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Klimafreundliches Bauen: Mehr als eine schöne Fassade

Grün und smart statt trister Betonklotz. Auch reine Glaspaläste sind in Zeiten des Klimawandels fraglich. Und muss es ein Neubau sein? Reicht Renovieren, Aufstocken oder Anbauen nicht? Gewerbeimmobilien können attraktiv aussehen und gleichzeitig klimaneutral, energiesparend und nachhaltig gebaut werden. Der Klimawandel, Rohstoffengpässe und stark steigende Preise führen zum Umdenken in der Immobilien- und Baubranche. Bürogebäude, Hotels, Werkstätten und Lagerhallen der Zukunft werden mit weniger Energie und Ressourcen auskommen.

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von Regiomanager 06.09.2022
© fotogestoeber – stock.adobe.com | Claudia Schneider

1: ERSTE HILFE: ENERGIE EINSPAREN

Angesichts der aktuellen Energiekrise rufen Politiker, aber auch Stadtwerke-Chefs dringend zum Energiesparen auf. Und das möglichst schnell. Weniger heizen und die Raumtemperatur absenken ist eine kurzfristige Maßnahme. Mit LED-Lampen sind viele Büros schon ausgestattet. Vielleicht können zur optimalen Steuerung noch Bewegungsmelder (z.B. für die Flure) angeschafft werden. Gegen Kälte, die durch undichte Fenster und Türen ins Gebäude kriecht, kann man mit Abdichtungen etwas entgegensetzen. Um richtig viel Energie zu sparen oder mittel- und langfristig sogar energieautark zu werden, kommt man um Investitionen nicht herum. Durch eine Wärmedämmung der Fassade (am besten mit nicht brennbarer Mineralwolle) und des Daches kann der Energieverbrauch um bis zu 70 Prozent gesenkt werden. Auch neue Fenster und Türen halten die Wärme im Gebäude. Es gibt verschiedene Zuschüsse von Land und Bund (siehe Punkt 3).

2: REICHT EIN UMBAU?

Sind Sie mit der Lage Ihres Firmensitzes grundsätzlich zufrieden, aber der Platz reicht nicht mehr aus? Vielleicht lässt sich ein Umzug oder gar Neubau vermeiden, indem die Bestandsimmobilie nach oben aufgestockt wird oder einen Anbau erhält. Auch eine energetische Sanierung ist im Bestand machbar. Bei dem derzeitigen Fachkräftemangel, teuren Grundstückspreisen, hohen Baukosten und späteren Umzugskosten sollte ein Neubauvorhaben gut durchdacht werden. Aus ökologischer Sicht empfiehlt sich eher ein Umbau als ein Neubau. Jede neue Flächenversiegelung stört den Wasserkreislauf und schadet dem Mikroklima. Jeder Neubau verbraucht sehr viele Ressourcen und graue Energie (Energie für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung des Materials).

3: ZUSCHÜSSE VOR BAUBEGINN BEANTRAGEN

Energieeffiziente Maßnahmen haben ihren Preis. Da kommen schnell einige Tausend Euro zusammen. Aber die landeseigene NRW.BANK listet auf ihrer Website verschiedene Förderprogramme von Land, Bund und EU auf, die auch für Unternehmen interessant sind. Zum Beispiel gibt es bis zu 80 Prozent Zuschüsse für klimaschützende Maßnahmen (Stichwort „progres.nrw – Programmbereich Klimaschutztechnik“). Im Programmbereich „Klimaschutztechnik“ werden u.a. die Anschaffung von Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern oder Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung gefördert.
Wichtig: Zuschüsse gibt es nur, wenn der Antrag vor Baubeginn gestellt wird. Es muss der Förderbescheid vorliegen. Weitere Infos unter www.nrwbank.de

4: PLATZBEDARF KALKULIEREN

Die Corona-Pandemie hat das mobile und flexible Arbeiten populär gemacht. Durch Homeoffice-Lösungen oder Arbeiten in Coworking Spaces und Hotelzimmern ist es in vielen Büros dauerhaft leerer geworden. Lohnt es sich vor diesem Hintergrund, weitere Büroflächen anzumieten oder neu zu bauen? Kalkulieren Sie den aktuellen Flächenbedarf mal nach. Wobei: Falls die Gaspreise im Winter explodieren, werden die Mitarbeiter*innen vielleicht doch lieber ins Büro kommen, um zu Hause Gas zu sparen. Dann hilft nur: Raumtemperatur auch im Büro absenken.

5: STROM SELBER PRODUZIEREN

Wie viele Millionen Quadratmeter Dachfläche mögen es sein, die bisher allein in Deutschland ungenutzt brachliegen? Auf Hochhäusern dient das Dach in den allermeisten Fällen höchstens als Abstellfläche für die Klimatechnik. Dabei wäre doch noch Platz für Photovoltaikmodule. Viele Unternehmen, die eine eigene Photovoltaikanlage auf dem Dach haben, können ihren Strombedarf größtenteils selbst decken. Das macht sie unabhängig von den Preisentwicklungen auf den Energiemärkten. Gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zum Klimaschutz. Für sonnenschwache Stunden und Tage kann sich die Anschaffung eines Batteriespeichers lohnen.

