Städte wie Köln oder Berlin haben es leicht: Mit ihren weltberühmten Wahrzeichen und unverwechselbaren Merkmalen verfügen sie über gute Voraussetzungen für erfolgreiche Markenbildung. Orte mit schlechteren Ausgangssituationen geben sich aber mit Blick auf den Kampf um Touristen, Bürger, Fach- und Führungskräfte nicht geschlagen. Stattdessen arbeiten viele von ihnen zusammen, um gemeinsam regionale Marken zu entwickeln. „Regionalmarketing ist eine schwierige Aufgabe“, sagt Professor Dr. Bernd Günter, von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität im Fachbereich Marketing. „Wichtig ist es zunächst, ein einzigartiges Merkmal zu finden, das heißt, man muss einen Markenkern formulieren, der auf alles andere ausstrahlt.“ Nur dann könne sich eine Marke ins Gedächtnis der Menschen einbrennen und in den Köpfen Assoziationswelten entstehen lassen. „Mit Westerland verbindet man z.B. Badeurlaub mit teurem Lifestyle, mit Köln Dom und Karneval.“ In diesem Sinne müssten auch Regionen analysieren, mit welchen Pfunden sie wuchern können. „Ein Problem besteht oftmals darin, dass große Gebiete sehr facettenreich sind, Vielfalt sich aber nicht als Alleinstellungsmerkmal eignet“, erklärt der Marketingexperte, der selbst an der Entstehung der Marke „Neanderland“ für den Kreis Mettmann mitwirkte. Das heißt jedoch nicht, dass Regionen nicht zur Marke werden können. Ist kein prägnantes Merkmal vorhanden, müsse man eines schaffen. „Die Stadt Bilbao hat es beispielsweise dank der Ansiedlung des Guggenheim Museums geschafft, sich vom runtergekommenen Industrie- und Hafenstandort zur Kulturhochburg mit avantgardistischem Image zu entwickeln.“ Die besonderen Herausforderungen bestehen letztendlich darin, die Region zunächst präzise abzugrenzen, eine geografische Eigenart als Markenkern zu etablieren und die Vorstellungen aller beteiligten Akteure aus Kommunen, Industrie, Wirtschaft, Vereinen, Verbänden oder Handel unter einen Hut zu bringen. Gelingt einer Region dieses Vorhaben, kann die etablierte Marke verschiedene Aufgaben erfüllen: „Sie signalisiert Herkunft, schafft Identifikation, differenziert eine Region von anderen und hebt ein besonderes Qualitätsniveau hervor.“
Südwestfalen schafft Basis
Ein positives Beispiel für erfolgreiches Regionalmarketing stellt Südwestfalen dar. 2007 schlossen sich die Landkreise Siegen-Wittgenstein, Olpe, Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis und Soest zusammen, um gemeinsam zu agieren. „Außerhalb Nordrhein-Westfalens wurde Südwestfalen zuvor nicht als attraktive Region wahrgenommen, weil jeder Landkreis allein zu beliebig ist. Gemeinsam bringen sie aber ein Gewicht auf die Waage, mit dem sie das Zeug haben, auch deutschlandweit zur Marke zu werden“, erklärt Marie Ting, Regionalmarketing-Managerin bei der Südwestfalen Agentur. „Auf der einen Seite haben wir eine starke Wirtschaftskraft, auf der anderen attraktive Lebensbedingungen.“ Da sich beide Aspekte auch zahlenmäßig belegen lassen, entstand der Slogan „Südwestfalen – alles echt!“. In der drittstärksten Industrieregion Deutschlands sind immerhin 150 Weltmarktführer angesiedelt. „Daneben können wir niedrige Kriminalitätsraten, günstige Eigenheim- oder Mietpreise sowie beliebte Naturgebiete nachweisen.“ Mit strategischem Regionalmarketing wolle man nun Fach- und Führungskräfte aus ganz Deutschland von den guten Arbeits- und Lebensbedingungen überzeugen, gleichzeitig aber auch innerhalb der Region ein Bewusstsein für die Stärken Südwestfalens bilden. Ausgangspunkt der Aktivitäten ist die Südwestfalen Agentur GmbH, deren Gesellschafter die fünf Kreise sowie der Verein „Wirtschaft für Südwestfalen“ sind. Letzterer zählt bereits mehr als 200 Mitglieder. „Wir haben noch viel vor, weil es dauert, bis eine Marke sich auf Bundesebene durchsetzt; eine wirklich solide Basis konnten wir aber schon schaffen. In NRW hat sich Südwestfalen bereits – gerade auch im politischen Raum – ganz klar als starke, selbstbewusste und attraktive Marke etabliert.“
Revier analysiert Stärken
