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Medien: Print ist tot – es lebe der print

Seit Langem wird das Ende der Druckmedien heraufbeschworen. Nun stellt sich heraus: Sie können manche Defizite der digitalen Welt ausgleichen.

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von Claas Syrt Moeller 12.07.2024
(© master1305 – stock.adobe.com)

Gedruckte Medien befinden sich in einem langanhaltenden Kampf gegen die digitale Konkurrenz. Beispiel Tageszeitung: Von 30 Millionen Printexemplaren in beiden deutschen Staaten 1983 war 2023 nur noch ein gutes Drittel übrig (rund 11 Millionen). Wo soll das enden, wenn 40% der Abonnenten in Deutschland 75 Jahre und älter sind? Hinzu kommen Zustellprobleme. Es wird immer schwieriger, Zeitungsboten zu finden und sie sind teurer geworden, nachdem der Mindestlohn in zwei Jahren um 30% gestiegen ist. Hinzu kommt die Explosion der Papierpreise. Reaktion vieler Verlage: selteneres Erscheinen. Die „Hamburger Morgenpost“ wird seit Kurzem nur noch am Wochenende gedruckt; in der Woche erscheint sie rein digital.

Um Print- zu Digital-Abonnenten zu machen, greifen die Verlage tief in die Tasche: vom Digital-Support bis hin zu Gratis-Laptops.
Viele – auch ältere – Abonnenten ziehen aber mit, denn laut Zeitungsmarktforschung Gesellschaft (ZMG) hat die Tageszeitung unangefochten die höchste Kompetenz in der Lokalberichterstattung. Die Printreichweite von Zeitungen liegt laut ZMG insgesamt bei 53%, doch bei den 14- bis 29-Jährigen immer noch bei immerhin 32%. Print ist prädestiniert für die Vertiefung von Themen; Wochenzeitungen zeigen das. „Die Zeit“ etwa steigerte ihre Auflage seit 2015 um 20%. „Wenn ich etwas wissen will, schaue ich ins Netz, wenn ich etwas verstehen will, lese ich ein Buch oder eine Zeitschrift“, sagt der Publizist Mads Pankow. Apropos Buch: Die Menschen lieben es heiß und innig, was der mickrige Umsatzanteil des E-Books im Publikumsmarkt zeigt: 2020: 5,8%, 2021: 5,9%, 2022: 6%, 2023: 6,1%.

Die verkaufte Auflage von Zeitschriften hat ähnlich stark abgenommen wie bei den Zeitungen. Aber die Zahl der Titel ist gewachsen, insbesondere bei den Fachzeitschriften – die Auflage am meisten steigern konnte zuletzt das „c’t magazin“. Auf Platz 1 bis 4 der meistverkauften freiverkäuflichen Titel liegen Programmzeitschriften, die das TV-Angebot übersichtlicher als ein Laptop zeigen, dahinter kommen Frauenzeitschriften und Titel wie „Landlust“. Zeitschriften können ein Gegenentwurf zur digitalen Welt sein. Das ergab 2023 eine Studie von RTL Data für den Crossmedia-Vermarkter Ad Alliance. Befragt wurden Leser von „Stern“, „Geo“, „Art“, „11 Freunde“, „Couch“, „Gala“ und „Brigitte“. Ein Ergebnis: Die digitale Welt setzt viele Menschen unter Stress. Durch die Algorithmen der Social Media fühlen sich 58% der 14- bis 39-Jährigen in ihrer Nutzung fremdgesteuert (gesamt: 52%)Über zwei Drittel der 14- bis 39-Jährigen (gesamt: 49%) hat das Gefühl, sich nur Filterblase zu bewegen. Bewusst begrenzen viele die eigene Screentime. Beim „Digital Detox“ helfen Zeitschriften. Der Aussage „Mit Zeitschriften kann ich entspannen“, stimmen 78% der Befragten zu. Für 72% sind sie „ein Stück Lebensqualität“.

