Management

Berufsbild Manager: Chef ade?

Bestehen Unternehmen der Zukunft nur noch aus selbstorganisierten Teams und Manager werden überflüssig? Nein und ja! Organisationen werden auch im digitalen Zeitalter nicht ohne Führung auskommen; die wird aber nicht mehr so aussehen wie im „guten alten Industriezeitalter“.

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von Regiomanager 05.11.2018
(Foto: ©shockfactor.de – stock.adobe.com)

Arbeitszeiten und -orte werden nach der Idee des „New Work“ künftig weitgehend flexibel sein. Menschen haben keinen klar definierten Arbeitsplatz und Arbeitgeber mehr, sondern arbeiten in wechselnden Projektteams zusammen. An die Stelle von Büros und Fabriken treten kreative „Workspaces“ und die Grenzen zwischen angestellt und selbstständig werden genauso verschwimmen wie die einst klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit. Einige Werktätige der Zukunft können sogar als „digitale Nomaden“ durch die Welt ziehen. Für die Erledigung ihrer Aufgaben benötigen sie nur noch ein schickes Laptop und eine gute Internetverbindung. Klar, dass Chefs im klassischen Sinne in einem solchen Szenario keinen Platz mehr haben.

Von der schönen neuen Arbeitswelt, wie sie vom austroamerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann beschrieben wurde, sind wir heute immer noch ein gutes Stück entfernt. Und dennoch hat sich gegenüber der Regelorganisation des Industriezeitalters bereits einiges verändert. Da sind zum einen Pionierunternehmen wie die norddeutsche Hotelkette Upstalsboom oder das brasilianische Industrieunternehmen Semco, die erfolgreich auf selbstständigere Mitarbeiter und eine weniger hierarchische Führung setzen, und da ist die große Masse an Unternehmen, die sich dem Trend zum neuen Arbeiten – zumindest verbal – nicht mehr entziehen möchte. Das Outsourcen von Arbeitsbereichen an Freelancer ist in weiten Teilen der Wirtschaft längst gängige Praxis. Coworking Spaces für Einzelunternehmer sowie Angestellte fern der Firmenstandorte schießen wie Pilze aus dem Boden.

Gewinner und Verlierer

Wie immer, wenn neue Entwicklungen Vorhandenes umpflügen, gibt es positive und negative Auswirkungen, Gewinner und Verlierer. Freelancer haben natürlich mehr Freiheit und können Arbeitszeit und Ort weitgehend selbst bestimmen. Dafür fehlt ihnen die soziale Absicherung der Regelbeschäftigung, und auch im Portemonnaie sieht es meistens wesentlich schlechter aus. Ein Leben als „digitaler Nomade“ ist auf wenige Tätigkeiten wie Programmierung oder Textentwicklung, die sich digital aus der Ferne erledigen lassen, beschränkt und man muss der „Typ“ dafür sein, ohne direkten Kontakt zu Kollegen arbeiten zu wollen. Denn es zeigt sich ja bereits seit Längerem, dass Mitarbeiter im reinen Homeoffice sich schnell von ihrem Unternehmen abgeschnitten fühlen.
Gewinner sind anscheinend vor allem die gut ausgebildeten Mitarbeiter (großer) Unternehmen, die bereits von mehr Flexibilität und Eigenverantwortung profitieren, deren Aufgaben attraktiver geworden sind und besser vereinbar mit ihrem Privatleben. Verloren haben die Angestellten, für die sich durch Flexibilisierung und Digitalisierung nichts zum Positiven verändert hat, die im schlimmsten Fall sogar Gefahr laufen, ihren Job zu verlieren, weil der zukünftig besser durch Roboter erledigt werden kann.

Niedergang des mittleren Managements?

