Produktion

Stanzen, Ziehen, Walzen …

Die Branche der Metallbe- und -verarbeiter präsentiert sich vielfältig – doch alle Bereiche leiden trotz guter Konjunktur unter explodierenden Stahlpreisen.

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von Regiomanager 01.05.2017
(Foto: © tum2282 _stock.adobe.com)

Sie
sind Spezialisten, manchmal kleinste Zulieferer, aber auch weltweit
agierende Konzernunternehmen, die sich dem Werkstoff Metall widmen und
als Metallbe- und -verarbeiter stanzen, ziehen, walzen, drücken, lasern,
schneiden, kanten, schleifen, bohren, drehen, fräsen, sägen, biegen,
gießen, schmieden und schweißen. Die Branche ist weitgefächert, kaum
eindeutig abzugrenzen, aber durch enge Verknüpfungen als Partner in der
Wertschöpfungskette mit fast allen Wirtschaftszweigen eng verbunden. Die
Stahl- und Metallverarbeitung zählt nach Umsatz und Beschäftigtenzahl
zu den zehn großen, mittelständisch geprägten Industriezweigen in
Deutschland. Die etwa 5.000 Betriebe mit rund 500.000 Beschäftigten
erwirtschaften einen Umsatz von 83 Milliarden Euro. Zu den Kunden
gehören u.a. die Automobilindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau, die
Elektronik- und Elektroindustrie, der Bau- und Einzelhandel sowie die
Bauwirtschaft. Die Unternehmen sind überwiegend kleine und mittlere
Betriebe, davon haben die meisten (79 Prozent) weniger als 100
Beschäftigte. 19 Prozent der Betriebe beschäftigen 100 bis 500
Mitarbeiter und nur in zwei Prozent der Betriebe arbeiten mehr als 500
Menschen. Die Unternehmen selbst sind wichtige Kunden der Stahlerzeuger.
Sie verarbeiten 20 Millionen Tonnen Stahl im Jahr – rund 40 Prozent der
deutschen Stahlproduktion.

Nähe zur Stahlindustrie

Aus
der Nähe zur Stahlindustrie resultiert eine starke Konzentration der
Branche auf Nordrhein-Westfalen: Fast die Hälfte der im
Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) registrierten
Betriebe produziert in diesem Bundesland. Jeder fünfte Arbeitsplatz der
Metall- und Elektroindustrie in NRW wird von der Stahl- und
Metallverarbeitung gestellt; dieser Branchenanteil wird nur noch vom
Maschinenbau übertroffen. Metallverarbeiter zeichnen sich durch hohe
Spezialisierung und Wettbewerbsintensität aus. Die Unternehmen sind
Drahtzieher, Kaltwalzer, sind als Härtereien, Schmieden, Stanzereien
oder Oberflächenbehandler tätig und fertigen für die internationalen
Märkte der Automobil-, Elektro- und Bauindustrie, den Maschinenbau und
den Handel.
Neben Dienstleistungen, wie die mechanische Bearbeitung
von Stahl- und Aluminium- oder Gussteilen, produzieren die Unternehmen
viele kleine Teile in großen Serien. Sie fertigen Federn und Schrauben,
kleine Verbindungsteile für die Automobilzulieferer, Steckerstifte und
Hülsen, Nieten und Winkel oder auch Halbzeuge wie Rohre, Drähte und
Stahlformteile, die später noch einmal bearbeitet werden müssen.
Die
verschiedenen Verfahren der Metallverarbeitung unterscheiden auch die
Unternehmen: Es gibt die spanabhebenden Verfahren (Bohren, Drehen,
Fräsen, Schleifen, Sägen, Gewindeschneiden, Gravieren) und Spezialisten,
die sich auf nicht spanabhebende Bereiche (Biegen, Gießen, Hämmern,
Prägen, Punzieren, Schmieden, Treiben, Stanzen, Walzen, Ziehen, Ätzen)
konzentrieren. Unternehmen der Metallbranche setzen aber auch
verbindende Produktionsverfahren wie Schweißen, Löten, Kleben und
Plattieren ein. Unterschiede gibt es aber auch durch die Art des
Metalls. Neben Schwermetall und Leichtmetall kommen auch
Nichteisenmetall und Edelmetall zum Einsatz.

