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Stromerzeugung in Eigenregie: Energie-Autarkie mit Mehrwert

Die Strompreise klettern immer weiter. Firmen, die ihren Strom selbst produzieren, kann das egal sein. Sie profitieren außerdem von weiteren Vorteilen.

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von Regiomanager 02.04.2020
Solarpaneele auf dem Dach und an drei weiteren Fassaden

Es gibt eine ganze Menge Gründe, die firmeneigene Energieversorgung selbst zu organisieren: Unternehmen sichern sich damit gegen schwankende Großhandelspreise für Strom und Erdgas ab und können so besser planen; sie können grünen Strom effizient für die eigene Produktion einsetzen und Überschüsse ins Netz einspeisen. Hierbei können sie sich auf die „Einspeisevergütung“ verlassen, die für 20 Jahre garantiert ist. Und es gibt weitere Vorteile: „Die Kosten für Photovoltaikmodule sind seit den 90er-Jahren um über 90 Prozent gefallen“, sagt Eugen Eichmann, Leiter der Marktinitiative Photovoltaik NRW. „Hierfür ist die Massenproduktion verantwortlich; auch ist der Wirkungsgrad der Module von vier bis fünf Prozent auf heute 22 bis 24 Prozent bei den Standardmodulen gestiegen. Unter Laborbedingungen werden heute schon 30 Prozent erreicht – solche Module werden in absehbarer Zeit auf den Markt kommen.“ 30 Prozent Wirkungsgrad bedeutet, dass effektiv 30 Prozent der eintreffenden Sonnenenergie genutzt werden. Für die Verluste ist u. a. die Umwandlung der Strahlen in elektrische Energie verantwortlich. Entgegen einem weitverbreiteten Missverständnis erbringt ein 340-Megawatt-Photovoltaikmodul dennoch maximal die vollen 340 Megawatt Leistung – wobei es an einem grauen Januartag natürlich viel weniger sind. Übrigens sind die nicht genehmigungspflichtigen Kleinwindanlagen (bis 50 Meter Gesamthöhe) bei der firmeneigenen Stromerzeugung nur im Einzelfall von Bedeutung und spielen insgesamt bloß eine geringe Rolle.

Rendite durch eigenen Strom
Strom, der aus der Netzsteckdose kommt, kostet etwa 16 bis 20 Cent je Kilowattstunde; Strom, der selbst erzeugt und genutzt wird, je nach Größe der Anlage nur sieben bis elf Cent – auf 20 Jahre Anlagenlaufzeit gerechnet. So ergibt sich eine Rendite von sechs bis zehn Cent je Kilowattstunde, bei durchaus erreichbaren 30 bis 40 Jahren erheblich mehr. Die EEG-Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die zu 40 Prozent auch der zahlen muss, der seinen Strom selbst nutzt, ist hier bereits eingerechnet. „Dies wird regelmäßig mit dem Solidaritätsprinzip begründet. Denn wer den Strom selbst erzeugt, entzieht sich der Solidaritätsgemeinschaft, weil er weniger Netzentgelte und EEG-Umlage bezahlt und die Netzentgelte dadurch auf eine geringere Zahl von Nutzern umgelegt werden müssen“, erklärt Eugen Eichmann. Wer den Strom nicht selbst nutzt, sondern gegen Einspeisevergütung ins öffentliche Netz einspeist, dem bleiben immerhin noch zwei bis drei Prozent Rendite. Bei Anlagen bis zu 750 Kilowattstunden Spitzenleistung (sie machen 52,2 Prozent der Gesamtleistung der neuen Anlagen im vergangenen Jahr aus) liegt die Vergütung bei knapp acht Cent. Bei leistungsstärkeren Anlagen wird die Einspeisevergütung den künftigen Betreibern durch Auktionen zugeschlagen. Wer eine Anlage betreiben will, muss also einen Abnahmepreis anbieten; die günstigsten Bieter erhalten den Zuschlag. Da die siebenmal im Jahr stattfindenden Auktionen regelmäßig überzeichnet sind, kann, wer leer ausgeht, sich erst wieder für die nächste Auktion bewerben. Die so erzielten Einspeisevergütungen liegen regelmäßig deutlich unter denen für kleinere Anlagen.
Boom bei Photovoltaik-Anlagen
Die Installation eigener Photovoltaik-Anlagen erbringt also eine Rendite, die die meisten Geldanlagen übertrifft. Das nutzen Privatleute wie Firmen gleichermaßen. 2017 und 2018 stieg die Anzahl der neu bei der Bundesnetzagentur gemeldeten Anlagen deutlich an. Im vergangenen Jahr schoss die Zahl der Neuanlagen noch einmal in die Höhe und übertraf Monat für Monat deutlich die der Vorjahrsmonate. Laut DIHK-Energiewendebarometer 2019 haben 23 Prozent der Unternehmen bereits Anlagen zur Eigenerzeugung installiert, weitere acht Prozent waren gerade dabei und weitere 15 Prozent planen solche Anlagen. „Schon viele Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind bilanziell gesehen autark“, sagt Eugen Eichmann von der Energieagentur NRW. „Bilanziell“ bedeutet „unterm Strich“, da die Unternehmen bei geringer Eigenproduktion durchaus Strom aus dem Netz beziehen, Überschüsse zu anderen Zeiten jedoch ins Netz einspeisen können.

