Namen & Nachrichten

Wiege der Ruhrindustrie

Oberhausen ist eine der geschichtsträchtigsten Städte im Ruhrgebiet mit einer 240-jährigen Eisen- und Stahlherstellungstradition.

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von Regiomanager 01.04.2016
Zeche Concordia in Oberhausen 1841 (Foto: Stadtarchiv Oberhausen)

Oberhausen – die Wiege der Ruhrindustrie – erscheint offiziell spät in den Geschichtsbüchern. Erst 1862 wird der Ort zur Landgemeinde. Seinen Namen erhält er vom Schloss Oberhausen. Dessen Anfänge gehen auf die Wasserburg des Ritters Overhus zurück, einst rund 200 Meter emscheraufwärts vom heutigen Schloss gelegen. Im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert schützt der Ritter seine Burg mit zwei Gräben, die von der Emscher gespeist werden. 1808 lässt Graf Maximilian Friedrich von Westerholt-Gysenberg ein neues Schloss mit seiner klassizistischen Backsteinfassade bauen. Noch älter ist das Kastell Holten, das 1188 erstmals erwähnt wird und heute im Stadtgebiet liegt. Um das Kastell entwickelt sich eine kleine Siedlung, die 1310 Stadtrecht erhält. Während der napoleonischen Besatzungszeit verliert es dieses wieder. Auch der 1909 angelegte Flugplatz in Holten, einer der ersten in Deutschland, verliert schon bald an Bedeutung und muss der Industrie weichen. 1928 entsteht auf dem Areal die Ruhrchemie, die heute als Oxea firmiert. Auch die Burg Vondern im Stadtbezirk Osterfeld gehört heute zu Oberhausen. Die erste Erwähnung der ehemaligen Burg geht auf das 13. Jahrhundert zurück. 1995 retten Bund, Land, Stadt und ein Förderkreis die historischen Teile der Burg.

St. Antony:
erste Eisenhütte im Revier

Oberhausens Industriegeschichte beginnt nahe des heutigen Bezirks Osterfeld: 1758 lässt Franz Ferdinand von Wenge, ein Geistlicher aus dem Domkapitel in Münster, den ersten Hochofen der Eisenhütte St. Antony anblasen. Das verwendete Raseneisenerz stammt aus dem Umfeld, als Brennstoff dient Holzkohle. Die St. Antony-Hütte ist der erste erzverarbeitende Industriebetrieb der Region. 1782 folgt die Gründung der Eisenhütte Gute Hoffnung in Sterkrade und 1791 die der Eisenhütte Neu-Essen. Die drei selbstständigen Hütten werden bereits 1808 zur Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen zusammengefasst. Daraus entsteht 1873 der Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb (kurz: GHH – Gutehoffnungshütte). Es ist auch die GHH, die in Osterfeld-Eisenheim auf einem Areal von sieben Hektar 1846 die erste Arbeitersiedlung des Ruhrgebietes bauen lässt. Im gleichen Jahr errichtet die Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft einen Bahnhof auf dem Gebiet Oberhausens. Der erste Zug hält 1847 an dem neuen Gebäude. Größere Ortschaften existieren nicht, aber die verschiedenen Eisenhüttenwerke, chemischen Fabriken und Zinkhütten sind auf die Eisenbahn angewiesen, um ihre Produkte abzutransportieren. Wenig später, ab 1853, erlebt Oberhausen einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Zahlreiche Zechen werden eröffnet – immer mehr Menschen finden dort Arbeit. Deswegen wird 1862 die Bürgermeisterei Oberhausen gegründet.

Im Zentrum der Stahlindustrie

Der Ort wächst weiter und erhält 1874 die Stadtrechte, weil inzwischen über 18.000 Menschen dort wohnen. Weitere Eingemeindungen folgen. Es sind vor allem die GHH-Manager, allen voran Paul Reusch, die dies vorantreiben. 1909 übernimmt er die Geschicke des Unternehmens. Unter seiner Leitung wandelt sich der Konzern von einem reinen Montanunternehmen zu einem Mischkonzern. Während der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg ist es Reusch, der kräftig „einkauft“: Er gehört 1918 zu den Mitbegründern der Deutschen Werft in Hamburg. 1920 steht die Maschinenfabrik Eßlingen, ein Jahr später die MAN AG auf der „Einkaufsliste“. Hinzu kommen noch die Zahnradfabrik Augsburg und die Degendorfer Werft- und Eisenbaugesellschaft. Die Handelsgesellschaft Ferrostaal ist zu diesem Zeitpunkt bereits voll integriert. Die Diversifikation mindert nicht nur die Risiken für den Konzern, sondern öffnet auch die Märkte in Süddeutschland für die GHH. Dabei hilft auch die zum Konzern gehörende Zeitung „Münchener Neusten Nachrichten“. Vor Ort liegen die Zechen der GHH in den Gebieten mehrerer Kommunen. Will man Änderungen durchsetzen, muss man immer mit drei Verwaltungen sprechen. Das kostet Zeit. Es sind schließlich die Unternehmen der Region, die eine große Gebietsreform anstreben.

