Im vergangenen Jahr haben chinesische Investoren erneut eine Rekordsumme in deutsche Unternehmen investiert: So stieg das M&A-Volumen um neun Prozent auf einen neuen Rekordwert von rund 13,7 Milliarden US-Dollar bzw. 12,2 Milliarden Euro. Die Bundesrepublik belegt mit 54 Transaktionen den ersten Platz im Länderranking, gefolgt von Großbritannien (44) und Italien (24). Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht. China verzeichnet seit Jahren einen spürbaren Rückgang der Wirtschaftsdynamik im eigenen Land. Daher werden Investitionen im Ausland und besonders in Deutschland für die Volksrepublik immer attraktiver. „Die deutsche Wirtschaft hat genau die Vorzüge, die chinesische Investoren suchen: Sie ist wettbewerbsfähig und exportorientiert und passt damit hervorragend in die Internationalisierungsstrategie der Chinesen“, sagt Bernhard Lorentz, EY-Partner und Leiter Government and Public Sector GSA. Als „Tor nach Europa“ hat Nordrhein-Westfalen für China dabei eine besondere Bedeutung. Das Bundesland ist der beliebteste Investitionsstandort für chinesische Unternehmen in Deutschland. Globale Weltkonzerne wie Huawei und ZTE zeigen mit ihren Deutschland- und Europazentralen in Nordrhein-Westfalen Präsenz. Mittlerweile haben mehr als 1.100 chinesische Unternehmen ihren Sitz im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands. 2017 war die Volksrepublik China der zweitwichtigste Außenhandelspartner des Bundeslandes. „Nordrhein- Westfalen bietet für die chinesische Wirtschaft optimale Standortbedingungen. Die rund 120 neuen Investitionsprojekte im vergangenen Jahr zeigen die Bedeutung unseres Landes für die chinesischen Unternehmen. 2018 wird durch die Themen Digitalisierung und Elektromobilität geprägt sein, die für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit eine zunehmend wichtigere Rolle spielen werden“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart auf dem traditionellen Neujahrsempfang für die chinesische Wirtschaft. Besonders beliebte Standorte sind traditionell die Region Düsseldorf sowie die Region Köln-Bonn und die Metropole Ruhr.
Attraktiver Forschungsstandort
Dass sich chinesische Investoren vor allem auf Nordrhein-Westfalen konzentrieren, zeigt auch eine Datenrecherche des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. So haben die Wirtschaftsforscher zwischen Januar 2010 und Juli 2017 insgesamt 193 erfolgreiche chinesische Übernahmen und Beteiligungen in Deutschland registriert. Eine Einteilung nach Bundesländern zeigt: Die meisten Investitionen (jeweils 44) fanden in NRW und Baden-Württemberg statt. Marktgröße und Patentanmeldungsintensität sind laut den Wirtschaftsexperten entscheidende Kriterien für chinesische Investoren. Auch die landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW Invest sieht die dichte Hochschullandschaft und die günstige geographische Lage als Vorteil. „Das Interesse chinesischer Investoren am Standort bleibt ungebrochen. Nordrhein-Westfalen wird sowohl als innovativer Zukunftsstandort als auch als logistische Drehscheibe in Europa geschätzt“, erklärte Petra Wassner, Geschäftsführerin von NRW Invest, auf dem Business and Investors Forum China 2017. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat die Bekanntheit des Bundeslandes im Riesenreich China bereits frühzeitig mit Auslandsbüros gesteigert. So eröffnete Nordrhein-Westfalen seine erste Repräsentanz in China bereits vor über 20 Jahren in Nanjing. Vor elf Jahren erfolgte die Eröffnung eines Büros in Shanghai. Bis heute sind weitere Standorte in Beijing, Guangzhou und Chengdu hinzugekommen.Eine zentrale Rolle nimmt Nordrhein-Westfalen auch in Chinas Seidenstraßenprojekt ein. Die Volksrepublik forciert den Aufbau einer Infrastruktur zwischen China, Europa und einigen Ländern Afrikas. Im Rahmen des Projekts „One Belt, One Road“s trägt die direkte Güterzugverbindung zwischen dem Duisburger Hafen und China zu einem weiteren Ausbau der Handelsbeziehungen bei.
Technologie auf dem Einkaufszettel
Chinesische Investoren haben es vor allem auf deutsche Industrie- und Hightechunternehmen abgesehen. Mit dem strategischen Plan „Made in China 2025“ will die chinesische Regierung Innovationen fördern und die Wertschöpfung der heimischen Industrie erhöhen. In verschiedenen Branchen sollen chinesische Firmen künftig führende Anbieter stellen, so das industriepolitische Ziel. Die staatlich geförderte Übernahme von westlichen Unternehmen ist dabei ein Teil der Strategie. Spektakuläre Firmenkäufe, wie die Übernahme des Roboterherstellers Kuka im Jahr 2016, befeuern in Deutschland die Sorge vor einem Ausverkauf und Technologietransfer. Die Zahl der Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren ist im vergangenen Jahr zwar um 21 Prozent auf 54 Transaktionen zurückgegangen, „erreichte aber immerhin den zweithöchsten je gemessenen Wert“, sagt Alexander Kron, Leiter Transaction Advisory Services für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei der Beratungsgesellschaft EY. Den Rückgang führt er auf mehrere Faktoren zurück: „Die chinesischen Aufsichtsbehörden haben strengere Kontrollen für Übernahmen im Ausland eingeführt und Auflagen verabschiedet, um den Kapitalfluss ins Ausland zu kontrollieren. Und auch auf europäischer Seite wurden die regulatorischen Anforderungen erhöht – daran sind einige Deals gescheitert. Zudem schauen sich chinesische Unternehmen Übernahmekandidaten heute viel genauer an.“ Yi Sun, Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz bei EY, hält die Sorgen vor einem Ausverkauf deutschen Know-hows in den meisten Fällen für unbegründet. Zudem hätten einige deutsche Unternehmen die Finanzspritze aus China dringend nötig. „Viele aufstrebende Mittelständler stoßen an Wachstumsgrenzen – sie können die von ihren Kunden erwartete Expansion und die damit verbundenen Investitionen nicht aus eigener Kraft stemmen. Ein chinesischer Investor mit der entsprechenden Finanzkraft und Zugang zum chinesischen Absatzmarkt ist da häufig genau der richtige Partner.“ Alexander Kirschbaum | redaktion@regio-manger.de
INFO
Netzwerk ausbauen
Das China-Kompetenzzentrum Düsseldorf und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW Invest kooperieren in vielen Projekten, um den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zu stärken und chinesische Unternehmen anzusiedeln. In Zukunft sind weitere gemeinsame Aktivitäten im Rahmen der Standortkampagne „Germany at its best: Nordrhein-Westfalen“ geplant. Mit einer Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen in Düsseldorf und China sollen die Kontakte zu chinesischen Unternehmen intensiviert und das Netzwerk ausgebaut werden. Am 14. September dieses Jahres veranstalten NRW Invest und die Landeshauptstadt Düsseldorf das Business and Investors Forum China, an dem rund 500 Vertreter von chinesischen und deutschen Unternehmen und Institutionen teilnehmen. Das nächste Chinafest ?ndet am 15. September in Düsseldorf statt, dann erstmalig als Gemeinschaftsveranstaltung mit den Städten Köln und Duisburg. In Zukunft wird das Chinafest wechselnd in Köln, Duisburg und Düsseldorf stattfinden.
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