen Mediator aus wirtschaftlichem Kalkül einschaltet, sei letztendlich nicht immer erkennbar.
Die Mediation wird schließlich in den unterschiedlichsten Situationen eingesetzt. „Es kommt immer darauf an, wo der Mediator platziert ist“, sagt Harry Reinhardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft. „Bei der innerbetrieblichen Mediation geht es beispielsweise um einen Konflikt unter Mitarbeitern oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern.“
Zwischenbetrieblich werde oftmals auf die prospektive Mediation gesetzt, bei der heikle Themen mit Konfliktpotenzial vorausschauend angesprochen werden, bevor es zum Konflikt kommt. „Das ist unter anderem in Vertragsverhandlungen sinnvoll, um von vornherein Streitregelungslösungen festzulegen.“ Auch spontan entstandene Streitigkeiten zwischen Unternehmen können von einem Mediator begleitet werden, um einen teuren, aufwendigen Gerichtsprozess zu vermeiden.
Beliebt ist die Mediation ebenfalls bei internationalen Streitigkeiten. „Will ich vor Gericht ziehen, muss ich schließlich erst einmal wissen, wo mein Gerichtsstand ist oder wie ich im Nachhinein meine Ansprüche durchsetze. Wenn es dann zudem – zum Beispiel infolge mehrerer gleichzeitig angestrengter Verfahren oder bei mehreren Verfahrensbeteiligten – sehr komplex wird, ist die Bereitschaft zur Mediation gleich viel größer.“
Vor Gericht könnte aber auch das Urteil Kopfschmerzen bereiten, denn die Entscheidung des Richters fällt möglicherweise anders aus, als man es sich gewünscht oder erwartet hätte. Selbst wenn ein Richter ein rechtlich absolut zutreffendes Urteil fällt, ist es möglich, dass der Mandant viel verliert. „Im Rahmen einer Mediation habe ich die Chance, mir ein Bild von der Gesamtsituation zu machen und alternative Lösungen zu finden.“ Welches Bild dann tatsächlich entstehe, liegt an dem, was die Parteien freiwillig bereit sind, einzubringen. Etwas in eigener Verantwortung zu tun, sei etwas ganz anderes, als dem Urteil eines Fremden unterworfen zu sein. „Es geht auch darum, die gute Beziehung zum Kontrahenten, der möglicherweise zum Kundenstamm zählt oder ein wichtiger Geschäftspartner war, nicht zu zerstören. Das heißt, man hat die Chance, gute Beziehungen zu bewahren, weil man wieder ins Gespräch kommt und vielleicht Verständnis für den anderen entwickelt.“
Schnell und günstig
Für zahlreiche Unternehmen spielen aber auch die Attribute „schnell“ und „günstig“ eine Rolle. „Im Gegensatz zu einem eventuell mehrinstanzlichen Verfahren, das mehrere Jahre andauern kann, besteht die Möglichkeit, den Konflikt innerhalb weniger Wochen zu beseitigen.“ Zudem sei die Mediation in der Regel deutlich günstiger als ein Gerichtsverfahren. „Im Baubereich belaufen sich die Kosten einer Mediation beispielsweise auf lediglich zehn bis 30 Prozent der Gerichtskosten.“
Vermeintliche Nachteile können aber ebenfalls festgestellt werden. „Ich muss mich auf etwas einlassen und dazu stehen, insbesondere, wenn ich in einer Firma tätig bin und im Auftrag eines Vorgesetzten handele. Es kann sein, dass am Ende etwas rauskommt, das niemand nachvollziehen kann.“ Der Verhandelnde muss sich dann eventuell vor Kollegen rechtfertigen. Unter Umständen stelle sich bei der Mediation auch die Frage der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen. „Wir bewegen uns nicht im rechtsfreien Raum, das Ergebnis muss einer juristischen Prüfung standhalten.“
Inwiefern Unternehmen beim Einsatz der Mediation wirtschaftliche Interessen verfolgen, sei von außen manchmal nur schwer nachzuvollziehen. Es kann rein wirtschaftlich sinnvoller sein, den Weg über die Mediation zu gehen, oftmals steht aber auch der versöhnliche Aspekt im Vordergrund. Sorgt nach einer Firmenübernahme beispielsweise eine neue Unternehmenskultur für schlechte Stimmung, geht es häufig darum, das Miteinander zu stärken. Gleiches gilt auch für einen Familienbetrieb, in dem die nächste Generation das Ruder übernehmen soll, es aber noch nicht schafft, ihre Aufgaben im Sinne des restlichen Teams zu bewältigen. Kommt eine Gesellschaft in den Bereich der Zahlungsunfähigkeit, kann eine Mediation mit Vertretern von Banken sinnvoll sein, um herauszuarbeiten, ob möglicherweise verborgene Schätze wie innovative Ideen vorhanden sind, die genutzt werden könnten.
Akzeptanz wächst
„Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass Unternehmer sich für die Mediation entscheiden, weil sie ein gutes, respektvolles Arbeitsklima schaffen und ihre Mitarbeiter in die Konfliktlösung einbinden möchten“, erklärt Sosan Azad. Der Bundesverband Mediation geht davon aus, dass es rund 80.000 professionell ausgebildete Mediatoren in Deutschland gibt. Sie sind nicht nur selbstständig tätig, sondern arbeiten auch als Führungskräfte, in Betriebsräten, als Anwälte oder in anderen Berufen. Über 90 Prozent der Rechtsschutzversicherer übernehmen mittlerweile sogar die Kosten für eine Mediation. Dennoch wählt die Mehrzahl deutscher Unternehmen immer noch eher den Gerichtsweg. „Es ist jedoch ein Trend erkennbar“, sagt Harry Reinhardt. „Die Akzeptanz für Mediation wächst stetig.“
Jessica Hellmann | redaktion@regiomanager.de
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