Oberhausen wird Großstadt

1929 ist es so weit: Im Rahmen der kommunalen Neugliederung werden Oberhausen, Osterfeld und Sterkrade zur Stadt Oberhausen zusammengeschlossen. Neben Oberhausen profitieren vor allem Mülheim und Essen davon in erheblichem Maße. Die Großstadt Oberhausen wächst damit um weitere 80.000 Einwohner auf rund 190.000 Menschen an. Auch Handel, Handwerker und Dienstleister wie der Bettenhändler Alex Ortmann (1810), die Fleischerei Reuschenbach (1860), Spickermann Haushaltswaren (1866) oder die Druckerei Richtscheidt (1921) gehören zu den Gewinnern und schaffen Arbeitsplätze. Das gilt auch für die 1898 gegründeten Dampfkesselwerke Babcock. Die Nachteile des Booms machen sich während des Zweiten Weltkriegs bemerkbar: Die Alliierten bombardieren den Stahl- und Kohlestandort Oberhausen immer wieder. Sie treffen nicht nur die Industrieziele. 1945 ist die Mehrheit der rund 53.000 Wohnungen in Oberhausen zerstört, nur sieben Prozent erleben das Kriegsende ohne Schäden. Der Wiederaufbau der Stadt beginnt nach 1945 recht zügig unter den Augen der britischen Truppen. Als Erstes zerschlagen sie den GHH-Konzern in drei Teile. Unter dem Dach der GHH bleiben 1953 die Bereiche Verarbeitung, Maschinen- und Anlagenbau einschließlich der Tochterunternehmen MAN und Werften sowie die Handelsaktivitäten (Ferrostaal). Durch gezielte Zukäufe (Büssing, MTU) wächst der Konzern. Die Bereiche Kohle und Stahl gehen in den Hüttenwerken Oberhausen (HOAG) und der Bergbau AG Neue Hoffnung auf.

Ende der Kohle-
und Stahlindustrie

1949 eröffnet Oberhausen als erste Stadt im Revier wieder ein Theater. 1962 weihen die Bewohner die Luise-Albertz-Halle ein. Die Stadthalle ist heute ein multifunktionales Tagungs- und Veranstaltungszentrum. Ende der 1960er-Jahre trifft es die Stadt hart: Der Niedergang der Kohle und das Ende der Stahlproduktion macht der Stadt und ihren Menschen schwer zu schaffen. Zehntausende Arbeitsplätze gehen verloren. Die Stadt siedelt neue Betriebe aus den Bereichen Anlagen- und Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik an. Nach der zeitweisen Zusammenführung der Konzerne HOAG und Bergbau AG Neue Hoffnung verschmelzen sie ab 1968 zur Ruhrkohle AG – nun unter Führung der Thyssen AG. Aber auch das kann den Niedergang von Kohle und Stahl nicht aufhalten. 1979 wird der letzte Oberhausener Hochofen ausgeblasen. Das größte deutsche Elektrostahlwerk nimmt 1980 seinen Betrieb auf. Als es 1997 seine Pforten schließt, endet die 240-jährige Eisen- und Stahlherstellungsgeschichte der Stadt.

Oberhausen heute

Mitte der 1990er-Jahre entsteht die neue Mitte Oberhausen oder besser als Centro heute nicht nur bundesweit bekannt. Rund 10.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen auf einer ehemaligen Industrie­brache. Auf dem Areal siedeln sich zusätzlich ein Freizeit- und Erlebnispark, Gastronomie, ein Großaquarium, eine Veranstaltungshalle und ein Musical-Theater an. Elf Millionen Besucher zieht allein das Centro jährlich an – unter ihnen auch viele Gäste aus Großbritannien und den Niederlanden. Die Zentralitätskennziffer liegt für Oberhausen bei 132 (2015). Ende der 1990er-Jahre gerät Babcock Borsig, ein weiterer Traditionsbetrieb, in die Krise. Alle Rettungsversuche von Land und Bund scheitern. 2002 meldet der Konzern die Insolvenz an. Große Teile werden verkauft und weiterbetrieben (Hitachi Power Europe, Bilfinger Berger Power Services). Zahlreiche kulturelle und Freizeitangebote (Gasometer) und der Ausbau der innerstädtischen Handelszentren (Sterkrader Tor, Bero Einkaufszentrum) prägen das Gesicht der Stadt heute. Dirk-R. Heuer | redaktion@regiomanager.de

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Zeche Concordia in Oberhausen 1841 (Foto: Stadtarchiv Oberhausen)

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