Management

Produktpolitik für den Mittelstand

Subjektive Qualität und Markenbindung als Erfolgskonzept.

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von Regiomanager 01.05.2016

Was haben ein moderner Porsche 911 R und eine Lada Sputnik aus dem Jahre 1984 gemeinsam? Sie sind Güter des alltäglichen Gebrauchs, Ausdruck der Produktpalette ihrer Hersteller und im Kern mit dem gleichen Grundnutzen ausgestattet: Sie erlauben ihren Nutzern die Fortbewegung von A nach B. Gleichwohl sind sie Ausdruck zeitgemäßer Produktpolitik und dienen im Rahmen unserer Serie „Marketing für den Mittelstand“ als Einstieg in die Welt des Marketingmix (Teile 2-5 der Serie). Die Produktpolitik befasst sich im Kern mit der Frage, welche Produkte und Dienstleistungen angeboten werden sollen. Produktentwicklung, -einführung, -pflege, -modifikation sowie -elimination gehören dabei zu den zentralen Fragen. Eng hiermit verbunden sind auch das Angebot ergänzender Produkte und Dienstleistungen, die Gestaltung von Verpackungen und Präsentationsformen sowie die Markenbildung. Da sich die Produktpolitik nicht nur namentlich, sondern ganz konkret mit den Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens beschäftigt, nimmt sie innerhalb des Marketingmix eine zentrale Rolle ein. Nun mag man zunächst geneigt sein, die Produktpolitik vornehmlich von ihrer technischen Seite zu betrachten: benötigte Rohstoffe, vorhandene Technologien und Maschinen oder nötige Investitionen. Dies ist im Ansatz korrekt, doch sollte man Produktpolitik auch gemäß der Idee verstehen, dass Produkte vielfältige Nutzenfacetten aufweisen und primär dazu dienen, Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und Zahlungsbereitschaft abzuschöpfen. Genau hierauf liegt also der Fokus der Produktpolitik, wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln, einzuführen, zu pflegen, zu modifizieren oder aus der Angebotspalette zu eliminieren und das Unternehmen somit gegenüber den Kunden und Wettbewerbern zu positionieren. Als Beispiel kann man die Modellpalette des Sportwagenherstellers Porsche anführen. So bedienen die Schwaben neben dem klassischen Sportwagensegment (911er) auch den wachsenden SUV-Markt (Cayenne) oder das Segment der Familienlimousinen (Panamera). Hier zeigt sich die Programbreite der Autobauer. Die Programtiefe dagegen wird über die verschiedenen Varianten gleicher Modelle wie Panamera Diesel oder Panamera Turbo Executive ersichtlich. Programbreite und -tiefe bestimmen die Produktpalette. Diese folgt den Bedürfnissen bzw. der Zahlungsbereitschaft der Käufer und bietet Produkte, die sich in ihrem Nutzen voneinander unterscheiden. Gemeint ist dabei nicht nur der einfache Grundnutzen wie beim Eingangsbeispiel zwischen Lada und Porsche, sondern der ganzheitliche Nutzen eines Produkts. Lassen Sie uns daher einen Blick auf die Definition von Produkt und Nutzen werfen.

Königlicher Hoflieferant
mit Geltungsnutzen

Ein Produkt lässt sich vereinfacht als Bündel von nutzenstiftenden Komponenten beschreiben. Beim Nutzen wiederum lässt sich differenzieren zwischen Grundnutzen, Erbauungsnutzen und Geltungsnutzen, wobei die zuletzt genannten zusammengefasst werden als Zusatznutzen. Dieser kann sich ergeben durch die Geschwindigkeit des Porsche, dessen Wert als Statussymbol oder die Allrad­tauglichkeit eines Lada. Lassen Sie uns ein weiteres Beispiel betrachten, das die Besonderheiten des Zusatznutzens noch besser beleuchtet. So kann man den Grundnutzen von Edelsteinen aus dem Hause Fabergé als schmückenden Gegenstand beschreiben. Der Edelstein unterscheidet sich in seinem Grundnutzen als schmückender Gegenstand jedoch nicht von billigen Kunststeinen, da diese auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden sind. Der hohe Preis resultiert daher in hohem Maße aus dem Erbauungsnutzen der Edelsteine, welchen diese erfahren, wenn sie in Gold oder Platin eingefasst und in Form von Ringen, Broschen oder Ketten vermarktet werden. Zwar unterscheidet sich der Schmuck von Fabergé dann von Modeschmuck, nicht aber von dem anderer Manufakturen wie Wellendorff oder Pomellato. An dieser Stelle kommt der Geltungsnutzen ins Spiel. Dieser resultiert aus einer exklusiven Beratung, hochwertigen Showrooms und insbesondere einer außergewöhnlichen Unternehmenshistorie, unter anderem als königlicher Hoflieferant des Zaren und weiterer europäischer Königshäuser für die weltberühmten Fabergé-Eier: Das Unternehmen Fabergé hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine Aura als exklusives Statussymbol erschaffen und unterscheidet sich dadurch von anderen Wettbewerbern, die qualitativ vergleichbaren Schmuck anbieten. Wer ein Fabergé-Collier trägt, taucht also gewissermaßen ein in die Welt der Königshäuser – was einen deutlich höheren Preis durchaus rechtfertigt.
Nicht anders war das mit den ersten Nutzern des iPod, die im Oktober 2001 ihre weißen Kopfhörer als Statussymbol in den Ohren aller Welt zur Schau trugen. Weiße Kopfhörer waren Kult und ein Alleinstellungsmerkmal, bis andere Hersteller sich ebenfalls der Farbe bedienten. Qualitativ waren Kopfhörer anderer Hersteller bei Haptik oder Klangerlebnis vielleicht besser als die Apple-Produkte, doch das war den Nutzern egal.

