Langsam und zögerlich – und dennoch unaufhaltsam. Zahlreiche digitale Helferchen schleichen sich fast unscheinbar in unseren Alltag und werden vielleicht schon bald unentbehrlich sein. Neben Apps und Navigationsgeräten sorgen vor allem die virtuellen Features für großes Aufsehen und Aufbruchsstimmung in den Software-Schmieden Deutschlands. Egal, ob es die virtuelle Brille ist, mit der wir in die Welt der Ozeane abtauchen können, oder das Abrufen zusätzlicher Informationen mit dem Kurzscannen von so genannten QR-Codes, um weitere Informationen zu einem Sachverhalt zu bekommen. Die Arbeits-, Geschäfts-, und Lebenswelt wird zunehmend durch Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen fast unbemerkt verbessert und bereichert. Die Entwicklung, da sind sich viele Fachleute einig, steht erst ganz am Anfang.
Während die Virtual-Reality-Brillen oder Flugsimulatoren für Piloten, die man auch auf Jahrmärkten oder auf Spielkonsolen antrifft, eher noch einem größeren Publikum bekannt sind, dürften Fachanwendungen für Stadtplaner oder virtuelle Darstellungen in der Medizin oder Geologie den meisten bislang recht unbekannt sein. Kennzeichnend für diese Anwendungen sind reale und virtuelle Objekte, die dreidimensional zueinander in Bezug stehen. Dabei geschieht jegliche Aktivität in Echtzeit.
Virtual versus Augmented Reality
Fachleute unterscheiden jedoch erst einmal zwischen Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen, auch wenn sie sich in der Praxis oft überlagern. Während bei der Virtual Reality (kurz VR), also der virtuellen Realität, der Benutzer einer entsprechenden Anwendung völlig in die virtuelle Welt eintaucht, steht bei der Augmented Reality (kurz AR), also der „erweiterten“ Realität, die Darstellung von zusätzlichen Informationen in Form von Bildern, Filmen oder Texten im Vordergrund. Dies geschieht oft über den QR-Code, der per Smartphone-App gescannt wird und damit ein Mehr an Informationen auf dem Display liefert. Gleiches gilt für Entfernungsdarstellungen, die als reale Bilder oder Live-Übertragungen im Fernsehen angezeigt werden. Um diese Funktionen auslösen zu können, bedarf es entsprechender Programme, die Software-Spezialisten programmieren müssen, sodass sie der Nutzer anwenden kann.
Aber noch ganz andere Anwendungen sind zum Beispiel im Multi-Channel-Marketing möglich, weiß Klaus Finken, Managing Partner der LSD-Unternehmensgruppe in Düsseldorf. „Wir sind davon überzeugt, dass das Multi-Channel-Marketing in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und für den Erfolg unserer Kunden entscheidend sein wird.“ Sowohl AR- als auch VR-Technologien seien dazu prädestiniert, die Bindung zu den Kunden und damit den Vermarktungserfolg zu erhöhen.
So können zum Beispiel herkömmliche Verpackungen vom einfachen Gebrauchsgegenstand zu einer Nutzungsfläche für animierte Hintergrundinformationen umfunktioniert oder als Projektionsfläche für die Darstellung von Gebrauchsanweisungen, Service-Leistungen, Promotions oder Verweise auf zusätzliche Dienstleistungen genutzt werden. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Selbst Bestellknöpfe für Zusatzleistungen könnten an die Verpackungen geheftet werden.
Die große Herausforderung derzeit besteht jedoch darin, diese Features mit den richtigen Bestandteilen auszustatten, zum Beispiel den richtigen Kameras, Trackinggeräten oder der anspruchsvoll zu programmierenden Software. Hier hat man in der Vergangenheit noch große Probleme gehabt, die aber von den Entwicklern zunehmend behoben werden. Die entsprechenden AR-Systeme (kurz ARS), aber auch VR-fähigen Endgeräte werden immer ausgereifter und weniger fehleranfällig, insbesondere in der Software.
