„The Edge“ in Amsterdam hat international den Ruf als das nachhaltigste und wahrscheinlich intelligenteste Bürogebäude der Welt. Zukunftsweisende Architektur thront auch in der Hauptstadt: „cube berlin“, ein moderner Kubus, umhüllt von einer imposanten Glasfassade. „The Spiral“, ein 65-stöckiges Luxus-Bürogebäude in New York, wurde von Bosch mit einer zentralen Gebäudeautomation ausgestattet, die eine Armada von Sicherheitslösungen und Systeme zur Lichtsteuerung überwacht. Ob der cube berlin, The Ship in Köln, SpringPark Valley in Bad Vilbel oder Hammerbrooklyn in Hamburg: immer mehr Gebäude verfügen über ein digitales Gehirn, das Daten der Nutzer und des Betriebs sammelt, analysiert und sich anschließend den individuellen Bedürfnissen anpasst. Sensoren und digitale Datenerfassung ermöglichen detaillierte Nutzungsprofile von Gebäuden und Anlagen in Echtzeit.
„Smart Building“, heißt diese Entwicklung, bei der es um die intelligente Vernetzung und Automation in Zweckgebäuden – also Büroimmobilien, Flughäfen und Einkaufszentren oder Logistikimmobilien – geht, bei der mit Hilfe der Technologie Internet of Things (IoT) jede vorhandene Technik miteinander vernetzt ist, um eine Automation von Vorgängen zu ermöglichen.
Künstliche Intelligenz vernetzt
Schon bald sind wir von schlauen Alltagsgegenständen umgeben, die untereinander kommunizieren. Dank intelligenter Analyse aller Daten kann das Gebäude vorausschauend handeln: Arbeitsplätze werden maßgeschneidert temperiert, Lichtverhältnisse individuell zugeschnitten. So ist der Fahrstuhl schon da, bevor er per Knopfdruck angefordert wurde und die Anzahl an Mittagessen in der Kantine ist auf die im Gebäude befindliche Personenzahl abgestimmt. Das smarte Gebäude verfügt über individualisierte digitale Navigationsangebote, die jeden Einzelnen an den richtigen Punkt im Gebäude leiten und ihn – wenn gewünscht – auf dem Weg mit passenden Informationen versorgen. Schließlich bietet das Smart Building auch in puncto Sicherheit große Verbesserungen: Es gewährt nicht mehr nur passiv Schutz, sondern reagiert aktiv auf sicherheitsrelevante Veränderungen wie einen erhöhten CO²-Wert, Temperaturanstiege oder eine nicht autorisierte Person im Gebäude. Künstliche Intelligenz (KI), das sogenannte „Brain“, verknüpft unter höchsten IT-Sicherheitsstandards alle technischen Anlagen, Sensoren sowie Planungs-, Betriebs- und Nutzerdaten intelligent miteinander und steuert so die Prozesse im Gebäude in optimaler Weise.
Komfort soll steigen
Dabei bildet sich das „Gehirn“ ständig weiter. Es lernt aus den Daten des Betriebs, der Nutzer und der Umwelt und formuliert daraus Verbesserungsvorschläge. Es erkennt einen Reparaturbedarf selbstständig, im Idealfall schon beim Verschleiß ohne Ausfall, informiert den Service-Mitarbeiter und navigiert ihn mit genau definierten Zugangskontrollen zur entsprechenden Anlage. Werden Flächen beispielsweise nicht genutzt, nimmt das System dies wahr und schaltet die Anlagen in diesen Bereichen – Heizung, Kühlung, Lüftung oder Licht – gezielt ab. Ein sinnvoll aufgebautes Tracking mittels Sensoren macht darüber hinaus die zurückgelegten Wege von Personen in den Gebäuden transparent. Das hilft, Arbeitsabläufe immer besser zu verstehen, deren Effizienz zu erhöhen und auch die Arbeitswelten an die echten Bedürfnisse der Nutzer anzupassen. Das Ziel der Vernetzung: Der Komfort soll steigen, der Energieverbrauch sinken.
