Kolumne

Parallelwelten: Von Verkaufspsychologie und billigen Preisen

Billig ist oft teuer erkauft, meint Simone Harland.

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von Regiomanager 16.10.2019
(Foto: ©BillionPhotos.com – stock.adobe.com)

Billig ist super. Finden nicht nur Konsumenten, sondern auch Unternehmerinnen und Unternehmer. Oder suchen Sie etwa nicht den günstigsten Zulieferer oder Dienstleister?
Dabei wissen Sie längst, dass nicht alles, was billig ist, gut ist. Trotzdem treffen Sie und auch ich Kaufentscheidungen häufig nach dem Preis. Manchmal wird man dabei aufs Glatteis geführt, denn es gibt eine Vielzahl von Tricks, die ein Angebot besonders günstig erscheinen lassen.
So macht Ihnen ein cleverer Anbieter einen Sonderpreis, der selbstverständlich nur für Sie gilt. Sagt er. Weil Sie a) besonders gut handeln können, b) ein besonders sympathischer Kunde sind oder c) man sich immer zweimal im Leben trifft. Ganz egal, welches dieser Argumente der Anbieter vorbringt: Es schmeichelt Ihnen. Der Preis wirkt auf diese Weise gleich günstiger.
Andere Anbieter hingegen bieten Ihnen drei Leistungen an, obwohl nur eine angefragt wurde. Warum? Das lässt sich am besten an einem Beispiel festmachen.
Sie möchten eine Werbeanzeige auf mehreren Websites schalten und bekommen folgendes Angebot:

-Werbeanzeige auf ausgewählten Websites: 149 Euro
-Werbeanzeige in mehreren Printmedien: 219 Euro
-Werbeanzeige im Web und in Printmedien: 229 Euro
Für welche Variante entscheiden Sie sich bei dieser Preisgestaltung? Würden Sie nur im Netz werben? Oder ziehen Sie das Kombinationsangebot zumindest in Erwägung? Angebot zwei entfällt in jedem Fall, denn das haben Sie gar nicht angefragt. Trotzdem hat es Ihnen der Dienstleister geschickt. Aus einem ganz einfachen Grund: Er möchte Ihnen das teurere Angebot schmackhaft machen. Denn es kostet ja nur zehn Euro mehr als Angebot Nummer zwei. Auch der Preisunterschied von 80 Euro zu Angebot eins erhält durch das dazwischenliegende Angebot weniger Beachtung. Außerdem erscheinen die 80 Euro läppisch, denn die zwei ersten Leistungen kosten normalerweise zusammen 368 Euro. Und jetzt gibt es sie für „nur“ 229 Euro! 139 Euro gespart. Falls Sie so denken, hat die verkaufspsychologische Falle zugeschnappt. Sie sind auf dem besten Weg, das Angebot zu wählen, das Sie nicht wollten.
Womöglich arbeiten Sie als gewiefter Verkaufsprofi selbst mit diesen Tricks. Oder Sie geben im Verkaufsgespräch noch ein kleines Add-on, ein Geschenk, als Anreiz für die Kaufentscheidung hinzu. Vielleicht setzen Sie Ihre Preise auch so fest, dass sie günstig erscheinen, weil sie die Schwelle zur nächstgrößeren Zahl nicht überschreiten. Für 999 Euro kauft es sich nun mal leichter als für 1001 Euro. Und den Trick mit dem durchgestrichenen Preis („Früher 99 Euro, jetzt nur 85 Euro!“) kennen Sie ohnehin.
Bei all der schönen Verkaufspsychologie verliert man jedoch manchmal aus den Augen, dass der Preis nicht alles ist, wenn man Waren oder Dienstleistungen einkauft. Vieles, was günstig erscheint, ist teuer erkauft. Auf dem Rücken anderer. Bestes Beispiel dafür: die Textilindustrie. Viele Kleidungsstücke werden von Arbeiterinnen und Arbeitern, die ihrer Freiheit beraubt werden, in Ländern wie Indien oder China unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt.
Sogar in Deutschland gibt es noch moderne Sklaverei, so der Global Slavery Index, dem zufolge 2016 immerhin 167.000 Menschen in Deutschland unter Bedingungen arbeiteten, die den Begriff „Sklaverei“ rechtfertigten. Unter anderem in der Landwirtschaft, in der Pflege oder in Haushalten.
Hinzu kommt: Unternehmen lagern mehr und mehr Dienstleistungen aus, um Kosten zu sparen. Statt etwa eine Schreibkraft einzustellen, vergeben viele Betriebe Aufträge lieber an ein externes Schreibbüro. So entfallen die Kosten für die Sozialversicherung, für Krankheit, für Urlaub. Wer nun hier noch die Preise drückt, spart oft zulasten der Solidargemeinschaft. Denn Menschen, die von ihrer selbstständigen Tätigkeit gerade mal so leben können, sind schon während ihrer Erwerbszeit oft auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen. Im Rentenalter bestimmt. Fairness geht anders.
Überlegen Sie beim nächsten Auftrag daher genau, ob der günstigste Anbieter tatsächlich den Zuschlag bekommt. Schauen Sie hinter die Kulissen, fragen Sie sich, warum der Preis so niedrig ist. Seriöse Anbieter machen einen realistischen Preis, von dem sie leben können. Und Erfahrung kostet. Niemand weiß das besser als Sie. Simone Harland | redaktion@regiomanager.de

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