Eine Zimmerei aus Oettingen in Bayern geht mit gutem Beispiel voran: Mit Photovoltaikanlagen wird der Strom selbst erzeugt, den das Holzunternehmen verbraucht, das Restholz wird ebenfalls zur Energiegewinnung verwertet und witterungsunabhängige Arbeitsplätze in einer neuen Fertigungshalle reduzieren die Zahl der Fahrten auf die Baustelle. Nachhaltig eben. Für das Familienunternehmen zählen Umweltziele schon lange zu den Unternehmenszielen wie die Verwendung regionaler Produkte sowie die Schaffung und Erhaltung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Region. Nachhaltiges Denken und Handeln gehört in vielerlei Hinsicht zum Selbstverständnis von Betrieben und Beschäftigten im Handwerk. Viele familiengeführte Handwerksbetriebe arbeiten schon seit jeher nachhaltig: beispielsweise ressourcenschonende Produktionen, gesellschaftliches Engagement in der Region, Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen vor Ort, Wahrung von Kulturgütern und -techniken.
Der Begriff Nachhaltigkeit begegnet uns in vielen Zusammenhängen, im Allgemeinen steht er für Langlebigkeit und Umweltschutz. Doch was ist eigentlich unter Nachhaltigkeit in einem handwerklichen Betrieb zu verstehen? Wie funktioniert ein nachhaltiger Betrieb? Der Begriff selbst stammt aus der Forstwirtschaft und existiert seit mehr als 300 Jahren. Der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) verwendete ihn zur Schaffung eines stabilen Gleichgewichts: Um auf lange Sicht den Waldbestand zu sichern, sollten nur so viele Bäume abgeholzt werden, wie in diesem Wald in absehbarer Zeit auch wieder nachwachsen können. „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein“ – so lautet die Definition des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Potenziale erkennen
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) engagiert sich für das Thema Nachhaltigkeit im Handwerk und hat dazu im Sommer 2020 ein Positionspapier verfasst, in dem die Forderungen aufgeführt und die Rahmenbedingungen genannt werden, die für das nachhaltig wirtschaftliche Handeln des Handwerks notwendig sind. Denn: Das Handwerk ist maßgeblich daran beteiligt, die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) zu erreichen. Dabei geht es um die Sicherung der regionalen Wirtschaftsstrukturen über die Unterstützung von Fachkräftesicherung, nachhaltige Stärkung von Innovationen und die Förderung und Umsetzung der Energie- und Klimawende, um nur einige Kapitel zu nennen. Melanie Becker, Referatsleiterin für Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik beim (ZDH versteht Nachhaltigkeit als Handlungsprinzip, das bei jeder unternehmerischen Entscheidung und Tätigkeit mitbedacht werden kann. „Der ganzheitliche Aspekt der Nachhaltigkeit umfasst alles. Dabei entstehen ganz natürlich Zielkonflikte“, ergänzt sie. „Wichtig ist, dass Betriebsinhaber ihre Kennzahlen kennen: Energie, Ressourcen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Übersicht hilft, Stellschrauben zu finden, um bei Möglichkeit noch nachhaltiger agieren zu können“, sagt Becker. Nachhaltiges unternehmerisches Handeln beinhaltet sowohl ökologische, ökonomische als auch soziale Aspekte. Der Ist-Zustand macht deutlich, was der Betrieb in der Hinsicht sowieso schon macht und was zum Vorteil verändert werden kann. Handwerksbetriebe mit ihren im Durchschnitt fünf bis acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pflegen einen intensiven Austausch und können gemeinsam nachhaltige Strategien entwickeln. Denn nicht für jeden Betrieb ist jede ressourcenschonende Maßnahme sinnvoll. Erst wenn man weiß, was man wie macht, können Lösungen gefunden werden, den Prozess umzugestalten. Doch auch der finanzielle Aspekt muss immer berücksichtigt werden.
Nachhaltigkeit als Chance
Handwerksbetriebe sind oft der Motor für neue Technologien, die Ressourcen schonen, Energie sparen oder diese effizienter nutzen. Nachhaltigkeit bietet auch für Baugewerke sowie für Betriebe im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk, im Kälteanlagenbau und im Elektrohandwerk jetzt und in der Zukunft viel Potenzial. Dabei geht es nicht nur um den Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch um Wettbewerbs- und Marketingvorteile. Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz, die Umweltschutz und Ressourcenschonung mittlerweile immer stärker einnehmen, achten die Kunden zunehmend darauf, wie und wo Produkte hergestellt werden. Daher ist es auch wichtig für Handwerksbetriebe, ihre Nachhaltigkeit zu kommunizieren – auch wenn sie immer schon nachhaltig agieren und kein großes Aufheben darüber machen möchten. Dabei ist ein offizieller Nachhaltigkeitsbericht nicht zwingend notwendig, sondern basiert auf Freiwilligkeit. „Der Aufwand für einen Bericht ist ziemlich groß und ein erheblicher bürokratischer Aufwand“, sagt Melanie Becker. Nachhaltig wirtschaftende Betriebe blicken in die Zukunft und überprüfen ihre Strategie regelmäßig. „Das hat den Vorteil, dass sie auf Veränderungen reagieren können – auch in Krisenzeiten“, sagt Becker. Es ist eine langfristige Strategie mit Weitblick und Flexibilität.
Wie nachhaltig ist mein Betrieb?
Die Handwerkskammer und Innungen vor Ort unterstützen Betriebe mit Beratungsangeboten. Für eine bundesweite Beratersuche kann ein Handwerksbetrieb auch über das Portal BISNET gehen. Auf der Startseite bisnet-handwerk.de geben Sie in das Suchfeld Nachhaltigkeit ein, um alle Berater/-innen zu dem Thema zu finden. Auch der ZDH hat einen Erstcheck auf zdh.de/nachhaltigkeit veröffentlicht, die den Betrieben zur Verfügung steht. Das Projekt „Nachhaltigkeit in Handwerksbetrieben stärken!“ unterstützt Handwerksbetriebe dabei, eine nachhaltige und zukunftsorientierte Unternehmensstrategie zu etablieren. In bundesweiten Workshops wurden gemeinsam mit dem Handwerk dafür kostenlose Management-Instrumente entwickelt. Gefördert wird es durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) durchgeführt. Auf der Internetseite www.nachhaltiges-handwerk.de können Sie mehr darüber erfahren und auch kostenlos checken, wie nachhaltig Ihr Betrieb bereits agiert.Karin Bünnagel
| redaktion@regiomanager.de
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