Eine Zeitschrift kann auch ein Statement sein. „Ich war neulich die einzige Person in der S-Bahn, die eine Zeitschrift in der Hand hatte und ich fand das mega. Die Leute haben mich beachtet“, so eine „Brigitte“-Leserin im „Tiefeninterview“. 67% der Leser bewahren Zeitschriften auf. Die „Generation Z“ setzt sie sogar als Deko-Element ein. 65% schätzen an Zeitschriften die unterschiedlichen Sichtweisen. „Beim Thema Fußball kriege ich viel mehr mit, was meine Timeline mir nie gezeigt hätte“, sagt ein Leser von „11 Freunde“. Zeitschriften haben einen Anfang und ein Ende, die redaktionelle Auswahl schafft einen greifbaren Rahmen – im Gegensatz zum uferlosen Angebot in der digitalen Welt. Wer Gedrucktes liest, erlebt wieder stärker die Bestätigung, seinen Medienkonsum selbst zu steuern. Motto: „Ich suche mir das raus, was mich interessiert“. Die materielle Präsenz von Print strahlt Verlässlichkeit und Beständigkeit aus, die Haptik sorgt für Ruhe. Man kann genießen, man muss nichts hinterfragen.

Durch dieses positiv wahrgenommene Umfeld wird Werbung in Zeitschriften als vertrauenswürdig und nicht so aggressiv wie im Internet erlebt. Das Statement „In Zeitschriften habe ich eher das Gefühl, dass ich selbst steuern kann, wie viel Werbung ich gerade zu sehen bekomme“, bejahen 69% der Befragten. Dennoch oder gerade deshalb ist Print-Reklame wirksam: 93% der werblichen Inhalte in Print-Titeln werden gesehen, die Augen bleiben im Schnitt 2,81 Sekunden daran hängen, wie das Eye-Tracking ergab. Advertorials werden im Schnitt noch länger betrachtet (10,49 Sekunden bei 100% Fixationswahrscheinlichkeit) als klassische Anzeigen; sie werden in erster Linie (noch) nicht wie Werbung erlebt. Auch Beihefter und Warenproben finden Zustimmung. Am Tag des Redaktionsschlusses für diesen Artikel erschien die Studie „Die Kraft des Gedruckten“ (Egro-Mediengruppe) mit beeindruckenden Zahlen zum Nutzen von Printprospekten für Wirtschaft und Konsumenten.

Verbraucherschutzmaßnahmen zum Beispiel durch die Datenschutzgrundverordnung („Double-Opt-In“) und die verbreitete Nutzung von Ad-Blockern bremsen die Werbewirtschaft im Digitalbereich aus. Dies ermöglicht ein Revival für das volladressierte Print-Mailing, denn dieses darf auch dann eingeworfen werden, wenn „Werbung – nein danke!“ auf dem Briefkasten steht. Werbebriefe an Bestandskunden von Online-Shops erzielen eine durchschnittliche Conversion Rate (CVR) von 5,4% im Jahr 2023, ergab die CMC Print-Mailing-Studie 2023 (Collaborative Marketing Club in Zusammenarbeit mit der Deutschen Post):  Bei der Bestellung wird durchschnittlich 10% mehr ausgegeben als bei der vorherigen Bestellung. Der Return on Advertising Spend (RoAS) liegt bei 901%. Konkreter: Bei einem durchschnittlichen Warenkorb von 82 Euro (vor Retoure) bringt jeder für ein Print-Mailing eingesetzte Euro 9,01 Euro Umsatz. Response-Verstärker steigern die CVR einer Print-Mailing-Kampagne um bis zu 33% und sorgen für bis zu 6% höhere Warenkörbe. Wirksamster Response-Verstärker ist die Gutschein-Karte aus Papier.

In dem Land, in dem der Buchdruck erfunden wurde, ist Print wieder – oder noch – etwas Besonderes, Wertvolles, gerade angesichts der E-Mail-Schwemme. Das Beispiel Print-Mailing zeigt das gut: Tag für Tag werden weltweit rund 320 Milliarden E-Mails verschickt. Allein in Deutschland landen 150 Millionen davon im Spamfilter. In den Briefkasten aber werden täglich durchschnittlich 1,5 Briefe und weniger als ein Werbemailing eingeworfen. Man freut sich geradezu, wenn mal wieder was drin liegt. Print verheißt eine exklusive Botschaft – ganz ohne Druck.

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