Im Dezember 2012 hat der Verein „MG 3.0_Masterplan Mönchengladbach e.V.“ den städtebaulichen Masterplan MG 3.0 für Mönchengladbach vorgestellt. Dieser war unter der Federführung des Londoner Architekturbüros Grimshaw Architects entstanden und wurde im Juli 2013 vom Rat der Stadt Mönchengladbach als „Regiebuch“ für die zukünftige Stadtentwicklung verabschiedet. Drei innerstädtische Achsen wurden darin als Entwicklungsschwerpunkte definiert: das Gladbachtal im Norden, die Hochschulachse und die Innenstadt Rheindahlen im Süden. Bereits seit 2013 werden erste Masterplan-Projekte umgesetzt. Der MG 3.0 soll Investoren, Projektentwicklern und Nutzern die Möglichkeit bieten, zukunftsweisende Projekte in Mönchengladbach zu realisieren.
NRM: Herr Hartmann, welche dominanten Trends erkennen Sie aktuell in der Architektur – wohin geht der Weg im Allgemeinen?
Holger P. Hartmann: Es gibt aktuell den ganz klaren Trend einer personalisierten Architektur, das heißt der Entwicklung von hochflexibel skalierbaren Gebäuden, die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dabei geht es darum, Gebäude sowohl im Bereich Wohnen als auch im Gewerbebereich unique und einzigartig anzulegen. Das ist zurzeit unser Ansatz. Ein weiterer Trend, der sich erkennen lässt, ist der, dass es immer mehr Menschen zum Wohnen wieder in die Innenstädte zieht. In den Innenstädten werden sehr viele Flächen, die vorher gewerblich genutzt wurden, revitalisiert und in Wohnraum umgewandelt. Wir erleben aktuell wieder so eine gewisse „Sehnsucht nach Urbanität“. Das ist ein ganz spannender Prozess, den wir auch im gewerblichen Bereich sehen. Denn die meisten Unternehmen wollen ihren Sitz lieber in der Innenstadt haben als in der Peripherie auf der grünen Wiese – „mitten im Leben“.
NRM: Zu den Leistungsschwerpunkten Ihres Büros zählt neben der Projektentwicklung und der Generalplanung auch das Gebiet Masterplanung und Städtebau. Wie sehen Sie als Architekt die städtebauliche Entwicklung im Rheinland?
Holger P. Hartmann: Als Qualität durch Vielfalt. Als Gladbacher leben wir in einer Großstadt, können innerhalb von fünf Minuten am „Landleben“ in gewachsenen Gemeinschaften wie Rheindahlen, Neuwerk oder Liedberg teilhaben oder in 30 bis 45 Minuten Metropolen wie Düsseldorf oder Köln erleben. Der Städtebau muss für dieses Spannungsfeld passende Lösungen erarbeiten: für die Stadt, für das Land und für die Stadtlandschaft dazwischen. Daran arbeiten Hartmann Architekten jeden Tag.
NRM: Betrachten wir einmal Mönchengladbach als größte Stadt am linken Niederrhein: Nimmt Mönchengladbach mit dem 2013 beschlossenen Masterplan MG 3.0 Ihrer Meinung nach eine Vorreiter-Rolle in puncto Stadtentwicklung ein?
Holger P. Hartmann: Natürlich nimmt Mönchengladbach hier eine Vorreiter-Rolle ein, wobei man wissen muss, dass z.B. Köln und Duisburg einen solchen Masterplan sehr erfolgreich schon um einiges früher hatten. Offensichtlich findet die Stärkung der Urbanität einen Widerhall im öffentlichen Raum. Die Erstellung eines Masterplans auf Initiative der Bürger hin ist ein sehr spannender und bemerkenswerter Trend. Denn die Impulse aus der privaten Bürgerschaft werten die kommunale Planung auf und bereichern diese. Die Verlagerung des Staates in die private Hand wird wiederum engagiert von den Städten und Kommunen aufgenommen. Und das ist natürlich fortschrittlich, wenn anhand des Masterplans auf Augenhöhe mit dem Bürger geplant, gebaut und umgesetzt wird, weil dies eine viel reibungslosere Abstimmung ermöglicht. Es geht in der Stadtentwicklung darum, den Bürger „mitzunehmen“. Dieses bürgerschaftliche Engagement, wie es in Mönchengladbach besteht, kann nicht hoch genug angerechnet werden und ist in vielen anderen Städten in Nordrhein-Westfalen in der Form leider noch nicht vorhanden. Insofern kann man Mönchengladbach durchaus zu den Vorreitern in der Stadtentwicklung zählen.
