Dass sich Mitarbeiter in einem Unternehmen wohlfühlen, ist ihnen oft wichtiger als die sogenannten „harten Fakten“. So landete das „angenehme Betriebsklima“ bei einer Umfrage der Hochschule Niederrhein zum Thema Arbeitgeberattraktivität auf dem ersten Platz, dicht gefolgt von „einer kompetenten Unternehmensleitung“. Erst auf Platz drei der Wunschliste stand das „leistungsgerechte Gehalt“. Die Bezahlung ist also sicher nicht unwichtig, kann aber nur zum Teil über eine schlechte Unternehmenskultur hinweghelfen. Und ist das Klima einmal im Keller, wirkt sich das auch bald auf messbare Unternehmenskennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Produktivität aus.
Kosmetische Lösungen helfen nicht
Dieses Wissen vor Augen fragen sich viele Chefs, was denn zu tun ist. Einige denken vielleicht, mit Kickertischen, kostenlosen Getränken und tollen Betriebsausflügen müsste die Kultur doch zu verbessern sein. Dabei sollte man sich allerdings vor unreflektiertem Aktionismus und rein kosmetischen Lösungen hüten und sich lieber erst einmal klarmachen, was eine Unternehmenskultur eigentlich ist. Für den amerikanischen Organisationspsychologen Edgar Schein ist die Kultur einer Organisation nämlich gleichbedeutend mit der Summe aller gemeinsam als selbstverständlich angesehenen Annahmen ihrer Mitglieder. Diese Grundannahmen darüber, wie es sein soll, machen sich an der Oberfläche durch Sichtbares wie Kleidung, das Aussehen von Firmengebäuden oder Statussymbole bemerkbar – aber genauso durch Denk- und Verhaltensweisen wie den Umgang mit Hierarchien, den Kommunikationsstil oder die Fehlerkultur.
Positive Unternehmenskulturen setzen auf das Wir-Gefühl
Nun zeigt der Siegeszug der New-Work-Ideen – wenn sie auch noch längst nicht in allen Unternehmen Wirklichkeit geworden sind –, dass sich die Grundannahmen darüber, wie es sein soll, in Veränderung befinden. Die klassische Top-down-Mentalität ist auf dem Rückzug. Mitarbeiter wollen sich an ihrem Unternehmen nicht mehr nur durch das Ausführen von Anweisungen beteiligen, sondern etwas Sinnvolles beitragen und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Daher sollte eine als positiv empfundene Unternehmenskultur immer auf das Wir-Gefühl setzen und möglichst alle Beteiligten mit ins Boot holen – vom Top-Management bis zu den Mitarbeitern in der Produktion. Wie eine Unternehmenskultur positiv zu verändern ist, variiert sicher von Unternehmen zu Unternehmen. Einige Grundthemen sind jedoch überall die gleichen.
Freiheit und Selbstverantwortung stärken
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, ist insgeheim immer noch der Leitspruch vieler Manager. Genau diese Haltung und das damit verbundene Mikromanagement sind aber ein Hauptgrund für den Frust vieler Mitarbeiter. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern Luft zum Atmen lassen – nicht jeden ausgegebenen Euro kontrollieren und darauf verzichten, jede Handlung im Vorfeld absegnen zu wollen. Das setzt bei den Mitarbeitern natürlich eine Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung voraus. Den Willen, „ungeschützt“ zu agieren, ohne sich vorher beim Chef oder bei der Chefin ein Okay zu holen. In bisher sehr autoritär geführten Organisationen kann das ein längerer Lernprozess sein.
Vertrauen ist die Grundlage für alles
Als Google kürzlich herausfinden wollte, was ein erfolgreiches Team ausmacht, kam zum Erstaunen der Forscher die „psychologische Sicherheit“ auf den ersten Platz. Dabei wird ein Team als sicher empfunden, wenn dort niemand für einen Fehler oder eine als unpassend empfundene Bemerkung gedemütigt oder bestraft wird. Psychologische Sicherheit ist also ein anderer Ausdruck für eine positive Fehlerkultur. Nach Meinung der Harvard-Business-Professorin Amy Edmondson ist es wichtig, im Team gegenseitiges Interesse zu zeigen und dabei die Persönlichkeiten der anderen zu akzeptieren. Um das Aufkommen von Unfrieden zu vermeiden, sollte untereinander so oft wie möglich Feedback gegeben werden. Denn nur so entsteht Vertrauen und wird ein Team zusammengeschweißt.
Jeder soll wissen, was passiert
Eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen ist die größtmögliche Transparenz im Unternehmen. Unternehmensziele und -strategien müssen allen Teammitgliedern vollständig bewusst sein und für den Arbeitsprozess wichtige Informationen sollten nicht nur ein paar Eingeweihte kennen. Um das ständige Update der Teammitglieder nicht zu aufwendig zu gestalten, können heute digitale Kommunikationstechniken wie genau auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmte Intranetlösungen eingesetzt werden. Das spart zeitfressende Meetings und sorgt zugleich dafür, dass Kommunikation keine Einbahnstraße ist. Wie weit Transparenz im Unternehmen geht, muss individuell entschieden werden. Die gänzliche Offenlegung aller Gehälter ist zum Beispiel oft ein heikler Punkt.
Schluss mit „alle gegen alle“
Gerade in Vertriebsorganisationen wird oft versucht, jeden Einzelnen mit individuellen Provisionsvereinbarungen zu Höchstleistungen anzuspornen. Dabei bleibt der Zusammenhalt im Team dann oft auf der Strecke. „Jeder ist sich selbst der Nächste“ scheint hier eher das passende Motto zu sein. Diese Ellenbogenmentalität bringt zwar einigen wenigen viel Geld ins Portemonnaie, dem Unternehmen insgesamt schadet die interne Konkurrenz jedoch mehr, als sie nützt. Um Teams zum gemeinsamen Arbeiten zu bewegen, müssen Belohnungen vor allem teambezogen sein. So wird der Kollege vom internen Konkurrenten zum echten Mit-Arbeiter.
Keine einsamen Entscheidungen mehr
Viele traditionelle Unternehmen haben eine klassische Linienorganisation. Entscheidungen werden an der Spitze der Hierarchie getroffen und dann nach unten durchgereicht. Diese quasi-militärische Organisationsform verliert aber immer mehr an Zuspruch. Gerade jüngere Mitarbeiter wollen mitentscheiden und nicht nur ausführen. Einige Unternehmen gehen inzwischen sogar dazu über, Chefs und Hierarchien ganz abzuschaffen und alles an sich selbst organisierende Teams zu übertragen. Wer nicht so weit gehen möchte, sollte aber zumindest darauf achten, dass Führungskräfte nicht nur Anweisungen geben, sondern die anfallenden Arbeiten mit ihren Mitarbeitern besprechen und diese so viel wie möglich selbst entscheiden lassen.
Wem das jetzt alles zu sehr als „Psycho-Spielchen“ erscheint, sollte sich noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Unternehmenskultur selbst zwar nicht messbar ist, die Steigerung der Produktivität und die Verminderung von Krankheitstagen und Fluktuation dagegen schon. Und sicher ist ein Unternehmen mit „glücklichen“ Mitarbeitern für gut ausgebildete Fachkräfte viel attraktiver als ein hierarchisch geführter Betrieb alter Schule.
Michael Otterbein | redaktion@regiomanager.de
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