Viele Anwendungen für Augmented und Virtual Reality
Grundsätzlich stellen die Verkaufsförderung, Werbung, Wissenschaft und Weitervermarktung wohl die interessantesten Einsatzgebiete dar. Aber auch im Verlagswesen ergeben sich über Filme oder Animationen, die man sich über QR-Code direkt aufs Smartphone holen kann, zusätzliche Effekte und Gründe, die jeweilige Heft-Ausgabe zu kaufen, zumal der durch AR generierte Mehrwert wesentlich zur Attraktivität des jeweiligen Produktes beiträgt. So konnte durch die Darstellung von zusätzlichen Videofilmen, die über QR-Code in der Zeitschrift „Abenteuer und Reisen“ abgerufen werden konnten, das Leseerlebnis wesentlich gesteigert werden, wie eine Befragung unter Lesern der Zeitschrift ergab. Die Kombination aus Artikel und Video kommt bei den Lesern von Zeitschriften offenbar besonders gut an, folgern Experten. Dieser neue Zugang zum Produkt oder zur Dienstleistung ist das Markenzeichen von AR und VR, sagen Marketing-Fachleute.
Eine neue und real erscheinende Welt
Im Vergleich zu den mit dem Begriff „Augmented Reality“ benannten Features sind die virtuellen Realitäten noch sinnenumfassender. Die Realität wird weitgehend ausgeblendet und durch eine andere virtuelle ersetzt. Dieser virtuelle Raum wird über entsprechende Technologien, z. B. eine Spezial-Brille oder eine Fotokamera bzw. einen Monitor, abgebildet. Und auch hier kann man über sehr unterschiedliche, aber wirkungsvolle Anwendungen den Endverbraucher bzw. Nutzer erreichen. Nicht nur der Einkauf im Elektronik- oder Supermarkt lässt sich dann vom heimischen Sofa steuern, indem man den Einkauf im Fernsehen durch Bewegtbild nachbildet, sondern es lassen sich gleichzeitig, vorher oder danach, auch Daten und Erkenntnisse über das Kaufverhalten oder den Käufertypus sammeln. Selbst Events können sehr plastisch als real dargestellt oder simuliert werden. Bei der Speicherung von Informationen ist aber noch Vorsicht geboten. Denn in der Frage nach dem angemessenen Schutz dieser Daten stehen selbst Fachleute noch ganz am Anfang.
Der Ausblick
Neben Unterhaltungs- und Shopping-Features im privaten Bereich werden zunehmend auch Anwendungen für die Industrie interessant, vor allem für die Erstellung von virtuellen Prototypen, für ergonomische Bewertungen und Produktionsplanungen, aber auch für virtuelles Training oder räumliche Studien – beispielsweise in der Geologie. Weitere Einsatzgebiete sind Visualisierungen in Architektur, Medizin, Chemie, Energie und Edutainment (z. B. Virtual Cultural Heritage). Der therapeutische Einsatz von virtueller Realität wird unter dem Stichwort „virtuelle Rehabilitation“ untersucht.
Sollten das Übertragen der notwendigen hohen Datenmengen und das Problem der Versorgung mit ausreichend Energie der jeweiligen Geräte bald gelöst sein, dürften kostengünstige Anwendungen nur noch eine Frage der Zeit sein. Dann sollte einem größeren Marktauftritt von Augmented- und Virtual-Reality-Anwendungen nichts mehr im Wege stehen, sagt zumindest Johannes Behr, Leiter der Abteilung Visual Computing System Technologies beim Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt. Das aber seien nicht die einzigen Voraussetzungen. Auch die Fülle der Anwendungen insgesamt müsse weiter steigen. Denkbar seien in Zukunft beispielsweise spezielle dreidimensionale Hologramme, so genannte Holodecks. Aber auch durch Verschönerung der Umwelt durch Darstellung von virtuellen Pflanzen, Tapeten, Kunstwerken, Beleuchtungen, Naturpanoramen bis hin zu virtuellen Schaufenstern, Plakaten oder sogar Verkehrsschildern könnten besonders holografische Anwendungen unser Leben bereichern. Dr. Martin Steffan | redaktion@niederrhein-manager.deDr. Martin Steffan | redaktion@regiomanager.de
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