Viele Zulieferer

Den
meist kleinen und mittelständischen Unternehmen – viele arbeiten als
Lohnunternehmen auch den vielen Zulieferern zu – gesellen sich auch die
Metall verarbeitenden Handwerksbetriebe. Rund 36.500 kleine und mittlere
Unternehmen, 28.000 Lehrlinge, 465.000 Mitarbeiter und rund 57
Milliarden Euro Umsatz – das ist Metallhandwerk in Deutschland.
Metallhandwerk steht für die ganze Vielfalt Metall verarbeitender
Unternehmen: Maschinenbau, Werkzeugbau, Metall- und Stahlkonstruktionen
im Hoch- und Tiefbau, Klimaschutz und Mobilität, öffentliche
Infrastruktur und modernes Wohnen. Metallbetriebe – vom Bronzegießer
über den Metalldesigner bis zum Hightech-Unternehmen – finden wir
überall, wo produziert, gebaut und gewohnt wird. Als Künstler und
Konstrukteur, von der Planung bis zur Ausführung oder vernetzt mit
Partnerbetrieben lösen Metallhandwerker die kleinen und großen Probleme
ihrer Kunden. Da auf Arbeitgeberseite die Metallindustrie traditionell
eng mit der Elektroindustrie verbunden ist, werden eindeutige
Abgrenzungen schwierig. Die M+E-Industrie in Deutschland beschäftigte im
Jahr 2016 rund 3,86 Millionen Mitarbeiter und verkaufte Güter für rund
1.093 Milliarden Euro, darunter waren 610 Milliarden Euro Auslandsumsatz
(direkte Exportquote: 55,8 Prozent). Knapp 80 Prozent der Exporte
entfallen auf die drei großen Branchen Automobilindustrie, Maschinenbau
und Elektroindustrie. Die wichtigsten Abnehmerländer (2016) deutscher
Exporte sind die USA (10,4 Prozent), Frankreich (8,5 Prozent), China
(8,4 Prozent), Großbritannien mit 7,7 Prozent und Italien mit 4,6
Prozent.

Breite Produktpalette

Nach
einem Wachstum von 1,6 Prozent im Jahresdurchschnitt 2016 ist die
M+E-Produktion mit einem positiven Ergebnis in das Jahr 2017 gestartet.
Für das laufende Jahr wird mit einem etwas niedrigerem Wachstum
gerechnet. „Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie sind der
Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Ihre Produkte und
ihr wirtschaftliches Gewicht machen sie zu einem der wichtigsten
Bereiche der Wirtschaft. Die M+E-Industrie verbindet verschiedene
Wissenszweige für ihre innovativen Produkte und Leistungen. Sie stellt
fast zwei Drittel der Arbeitsplätze der gesamten Industrie in
Deutschland und sorgt für mehr als die Hälfte des Industrieumsatzes. In
keinem anderen großen Industrieland mit Ausnahme von Südkorea hat die
M+E-Industrie bezogen auf Wertschöpfung und Beschäftigung eine
vergleichbare volkswirtschaftliche Bedeutung“, erläutert Dr. Michael
Stahl. Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall
verweist auf die „breite und herausragende Produktpalette“ der Metall-
und Elektro-Unternehmen, die zu 80 Prozent aus Investitionsgütern
bestehe. „Genau die stehen weiterhin im Fokus der weltweiten Nachfrage“,
unterstreicht Dr. Stahl die besonderen Stärken der Unternehmen: „Sie
punkten global mit innovativen Produkten, mit kundenspezifischen
Lösungen und der Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen. Absolute
Zuverlässigkeit und Liefertreue sowie höchste Qualität und Flexibilität
zeichnen sie schon immer aus. Auf diese Stärken müssen wir bauen, um
trotz der Verunsicherung durch die Brexit-Entscheidung der Briten und
die immer wieder überraschenden Ankündigungen des US-Präsidenten auf den
Märkten erfolgreich zu sein.“

