Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall gerät, wird regelmäßig durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer möglichst schon an der Unfallstelle kontaktiert, die Schadenregulierung von dort zu übernehmen. Angeboten werden der eigene Sachverständige, die eigene Werkstatt, ein kostenloser Mietwagen usw. Das bezeichnet die Versicherungswirtschaft als aktives Schadenmanagement. Kostenmanagement zugunsten der Versicherungswirtschaft beschreibt es wohl zutreffender.
Ein Geschädigter hat Anspruch auf den Geldbetrag, den er für die Instandsetzung seines beschädigten Fahrzeugs benötigt. Der Geschädigte allein bestimmt jedoch die Reparaturwerkstatt, den Sachverständigen und ob und bei wem er ein Ersatzfahrzeug anmietet oder ob er pauschalen Nutzungsausfall in Geld fordert. Schon der von der Versicherungswirtschaft beauftragte Sachverständige wird versuchen, die Instandsetzungskosten zu minimieren.
Erhebliche Folgen hat dieses Schadenmanagement auch bei einer fiktiven Abrechnung. Ein Geschädigter muss sein Fahrzeug nicht reparieren lassen. Er kann auch den Geldbetrag für die Reparatur, dann aber ohne die voraussichtliche Umsatzsteuer, beanspruchen. Auch hier werden natürlich die Schadenpositionen unberechtigt klein gerechnet.
Hat ein Geschädigter einen Sachverständigen und dann die Reparatur bei seiner Werkstatt beauftragt, endet das aktive Schadenmanagement nicht, sondern setzt sich mit einer „Prüfung“ durch den Versicherer fort. Ein Laie weiß nicht, dass ein solches Prüfergebnis ohne rechtliche Relevanz ist. Das sog. Werkstatt- bzw. Prognoserisiko bezogen auf den Schaden geht allein zulasten des Schädigers. Selbst wenn zu hohe Kosten abgerechnet worden wären, wären diese zu ersetzen, weil ein Streit über die erforderlichen Kosten nicht auf dem Rücken eines Geschädigten ausgetragen werden soll. Unabhängig davon handelt es sich mitnichten um „Prüfungen“, sondern um das Ergebnis von Computerprogrammen, die nach Vorgabe der Versicherungswirtschaft berechnen und so zu gewünschten Prüfergebnissen gelangen. Gekürzt werden Verbringungskosten für den Transport zum Lackierbetrieb, coronabedingte Desinfektionskosten, Probefahrten nach der Reparatur, Entsorgungskosten für Altteile usw. Dass auch diese Kosten zu ersetzen sind, entspricht der Rechtsprechung und Literatur, wird aber von der Versicherungswirtschaft im Sinne einer Kostenminimierung negiert, denn Geschädigte scheuen häufig die gerichtliche Auseinandersetzung.
Stets werden nur kleinere Beträge aus den Rechnungen gekürzt, so dass die Dienstleister, nämlich der Reparaturbetrieb, der Sachverständige und die Mietwagenunternehmen die Auseinandersetzung mit ihren Kunden natürlich scheuen. Und genau das entspricht dem Kalkül der Versicherer. So wirkt das Schadenmanagement gleich doppelt: Der Dienstleister will mit der Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs den Kunden nicht verprellen. Der Kunde scheut die rechtliche Auseinandersetzung. Und: Dem Geschädigten wird suggeriert, dass beispielsweise die Werkstatt überhöhte Rechnungen gestellt hat, was nicht zutreffend ist, weil die Werkstatt die Reparatur auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens durchgeführt hat.
Geschädigte und Dienstleister haben gleichgerichtete Interessen, dass nämlich der entstandene und durch Rechnung nachgewiesene Schaden vollständig ersetzt wird.
Deshalb sollte die Schadenregulierung von Anfang an in die Hände versierter Verkehrsrechtsanwälte übergeben werden, damit das ersetzt wird, was ersetzt werden muss. Die entstehenden außergerichtlichen Kosten für den Rechtsbeistand hat nämlich der verantwortliche Versicherer zu tragen.
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