Immobilien zu erwerben, war noch nie so günstig wie heute. Der dauerhaften Niedrigzinspolitik von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sei Dank. Die aktuellen Zinstabellen für Immobilienkredite, die die Stiftung Warentest mit Datum vom 1. August 2019 veröffentlicht hat, zeigen es: Schon ab 0,52 Prozent gibt es die Finanzierungen. Zum Vergleich: Vor der Finanzkrise, also vor etwas mehr als zehn Jahren, wurden für Hypothekendarlehen noch über fünf Prozent fällig.
Allerdings kommt bei weitem nicht jeder Immobilienerwerber in den Genuss eines Zinssatzes von etwa einem halben Prozent. Diese günstigen Konditionen gibt es nur für Kreditnehmer mit guter Bonität. Sie gelten für eine Laufzeit von zehn Jahren und einen Kaufpreis in Höhe von 300.000 Euro, von dem 60 Prozent finanziert werden. 40 Prozent Eigenkapital muss der künftige Immobilienbesitzer also schon mitbringen. Doch auch wer nicht so viel Geld auf der hohen Kante hat, kann von den aktuellen Niedrigzinsen durchaus profitieren. Dafür sollte aber mit spitzem Bleistift gerechnet werden.
Zunächst einmal muss sichergestellt werden, dass die gesamte Finanzierung – also Zins und Tilgung – auch dann noch bedient werden kann, wenn durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit vorübergehend ein Teil des Einkommens ausfällt. Wie hoch die maximale Rate sein darf, sollten sich künftige Immobilienbesitzer unbedingt ausrechnen lassen – und zwar nicht nur von einem Bankberater. Gut ist es, immer mehrere Finanzierungsangebote einzuholen. Eine Faustformel besagt aber, dass die monatliche Rate 35 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen sollte.
Möglichst lange Zinsbindung vereinbaren
Natürlich hat es große Vorteile, sich die niedrigen Zinsen jetzt für möglichst lange Zeit zu sichern. Zwar tun sich Finanzexperten schwer damit zu prognostizieren, wann die EZB den europäischen Leitzins wieder heben wird. Unwahrscheinlich ist aber, dass er über die kommenden 15 bis 20 Jahre auf dem aktuellen Rekord-Tief verharren wird. Und Immobilienfinanzierungen laufen nun einmal über viele Jahre. Daher ist es ratsam, für eine Kreditlaufzeit von etwa 20 Jahren eine Zinsbindung von möglichst 15 Jahren zu vereinbaren.
Andererseits sollten sich Kaufinteressenten durch das Angebot einer solchen langfristigen Zinsbindung nicht übereilt für eine Finanzierung entscheiden. Denn selbst für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass die Zinsen für Immobilienkredite in den kommenden Monaten anziehen sollten, wäre kaum ein Anstieg von mehr als 0,25 Prozent zu erwarten. Wer ein solches minimales Mehr nicht verschmerzen kann, sollte am besten noch einmal grundsätzlich über den Immobilienkauf oder den Hausbau nachdenken.
Aufpassen müssen Bauherren oder Immobilienkäufer auch bei der Tilgung. Gefährlich ist es, zusätzlich zum niedrigen Zins auch noch einen extrem niedrigen Tilgungssatz etwa von einem Prozent zu wählen. Damit fällt die monatliche Rate vielleicht sogar geringer aus als die aktuelle Miete. Aber: Eine extrem niedrige Tilgung führt dazu, dass das Darlehen nur sehr langsam abgetragen wird. Und wer möchte schon im Alter von 70 Jahren noch immer den Immo-Kredit abstottern? Zudem steigt mit zunehmender Laufzeit die Gefahr, dass Krankheit, Arbeitslosigkeit oder andere unglückliche Umstände die Rückzahlung plus Zins verhindern. Darüber hinaus wird bei einer sehr langen Laufzeit sogar ein mehrfacher Zinsanstieg wahrscheinlich.
So wird finanziert
Für eine Immobilienfinanzierung bietet sich vor allem das übliche Annuitätendarlehen an oder auch ein Kombikredit einer Bausparkasse. Bei einem Annuitätendarlehen, das Banken zur Verfügung stellen, setzt sich die monatliche Rate aus Zins- und Tilgungsanteil zusammen. Zwar bleibt die Rate über die gesamte Laufzeit hinweg gleich hoch. Weil sich die finanzierte Summe aber mit jeder Rate verringert, sinkt der Zinsanteil, was wiederum mehr Luft für den Abtrag lässt. Somit geht die Tilgung mit zunehmender Laufzeit immer schneller.