Für die vielen Millionen Führungskräfte der mittleren Ebenen begann sich in den 90er-Jahren ein abwertender Begriff durchzusetzen. Für Anhänger des Lean Managements, der schlanken Unternehmensstrukturen, waren Teamleiter, Abteilungsleiter und Co. vor allem eine „Lähmschicht“, die einen guten Kontakt zwischen Unternehmensspitze und den Mitarbeitern an der Basis verhindert. Da wundert es nicht, dass große Unternehmen begannen, sich dieser „Hemmschuhe“ zu entledigen und dabei gleich noch erhebliche Gehaltssummen zu sparen. Laut dem Wirtschaftsmagazin brand eins wurden in der deutschen Chemieindustrie zwischen 1995 und 2005 über 10.000 Manager der mittleren Ebene entlassen. Allein BASF habe die Zahl seiner leitenden Angestellten zwischen 1990 und 2005 von 2.200 auf 1.400 verringert – und dabei gleichzeitig den Umsatz verdoppelt. Also – abgesehen von den verlorenen Jobs – alles gut?
Leider nicht ganz. Viele Studien belegen, dass gerade viele Mittelmanager aufgrund ihrer „Sandwichposition“ besonders unter Arbeitsstress leiden – und das bessert sich natürlich nicht, wenn ihre Reisen zunehmend ausgedünnt werden. So vermerkte der Führungskräfteverband der chemischen Industrie bereits Mitte der 2000er-Jahre, dass 85 Prozent der Führungskräfte deutlich länger arbeiten und viele sich von ihren Aufgaben dauerhaft überlastet fühlen. Psychologen und Managementexperten raten den gestressten Führungskräften, häufiger Nein zu sagen, ihre Zeit besser zu managen und vor allem nicht alles selbst machen zu wollen, sondern ihren Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung zuzugestehen. Ist das der Anfang vom Ende einer „untergehenden Klasse“?

Kann Begeisterung einen Chef ersetzen?

Die fortschreitende Digitalisierung hat die Diskussion über den Nutzen des mittleren Managements in den letzten Jahren noch einmal gehörig angeheizt. So sieht z.B. Professor Dr. Jürgen Weibler von der Fernuni Hagen den typischen Manager auf dem absteigenden Ast, weil sich Produktionszusammenhänge durch die Digitalisierung grundlegend verändern und dezentrale, selbstverantwortliche Entscheidungen der Mitarbeiter zunehmend unabdingbar werden. Personalberater Jörg Knoblauch stellte in FOCUS-MONEY sogar die These auf, dass zwei Hierarchieebenen für ein Unternehmen vollkommen ausreichen. Dafür benötige es „nur“ zwei Dinge: einen visionären Chef und „A-Mitarbeiter“, die sich mit Begeisterung für ihr Unternehmen einsetzen. Eine begeisternde Firmenkultur ziehe hoch motivierte Mitarbeiter an, die dann ohne gängelnde Manager
Top-Leistungen erbringen.
Die reale Praxis in vielen Unternehmen zeigt, dass das nicht immer so einfach ist. So berichtet Start-up-Gründerin Raffaela Rein im Manager Magazin, wie sie ihr Unternehmen mit allzu flachen Hierarchien beinahe gegen die Wand gefahren hat. In der Gründungsphase kam das Online-Unternehmen CareerFoundry sehr gut ohne Teamleiter aus. Als sich die Mitarbeiterzahl allerdings verdoppelte, fehlten plötzlich die regulierenden Eingriffe von Führungskräften: Niemand war bereit, für Fehler Konsequenzen zu ziehen, Kritik von gleichgestellten Kollegen wurde ungerne angenommen. Um den Kollaps des jungen Unternehmens zu verhindern, wurden erfahrenen Mitarbeitern schließlich Führungspositionen angeboten, die diese gerne annahmen. Danach ging es wieder bergauf.

Eine neue Balance

Führung wird in Organisationen immer erforderlich sein, wenn sie sich am Erzielen von Resultaten und dem Vertreten übergeordneter Unternehmensinteressen orientiert. „Eine Grundfunktion von Führung besteht darin, die Perspektive der Gemeinschaft vor dem Einzelnen zu vertreten und Gemeinschaftsinteressen vor Partikularinteressen durchzusetzen“, lautet eine These des Artikels „Wozu Führung“ der Autorin Martina Rummel auf der T-Online-Plattform Personet. Das wird sich auch in Zeiten dezentraler Teams und weitgehend digitalisierter Unternehmen nicht ändern. Entscheidungen auf Algorithmen zu delegieren dürfte auch keine gute Lösung sein. Manager werden auch zukünftig gebraucht – wenn auch vielleicht nicht mehr in der großen Zahl der vergangenen Industrieära. Führungskräfte sind unter den veränderten Arbeitsbedingungen einer „neuen Wirtschaft“ allerdings gefordert, so wenig wie möglich in die Freiräume und Kompetenzen ihrer Teammitglieder einzugreifen. Sie sollen Orientierung und Unterstützung geben und dabei den Blick für das Wohl der eigenen Organisation im Blick haben. Wenn Manager es schaffen, Mitarbeiter zu so viel Verantwortung wie möglich zu ermutigen, wie es Kenneth Blanchard schon in seinem 2002 erschienenen Buch „Der Minuten Manager“ gefordert hat, könnten New Work und die Notwendigkeit von Führungsverantwortung zu einer neuen Balance kommen.

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