Problem Cyberkriminalität
Aber ein Bürogebäude mit tausenden und somit signifikant mehr vernetzten Sensoren bietet auch deutlich mehr Angriffspunkte und „Einfallsvektoren“ für Cyberkriminelle. „Handelbar“ sagen die einen, andere warnen. Kompatibilitätsprobleme zwischen unterschiedlichen Softwarelösungen, das Fehlen von Fachkräften sowie Schwierigkeiten beim Informationsaustausch mit anderen Projektbeteiligten könnten Gründe dafür sein, dass die smarte Zukunftstechnologie auch mit Skepsis beobachtet wird. „Das Thema ist nicht sehr präsent, weshalb wir uns ungern dazu äußern möchten“, heißt es etwa beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). „Vornehme“ Zurückhaltung auch bei anderen Verbänden und Akteuren der digitalen Branche, bei Playern der Gebäudeautomation. Woran liegt es dann, dass so manche Bauherren, Unternehmen, Projektentwickler und Planer zögern, digitalisierte Bauvorhaben zu realisieren und sich in die neuen Technologien einzuarbeiten? Die technischen Herausforderungen und die Sorge um eine zeitaufwendige Umsetzung scheinen zu bremsen. So beklagen Handwerksunternehmen nach Aussage des Zentralverbandes das Fehlen qualifizierter Fachleute. Sie sind überzeugt, dass die Komplexität der Installation abnehmen und Smart Home Systeme preiswerter werden müssen.
Der Markt explodiert
Der Markt für intelligente Gebäude wurde im Vorjahr auf 83 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll mit einer jährlichen Wachstumsrate von 14 Prozent nahezu explodieren. Smart Buildings verursachen durchschnittlich bis zu 26 Prozent weniger Betriebskosten und bis zu 24 Prozent weniger Energieverbrauch im Vergleich zu konventionellen Gebäuden, analysiert die Deloitte-Studie. Aktuell betragen die Kosten für eine intelligente Immobilie rund plus/minus fünf Prozent der Gesamtinvestition. Das scheint überschaubar. Entsprechend optimistisch gehen die Marktführer für intelligente Gebäude die Thematik an und fordern Initiative. „Damit die Weltmarktstellung der deutschen Industrie erhalten bleibt, müssen wir reagieren, da sonst die Wertschöpfung an anderer Stelle entsteht“, appelliert Michael Schidlack von Siemens.
„Lebende Organismen“
„99 Prozent der heutigen Gebäude sind nicht smart. Die Digitalisierung kann Gebäude von passiven Strukturen zu lebenden Organismen machen, die mit ihren Bewohnern interagieren, von ihnen lernen und sich letztendlich an ihre veränderten Bedürfnisse anpassen. Das ist ein gewaltiger Sprung in der Evolution von Gebäuden“, sagt sein Vorstands-Kollege Cedrik Neike. Für jedes Gebäude, unabhängig von seinem Alter, gebe es Hebel, um Energieverbräuche und CO²-Emissionen zu reduzieren.
Wichtig sei die Verknüpfung der Daten aus allen Bereichen des Gebäudes. „Ein kommerzielles Gebäude wird smart, wenn die Verknüpfung der einzelnen Gebäudetechnik-Komponenten ermöglicht wird, sowie die gewerkeübergreifende Kommunikation stattfindet“, schließt sich Bosch der Prognose des Zukunftsinstituts Deutschland an: „2040 werden fast alle Gebäude automatisiert sein und über innovative Gebäudesteuerungen verfügen“.
„Bestand ertüchtigen“
„Wir brauchen im Gebäudesektor dringend eine Effizienzwende, um nachhaltig CO² einzusparen. Die wird möglich durch das smarte Zusammenspiel von Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung. Wenn wir elektrische Energie clever erzeugen, nutzen, speichern und verteilen, dann reduzieren wir nicht nur dauerhaft die Betriebskosten, sondern tragen maßgeblich dazu bei, die Klimaziele zu erreichen. Das bedeutet aber auch, dass die elektrische Infrastruktur bei älteren Gebäuden ertüchtigt werden muss“, verdeutlicht Sarah Bäumchen, Geschäftsführerin beim Verband der Elektro und Digitalindustrie (ZVEI) Hürden, fordert zugleich aber Anstrengungen für die Technik der Zukunft.
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