Management

Fachkräftemangel: Werben für den Nachwuchs

Wer Azubis gewinnen möchte, der sollte die Attraktivität seines Betriebs und seines Gewerks selbstbewusst kommunizieren.

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von Regiomanager 01.08.2022
© ­­­Gerhard Seybert − stock.adobe.com

„Es gibt leider immer noch Betriebe, die darauf warten, dass die jungen Menschen zu ihnen kommen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute müssen die Betriebe sich attraktiv machen, damit junge Menschen Lust haben, dort ihre Lehre zu machen. Die Betriebe bewerben sich um Auszubildende, nicht mehr umgekehrt. Ich bin mir aber sicher, dass den meisten Betrieben dies bewusst ist.“ Das sagt Rolf Fuhrmann. Als Bereichsleiter im Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) ist er für die Berufsbildung zuständig. Stellvertretend für viele Gewerke stehen die Dachprofis für die Nachwuchssorgen im Handwerk. „Wir haben zwar keine genauen Zahlen, aber Umfragen unter unseren Innungsbetrieben zeigen, dass sich fast alle Betriebe große Sorgen machen, ob sie künftig genügend Fachkräfte haben, um die anfallenden Arbeiten ausführen zu können“, so Fuhrmann.


Ansprechende Webseite

Im Kampf gegen den Nachwuchsmangel appelliert er an die Betriebe: Diese müssten „sichtbar sein“: „Sei es durch Logos auf Firmenwagen oder auf Kleidung der Mitarbeiter, aber auch durch eine ansprechende Webseite, die informiert, welche Leistungen der Betrieb anbietet, wer dort arbeitet oder was den Betrieb ausmacht.“ Ebenfalls wichtig ist es aus Sicht des stellvertretenden ZVDH-Hauptgeschäftsführers, als Betriebsinhaber zu zeigen, „dass man die Ausbildung ernst nimmt“. Sind Azubis gefunden, sollten sich die jungen Menschen von Anfang an willkommen fühlen. „Manche Betriebe laden daher neu gewonnene Azubis schon vor dem Start der Ausbildung zu Sommerfesten ein oder schnüren ein Willkommenspaket mit Werkzeugkoffer und Berufskleidung.“ Heute müsse man mehr denn je auf die Wünsche der Mitarbeitenden achten. „Neben einer guten Bezahlung gehört auch dazu, Möglichkeiten zur Fortbildung anzubieten.“
Gerade in den Zeiten der Familienplanung würden zunehmend von Männern Wünsche geäußert, sich beispielsweise Elternzeit zu nehmen oder die Arbeitszeit zu verkürzen. Stichwort Work-Life-Balance mit Teambildung: „Es gibt Betriebe, die jeden Freitag um 15 Uhr Feierabend machen und dann erst mal gemeinsam grillen. Oder sie bieten kostenlose Massagen im Betrieb an.“ Solche vermeintlichen Kleinigkeiten zeigten den Beschäftigten: „Ich bin dem Chef wichtig und meine Arbeit wird geschätzt.“
Auch den Elektrohandwerken fehlen Fachkräfte – nach aktuellen Angaben des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) liegt die Lücke bei 82.000 Profis. Hintergrund ist laut ZVEH, dass es durch die zunehmende Elektrifizierung aufgrund der Energiewende immer mehr Aufgabenbereiche gibt, für die e-handwerkliches Know-how benötigt wird. Dazu zählen beispielsweise die Installation von Photovoltaik-Anlagen, von Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, von Wärmepumpen, Speichertechnologien oder auch die Implementierung eines gebäudeübergreifenden Energiemanagementsystems.


Social Media nutzen

Die „E-Handwerke“ engagieren sich nach eigenen Angaben schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich im Bereich des Fachkräfte- und Nachwuchsmarketings und bieten Betrieben eine Vielzahl an Tools und Materialen sowie Unterstützung, um Fachkräfte und Auszubildende auf sich aufmerksam zu machen und an sich zu binden. „Darüber hinaus ist die elektrohandwerkliche Organisation in den wichtigsten Social-Media-Kanälen sowie immer wieder auch im Fernsehen vertreten und macht auch dort darauf aufmerksam, wie attraktiv und zukunftssicher eine elektrohandwerkliche Tätigkeit ist“, sagt Andreas Habermehl, Geschäftsführer Technik und Berufsbildung beim ZVEH. „Auch Betriebe könnten verstärkt auf moderne Kommunikationsmittel wie Social Media setzen.“ Dass man damit Erfolg habe, zeige die Tatsache, dass die Auszubildendenzahlen auch in den Corona-Jahren 2020 und 2021 weiter gestiegen seien. Aktuell absolvierten rund 46.000 junge Menschen eine „e-handwerkliche Ausbildung“.
Nichtsdestoweniger, gibt Habermehl zu, werde es natürlich immer auch Betriebe geben, die es schwer haben, ausreichend Fachkräfte oder Auszubildende zu finden – das liege vielleicht im Einzelfall auch mal an einem Betrieb, viel eher aber an der Tatsache, „dass alle Handwerke um eine begrenzte Zahl von Ausbildungswilligen wetteifern und dass der Trend zum Studium zumindest bei den Schülerinnen und Schülern mit Abitur ungebrochen ist“. Ein Aufbau von Fachkräften kann nach Ansicht des Verbandes nur im Rahmen der bewährten Strukturen des dualen Ausbildungssystems erfolgen. „Was wir brauchen, sind flankierende Maßnahmen der Politik. So muss die berufliche Bildung endlich der akademischen gleichgestellt werden.“ Solange in den Köpfen immer noch die Meinung vorherrsche, ein Studium sei attraktiver und biete mehr Zukunftschancen, werde man im Hinblick auf den Fachkräfteaufbau nie im erforderlichen Maß erfolgreich sein.
„Leider ist für viele Eltern eine Ausbildung im Handwerk wenig interessant“, bedauert auch Rolf Fuhrmann. Kürzlich erst habe ihm eine Dachdeckerin berichtet, dass bei einem Schulbesuch Schüler und Schülerinnen durchaus den Wunsch geäußert hätten, ein Handwerk zu erlernen – aber die Eltern davon abgeraten hätten. „Viele wissen zu wenig über das Dachdeckerhandwerk und kennen die vielfältigen Aufstiegsmöglichkeiten nicht.“ Übrigens sei der Meister dem Bachelor gleichgestellt, „ein Studium ist also nach einer Dachdeckerausbildung ebenfalls möglich“.
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de

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Fotostrecke

Andreas Habermehl ist Geschäftsführer im Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (© ZVEH/Lena Siebrasse)

Rolf Fuhrmann ist Bereichsleiter im Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (© ZVDH)

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