NRM: Ist es Ihrer Ansicht nach als Defizit zu werten, dass der Masterplan lediglich ein informelles und damit nicht bindendes städtebauliches Konzept ist?
Holger P. Hartmann: Ganz im Gegenteil. Ich finde es gerade gut an dem Masterplan, dass er sehr offengehalten ist und eher als „Wegweiser“ konzipiert wurde, nicht als konkret definierter Fahrplan. Herr Dr. Gregor Bonin, Baudezernent der Stadt Mönchengladbach, könnte das Konzept der 2016 politisch beschlossenen Stadtentwicklungsstrategie „mg + Wachsende Stadt“ dazu näher erläutern. Das eröffnet den Stadtplanern, den Architekten und den Bürgern – im Grunde allen Beteiligten – ganz vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Der Masterplan weist lediglich den Weg zu einem möglichen gemeinsamen Ziel, der dann von allen Beteiligten gemeinsam beschritten werden muss. Und das ist das Spannende bei dem Prozess. Solange die Bedürfnisse der Menschen im Fokus stehen, wird der Masterplan auch immer diesen großen Widerhall finden – in der Verwaltung, der Politik und bei den Bürgern. Und das ist ja an sich das Erfolgsrezept. Der Masterplan hat den Vorteil, dass er zahlreiche Ansatzpunkte bietet, sich dort einzubringen und Projekte in den Plan zu integrieren. Unser Architekturbüro prüft bei unseren Projekten immer den Bezug zum Masterplan 3.0 und der städtischen Fortschreibung „mg + Wachsende Stadt“.
NRM: Welche Projekte hat Ihr Architekturbüro im Rahmen des Masterplans MG 3.0 bisher realisiert?
Holger P. Hartmann: Da ist einmal das Quartier B. Kühlen zu nennen. Hier entstand auf einem ehemaligen Druckereigelände ein Bürobau nach neuestem Standard, jedoch unter Erhalt der historischen Backsteinfassade. Dahinter entstehen gerade circa 150 Wohnungen im Neuhof-Quartier. Diese Belebung des historisch gewachsenen Areals setzt neue Impulse. Durch das Schaffen von Urbanität wird das komplette Viertel entwickelt: Aus einer Gewerbefläche wird ein Wohn- und Arbeitsquartier mit Lebensgefühl durch Gastronomie. Ein weiteres aktuelles Projekt ist der Neubau der Unternehmenszentrale der SMS Group, der in zentraler Innenstadtlage mitten im Masterplan MG 3.0-Planungsgebiet liegt. Mit dem SMS Campus entsteht ein ökologisch und ökonomisch komplettes Gesamtsystem. Die Lage bietet einen guten Blick auf den Abteiberg. Altstadt und das Einkaufszentrum sind fußläufig erreichbar. Der SMS Campus wird durch einen Park mit dem Gladbachtal verbunden und schafft gleichzeitig Distanz zur angrenzenden Wohnbebauung. Ein weiteres realisiertes Projekt ist das „Paspartou“ – ein Bürokomplex, der das Entree zum Nordpark Mönchengladbach bildet. Das „Paspartou“ besteht aus zwei sieben Etagen hohen Bürotürmen, liegt direkt am Fußballstadion von Borussia Mönchengladbach und gewährt einen großzügigen Blick auf die umliegende Landschaft. Der durchgängige Sockel trennt das private vom öffentlichen Gelände und ist als verbindende „Plaza“ gestaltet. Die bewusst klar gehaltene architektonische Formensprache ermöglicht eine langfristig flexible Gebäudenutzung. In naher Zukunft würden Hartmann Architekten gern in Mönchengladbach ein Hochhaus auf dem Berliner Platz realisieren. Wir freuen uns auf die neuen, spannenden Herausforderungen in Mönchengladbach sowie den anderen Städten und Kommunen.
NRM: Herr Hartmann, herzlichen Dank für das Gespräch.
Miriam Leschke | redaktion@niederrhein-manager.de
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