Ökologischer Fußabdruck
Dass Unternehmen zunehmend an Energie-Autarkie interessiert sind, hat noch einen anderen Grund: Geschäftspartner, Kunden und Verbraucher durchschauen und missbilligen Greenwashing und interessieren sich immer eingehender für den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen. Beispiel Solarcomplex, einer von drei Gewinnern des Wettbewerbs „Firmenenergie 2019“. Die Firma betreibt mit Partnern rund um Singen/Hohentwiel 18 lokale Wärmenetze auf der Basis von Biogas-Blockheizkraftwerken und ist 20 Jahre nach ihrer Gründung in der westlichen Bodenseeregion auf dem Gebiet erneuerbarer Energien breit aufgestellt – einschließlich Windkraft, Solarthermie und Photovoltaik (PV). „Es hat etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Wir können schlecht durch die Lande ziehen und immer Energieeffizienz predigen, wenn wir selbst in einem Altbau sind, der eigentlich unzeitgemäß ist“, sagt Solarcomplex-Vorstand Bene Müller. Das Energieunternehmen verfeuerte in seinem gut 3000 Quadratmeter großen Firmengebäude rund 30.000 Liter Heizöl im Jahr. Solarcomplex konnte seinen Energiebedarf seitdem um den Faktor sechs senken und ist heute unterm Strich bilanziell autark.

Solarmodule an drei Seiten
Die ersten Schritte einer energetischen Gebäude-Ertüchtigung sind immer gleich. Außendämmung, Passivhaustechnik, Dreischeibenverglasung. Als nächster logischer Schritt folgt der Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Solarcomplex ging allerdings noch zwei ungewöhnliche Schritte weiter. Im Zuge der Wärmedämmung ging es um die Frage, welche Fassade vor die gedämmten Wände gesetzt werden sollte. „Der Architekt sagte uns, dass jeder Quadratmeter unabhängig vom Material mindestens 100 Euro kostet. Wir wussten aber aus unserer Arbeit, dass ein Quadratmeter PV-Module inzwischen auch nur noch 100 Euro kostet“, erinnert sich Bene Müller. „Das heißt: Wenn ich eine gedämmte Fassade hinterher komplett mit PV verkleide, habe ich keine Mehrkosten. Dadurch ist das Investment natürlich hochrentabel, weil ich für die nächsten 30 oder gar 40 Jahre zusätzlich Strom aus der Fassade erzeuge.“ Und so ist das Firmengebäude von Solarcomplex in der Singener Innenstadt heute an den drei Sonnenseiten und auf dem Dach mit Photovoltaik verkleidet. Die Investition war natürlich auch deshalb so günstig, weil Solarcomplex darauf bestand, Standardmodule einzusetzen, also nicht eigens produzierte oder besonders zugeschnittene Module. Insgesamt wurden rund drei Millionen Euro investiert. Davon entfielen auf die energetische Sanierung rund zwei Millionen Euro; der Rest floss in die grundlegende Sanierung der Elektro- und Sanitäranlagen und Maßnahmen wie die Verbesserung des Erdbebenschutzes. 1,7 Millionen Euro der zwei Millionen Euro waren KfW-Mittel zum 2013 günstigen Zinssatz von 1,0 bis 1,9 Prozent. Zusätzlich wurde ein Teilschuldenerlass von 40.000 Euro gewährt.

Unterm Strich autark

Solarcomplex erzeugt auf diese Weise seine Energie bilanziell komplett selbst. Für den geringen zusätzlichen Wärmebedarf im gedämmten Firmengebäude mit seiner Geschossfläche von 3.000 Quadratmetern ist außerdem ein kleines Blockheizkraftwerk angeschlossen, das zwar mit normalem Erdgas betrieben wird, für das andererseits aber irgendwo die gleiche Menge Biogas ins Netz eingespeist wird. Die Nutzung der Sonne zur Stromerzeugung passt, so ist die Einschätzung von Bene Müller, besser zu gewerblich genutzten Gebäuden als zu Wohnhäusern, da die Sonne zu den Zeiten scheint, zu denen auch gearbeitet wird: die PCs, Kaffeemaschinen, Drucker und Aufzüge also in Betrieb sind.

Eher zu groß dimensionieren
Übrigens ist es sinnvoll, Anlagen eher großzügig als zu klein zu dimensionieren – einerseits, weil die Stückkosten bei kleinen Anlagen höher sind, und andererseits, weil die Anlagen an dunklen Tagen nur einen Bruchteil ihrer Nennleistung erreichen. Dann muss teurer Strom zugekauft werden. Ein erfahrener Energieberater wird dies in seinen Planungen berücksichtigen.
Claas Möller | redaktion@regiomanager.de

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