6: DACHBEGRÜNUNG NUTZT MEHRFACH

Manche Leute halten eine Dach- oder Fassadenbegrünung nur für eine optische Verschönerung. Dabei ist erwiesen: Im Sommer sorgen die Pflanzen durch die Wasserverdunstung für Kühlung der Umgebung. Sie binden zudem Feinstaub, schlucken Lärm und die Begrünung verlängert die Haltbarkeit des Daches. Die Kombination aus Photovoltaik und Dachbegrünung ist ideal: Ohne Begrünung heizt sich die Dachhaut im Sommer auf 60 bis 80 Grad auf. Wenn es auf dem Dach zu heiß wird, sinkt die Leistungsfähigkeit der Solarzellen; die Anlage wird quasi gebremst. Dagegen werden auf Gründächern selten 35 Grad überschritten – die Stromerzeugung läuft auf Hochtouren.
Achtung: Vorher die Statik berechnen lassen. Die Solarmodule fallen auch ins Gewicht.

7: WEITERE ENERGIE-ALTERNATIVEN

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) gibt seit Jahren den Rahmen vor, damit in Büro-, Wohn- und Betriebsgebäuden der Energieverbrauch gesenkt wird. Einige Unternehmen setzen darüber hinaus schon länger auf erneuerbare Energiequellen und smarte Haustechnik. In kleinen und mittleren Unternehmen wärmen hier und da Pelletheizungen – nicht nur in Tischlereien, die Vorreiter sind. Solarthermie-Anlagen, die warmes Wasser produzieren und überschüssige Energie in den Heizkreislauf einspeisen, sind eine weitere alternative Energiequelle. Auch hierfür gibt es staatliche Zuschüsse. Ebenso wie für oberflächennahe Geothermie in Verbindung mit einer Wärmepumpe oder für den Betrieb von Wärmepumpen in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage – siehe Programm „Klimaschutztechnik“ unter www.nrwbank.de. Das Bauunternehmen Zech hat im Juli seine Pläne für ein neues Bürohochhaus in Essen vorgestellt. Das 13-stöckige Gebäude nahe der Grugahalle soll die neue Zentrale der Zech Group Rhein-Ruhr werden. Das Unternehmen setzt auf Energie-Optimierung und wird u.a. ein eigenes Biogas-Blockheizkraftwerk errichten.

8: AUTARK IM NULLENERGIEHAUS

Energieautark sein, das wäre doch was. So viel Strom und Wärme selbst erzeugen, dass man keine Energie zukaufen muss. Nullenergiehäuser schaffen das. Anders als beim Passivhaus wird der Energieverbrauch nicht nur durch Wärmerückgewinnung gesenkt. Durch kombinierte Lösungen aus Photovoltaik, Wärmepumpe, Blockheizkraftwerk, Dämmung, hoher Luftdichtheit, cleveren Kühl- und Lüftungssystemen braucht man keine Fremdenergie. Im Wohnungsbau gibt es sogar Gebäude, die mehr Energie erzeugen, als darin verbraucht wird: Das sind Plusenergiehäuser (wobei die „graue Energie“ für den Bau meist nicht eingerechnet wird). Auch Gewerbeimmobilien können den Nullenergie-Standard erreichen. Das Wiener Hotel „Stadthalle“ beweist das seit 2009: Als erstes Nullenergiehotel erzeugt es mit einer Grundwasserwärmepumpe, einer Photovoltaikanlage sowie Solaranlage genauso viel Energie, wie es benötigt. Auch sonst wird auf Ressourcenverbrauch geachtet: Ökoduschköpfe, LED-Lampen, perfekte Mülltrennung und Recycling, keine stromfressenden Minibars und Biokost.

9: CRADLE TO CRADLE

Hinter dem Konzept des Cradle to Cradle® („Von der Wiege zur Wiege“) verbirgt sich die Vision einer abfallfreien Wirtschaft, bei der Firmen keine gesundheits- oder umweltschädlichen Materialien mehr verwenden und alle Stoffe dauerhaft Nährstoffe für natürliche Kreisläufe oder Cradle to Cradle®-geschlossene technische Kreisläufe sind. Dieses Ideal gilt für die Gesamtwirtschaft, auch für die Baubranche. Folgt man diesem Prinzip und denkt in geschlossenen Materialkreisläufen, dann müsste von Anfang an darauf geachtet werden, welche Materialien verbaut werden. Recycelte Steine, Mineralwolle bis hin zur Innenausstattung mit PVC-freien Teppichen und Polstermöbeln aus aufbereiteten Altkunststoffen wären denkbar. Ziel müsste sein, die Lebensdauer jeglicher Erzeugnisse – auch von Gebäuden – so lange wie möglich zu erhalten.

10: DIGITALE HELFERLEIN

Innovative Gebäude- und Heizungstechnik entlastet kräftig beim Energiesparen. Selbst kleine Dinge wie das digitale Heizungsthermostat helfen, den Energieverbrauch auf niedrigem Niveau zu halten. Beim Lüften „denkt“ das Thermostat mit und drosselt die Energiezufuhr. Automatisch schaltende „Energiespar-Assistenten“ steuern den Verbrauch digital und berücksichtigen dabei sowohl individuelle Einstellungen als auch Wetterprognosen. Die Systeme stützen sich auf künstliche Intelligenz und lernen hinzu. Besitzer*innen von Fotovoltaik-Anlagen können sich einen Sport daraus machen, den Strom optimal zu nutzen: Im digitalen Portal sieht man in Echtzeit, wie viel Strom gerade produziert wird und wie viel man nutzt. Viel Sonne – viel Kaffeekochen, Klimaanlage nutzen, Spülmaschine an. Oder gleich einen Batteriespeicher anschaffen, damit man auch abends seinen Spaß hat.Claudia Schneider
| redaktion@regiomanager.de

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