Wer nicht erst mit einem üblichen Bausparvertrag jahrelang ansparen, sondern direkt in die eigenen vier Wände möchte, kann außerdem Kombikredite von Bausparkassen nutzen. Bei einem solchen Produkt schließt der Häuslebauer einen Bausparvertrag über die gewünschte Kreditsumme ab, zum Beispiel 100.000 Euro. Diese bekommt er über ein Vorausdarlehen sofort zur Verfügung gestellt. Für dieses Vorausdarlehen bezahlt er Zinsen, er tilgt aber nicht. Parallel wird ein Bausparvertrag angespart.
Die monatliche Belastung setzt sich also aus der Bauspar-Rate und dem Zins für das Vorausdarlehen zusammen. Der Bausparvertrag wird zugeteilt, wenn mindestens 40 Prozent der Bausparsumme angespart sind, im Beispiel also bei 40.000 Euro. Mit der Bausparsumme, die sich aus den ersparten 40.000 Euro und einem Bauspardarlehen in Höhe von 60.000 Euro zusammensetzt, löst der Sparer das Vorausdarlehen ab. Und zahlt von da an das Bauspardarlehen in gleichbleibenden Raten mit Zins- und Tilgungsanteil ab. Dabei funktioniert etwas, wovor jeder Finanzexperte regelmäßig warnt: Einen Kredit aufzunehmen und gleichzeitig zu sparen, ist normalerweise Unfug. Immerhin bekommt der Immobilienfinanzierer auf sein Sparguthaben nur sehr geringe Zinsen, während er für das Vorausdarlehen einen deutlich höheren Prozentsatz bezahlt. Aber: Die garantiert niedrigen Zinsen für das spätere Bauspardarlehen machen diese Differenz in vielen Angeboten wett.
Vorwurf der Intransparenz
Doch da ist noch der Vorwurf der Intransparenz. Dieser bezieht sich vor allem auf die undurchsichtigen Effektivzinsen. Bei einem Kombidarlehen hat man einen Sparzins, einen Zins für das Vorausdarlehen und einen weiteren für das Bauspardarlehen. Den Gesamteffektivzins, in den sämtliche Kosten der Finanzierung einfließen, nennen die meisten Bausparkassen jedoch nur bei Kombikrediten mit Riester-Förderung. Bei nicht geförderten Verträgen sind sie anders als Banken nicht zur Angabe verpflichtet.
Andererseits ist der Effektivzins nicht die einzige Größe für den Vergleich verschiedener Kreditangebote. Ob nun ein Kombikredit der Bausparkassen oder ein Hypothekendarlehen einer Bank günstiger ist, muss sich ohnehin jeder künftige Bauherr oder Käufer individuell berechnen lassen. Wer eine Immobilie bauen oder kaufen möchte, sollte sich einfach genau überlegen, welche monatliche Rate er sich dauerhaft erlauben kann und wie lang die maximale Laufzeit sein soll. Damit kann der Käufer oder Bauherr in spe dann zu verschiedenen Banken und Bausparkassen gehen und sich Angebote erstellen lassen.
Andrea Martens I redaktion@regiomanager.de
INFO
Bankdarlehen versus Kombikredit
Für Kombikredite ist mehr Eigenkapital nötig.
Das ist richtig. Die meisten Bausparkassen vergeben Kombikredite bis zu maximal 80 Prozent des Immobilienpreises. Institute, die mehr finanzieren, haben sehr teure Konditionen. Hier ist ein Bankdarlehen die bessere Alternative. Allerdings: Wer weniger als 20 Prozent Eigenkapital hat, sollte sich ohnehin gut überlegen, ob die eigenen vier Wände nicht noch etwas warten können.
Auch Hypothekendarlehen sind zinssicher.
Stimmt. Auch für ein Hypothekendarlehen einer Bank ist es möglich, eine Zinsbindung von mehr als 20 Jahren zu vereinbaren. Die Zinsen liegen zum Teil über denen für Kombikredite, doch es gibt auch günstige Angebote.
Kombikredite sind unflexibel.
In der Tat kann die Tilgung und damit die Laufzeit bei einem Kombikredit nicht selbst gewählt werden. Bei einem Bankdarlehen ist das möglich. Hier ist das Hypothekendarlehen deutlich im Vorteil.
Sondertilgungen erhöhen den Effektivzins.
Kritiker geben zu bedenken, dass gerade der günstigste Teil eines Kombikredits, der Effektivzins für das Baudarlehen, durch Sondertilgungen verteuert werde. Denn wenn das Darlehen schneller getilgt ist, beziehen sich bestimmte Kosten der Finanzierung auf eine kürzere Laufzeit. Allerdings ist niemand zu Sondertilgungen verpflichtet.
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