Subjektive Qualität
ist Trumpf

Für das Marketing ist die subjektive Qualität entscheidend und nicht die objektive. In der Regel wird der Hersteller eines Produkts der Auffassung sein, ein tolles Produkt entwickelt zu haben. Doch wenn der Kunde bestimmte Nutzenkomponenten nicht sieht oder benötigt, dann spielen diese für seine subjektiv empfundene Qualität keine Rolle – und er ist auch nicht bereit, hierfür mehr Geld auszugeben. Ein Beispiel aus der Medizintechnik soll dies verdeutlichen. So sind Atemtherapiegeräte Made in Germany mit dem Zusatznutzen „geräuscharm“ und „klein“ ausgestattet. Diese Eigenschaften werden von Kunden in Europa oder Nordamerika erwartet, machen das Produkt jedoch teurer in der Herstellung. Ganz anders ist es auf dem indischen Markt. Hier ist das Qualitätsmerkmal „geräuscharm“ nicht von Relevanz. Inder schlafen vielfach bei eingeschalteter Klimaanlage, die viel lauter ist als das Atemtherapiegerät. Der Zusatznutzen entfällt. Beim Qualitätsmerkmal „klein“, also der Kompaktheit des Geräts, kann dies in den Augen eines Inders sogar ein Manko sein. Denn erst durch seine optische Präsenz kann das teure Gerät Made in Germany auch als – für jedermann sichtbares – Statussymbol deutscher Technologie genutzt werden. Als Mittelständler kann man diesen Problemen mehr oder weniger mittels Erweiterung oder Modifikation der eigenen Produktpalette begegnen.

Markenbindung
und Kundentreue

Im finalen Part unseres Beitrags zur Produktpolitik möchten wir uns noch kurz dem Thema der Marke annähern. Erste Ansätze der Markenbildung lassen sich bereits im Mittelalter finden. Heute kennen wir Eigennamen wie Tempo, Symbole wie das goldene M, Zahlenkombinationen wie 4711, Akronyme wie Haribo oder Phantasieworte wie Fanta als Marken. Allen Marken ist gemein, dass sie die Differenzierung im Wettbewerb und die Wiedererkennbarkeit erleichtern. Auch können sich Nutzer mit einer Marke identifizieren – denken Sie nur an die unbeirrbaren Mac-User in den 1990ern. Dieses Phänomen nennt man dann Markenbindung. Diese lässt sich auch anhand von Marken- oder Lieferantentreue beobachten. So ist das Lager der Profifotografen, unabhängig von technischen Daten wie Megapixel, Dynamikumfang oder Bildqualität, bis heute geteilt in die Anhängerschaft von Canon und Nikon. Auch orientieren sich Fotografen weniger am aktuellen Preis ihres Equipments bei Onlinehändlern, sondern vertrauen auf langjährige Beziehungen zu den von ihnen präferierten Händlern vor Ort. Diese wiederum bieten anders als Onlinehändler Service und Beratung und sichern sich mit diesem Zusatznutzen die Treue ihrer Kunden. Produktpolitik ist allgegenwärtig und kann – richtig verstanden sowie geschickt angewandt – bereits bei der Produktentwicklung zu einem mächtigen Tool in Ihrem Werkzeugkasten des Marketings werden.
André Sarin | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

(Foto: ©Africa Studio – stock.adobe.com)

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