Das Ruhrgebiet arbeitet ebenfalls an der Bildung einer Marke, findet als ehemaliger Montanraum und heutige Industrie-, Dienstleistungs- und Forschungsregion aber andere Voraussetzungen vor. Der Regionalverband Ruhr (RVR) plant derzeit eine Standortmarketing-Kampagne, die im Jahr 2017 starten soll. Das Fundament bildet eine Marktanalyse, die im Juni vorgestellt wurde: Diese hat ermittelt, welche Stärken und Schwächen Entscheider aus der Wirtschaft sowie Fachkräfte im In- und Ausland mit dem Ruhrgebiet verbinden. „Mit gut ausgebildeten Fachkräften, hohen Sympathie- und Bekanntheitswerten und ihrer zentralen Verkehrslage ist die Metropole Ruhr besser für den Wettbewerb der Regionen aufgestellt als noch vor der Marktanalyse vermutet“, freut sich RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel. „Diese Stärken, die uns die Imageanalyse nur noch bestätigt hat, gilt es nun gemeinsam mit allen Akteuren der Region aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft weiterzuentwickeln und in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.“ In Zukunft sollen Großprojekte wie die Bewerbung um die Internationale Gartenbauausstellung IGA 2027 oder der Radschnellweg Ruhr (RS1) die Leistungsfähigkeit des Ruhrgebiets weiter dokumentieren. Geplant sind außerdem Veranstaltungen wie die Ruhr Games, die Extraschicht, Messeauftritte bei Expo oder MIPIM sowie zielgruppenspezifische Kommunikation über On- und Offline-Medien. Ziel dieser Aktivitäten ist es, ein authentisches und positives Bild des Ruhrgebiets zu vermitteln und in den Köpfen zu verankern. Gleichzeitig soll die Region im internationalen Wettbewerb positioniert und die permanente Wandlungsfähigkeit der Städtelandschaft kommuniziert werden.
Intensive Zusammenarbeit
Grundsätzlich scheint die Bereitschaft zur Kooperation in Nordrhein-Westfalen stetig zu wachsen. Ein Beleg dafür ist der Zusammenschluss von acht regionalen Entwicklungs- und Marketingorganisationen zur Initiative regionen.NRW. „Unsere Aufgaben ähneln sich: Wir betreiben nämlich alle in unseren jeweiligen Regionen Strukturpolitik, um uns für die Ideen und Bedarfe regionaler Akteure wie Unternehmen oder Kommunen einzusetzen“, sagt Bodo Middeldorf, Geschäftsführer der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, die ebenfalls Teil der Initiative ist. Zwar herrsche in einigen Bereichen auch Wettbewerb; da die Regionen in ihrer inneren Struktur aber sehr unterschiedlich sind, halte sich dieser in Grenzen. „Natürlich möchte jede Region das Beste für sich herausholen; letztendlich können wir aber für jeden Einzelnen mehr erreichen, wenn wir intensiv zusammenarbeiten.“ Neben dem Austausch untereinander und der Organisation von Veranstaltungen treibt regionen.NRW die Zusammenarbeit mit der Landesregierung voran. „Wir bemühen uns, die strukturpolitischen Instrumente des Landes effektiv zu gestalten und einzusetzen. Zudem agieren wir als Schnittstelle zwischen den örtlichen Akteuren und dem Land.“ In Zukunft werde es in NRW vor allem darum gehen, den Wettbewerb um Köpfe zu gewinnen. „Andere Regionen in Deutschland sind bereits gut aufgestellt; Süddeutschland arbeitet beispielsweise mit Vollbeschäftigung und hat seine Prioritäten bei den wirtschaftsfördernden Instrumenten darauf gesetzt, Arbeitskräfte von außen heranzuziehen“, so Middeldorf. „Unsere Priorität ist es jetzt erst einmal, die Menschen in Arbeit zu bringen, die noch keine haben. Danach müssen wir dafür sorgen, dass wir unsere Arbeitskräfte nicht an andere Bundesländer verlieren.“ Im Idealfall sei man eines Tages in der Lage, Menschen aus anderen Regionen nach NRW zu lotsen. Hierbei soll ebenfalls das Regionalmarketing eine Rolle spielen. „In den Regionen ist es unterschiedlich priorisiert: Die einen setzen stärker auf den strukturpolitischen Ansatz, während andere den Fokus auf die Außenwirkung legen. Marketing steht aber bei uns allen im Pflichtenheft.“ Damit eine Marke etabliert werden kann, sei es wichtig, eine Zielgruppe zu definieren. Daneben müsse eine Region vor allem eines sein: authentisch. „Ich bin überzeugt davon, dass es nur dann gelingt, Marketing effektiv zu betreiben, wenn man die Region so darstellt, wie sie ist.“ Schließlich habe jede einzelne von ihnen ihre spezifischen Stärken.
Jessica Hellmann | redaktion@regiomanager.de
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