Hohe Investitionen

„Die
derzeitige wirtschaftliche Lage der Betriebe der Metallbranche ist in
der Tendenz durchaus zufriedenstellend und stabil“, urteilt Dr. Volker
Verch. Der Verlust wichtiger Absatzmärkte sei offenbar von etlichen
Unternehmen kompensiert worden, analysiert der Geschäftsführer des
Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte die aktuelle wirtschaftliche Lage
der Metallbe- und -verarbeitenden Unternehmen in der Region. Dr. Verch
sieht ein „nach wie vor gut laufendes Exportgeschäft“, verdeutlicht
aber, dass insbesondere die Unternehmen mit energieintensiver Produktion
unter den steigenden Energiekosten leiden. „Für das laufende Jahr
planen etliche Betriebe Investitionen auf vergleichsweise hohem Niveau.
Das spricht dafür, dass die Unternehmen optimistisch sind und in naher
Zukunft mit gleich guten Geschäften und Gewinnen rechnen.
Unsicherheitsfaktoren wie dem drohenden Fachkräftemangel wird bereits
jetzt durch das Aufstocken des Ausbildungsplatzangebots und der
Förderung der Weiterbildung auch älterer Beschäftigter sowie der
Verbesserung der Familienfreundlichkeit entgegengewirkt“, heißt es vom
Unternehmensverband.

Klage über Preisexplosion

Nicht
nur globaler Gegenwind macht der Branche derzeit zu schaffen, es sind
die steigenden Stahlpreise, die der Branche das Leben derzeit schwer
machen. In den vergangenen Wochen ist es bei fast allen
Stahlerzeugnissen zu einer regelrechten Preisexplosion gekommen. „Unsere
Unternehmen haben einen Materialkostenanteil von durchschnittlich 60
Prozent und werden daher mit voller Wucht von dieser Entwicklung
getroffen“, so WSM-Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Am
stärksten betroffen sind Flachstahlerzeugnisse wie Bleche. Am Spotmarkt
kostet das Referenzprodukt Warmbreitband aktuell um die 570 Euro je
Tonne – vor einem Jahr hatte der Preis noch bei circa 330 Euro gelegen.
Aber auch bei Langprodukten wie z.B. Walzdraht sind die Preise kräftig
gestiegen. „Preiserhöhungen im dreistelligen Eurobereich sind keine
Seltenheit“, so Vietmeyer. „Die Stahlpreisexplosion treibt erste
Unternehmen der blechumformenden Industrie in Liquiditätsprobleme“,
beschreibt Bernhard Jacobs, Geschäftsführer des Industrieverbandes
Blechumformung (IBU). Der Verbandsgeschäftsführer spricht für rund 240
Mitglieder aus der blechumformenden Industrie. Das
Flachstahl-Referenzprodukt Warmbreitband (Hot Rolled Coil) hat sich in
den Grundpreisen um bis zu 80 Prozent verteuert. Kauft ein
mittelständisches Zulieferunternehmen beispielsweise 7.000 Tonnen
warmgewalzte Bleche, entstehen Mehrkosten von über 1,8 Millionen Euro.
„Kunden der Zulieferer müssen sich jetzt verhandlungsbereit zeigen,
sonst bricht die Lieferkette kurzfristig zusammen“, appelliert Bernhard
Jacobs. Vom Bundeswirtschaftsministerium fordert der IBU
gleichzeitig, weiteren Schutzzöllen im Rahmen der Anti-Dumping-Kampagne
der Stahlindustrie zu widersprechen. Die daraus resultierende
Verknappung auf dem Flachstahlmarkt sei ein weiterer Preistreiber. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

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