Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 schrittweise klimaneutral zu werden. Dabei kommt dem Finanzsektor eine große Bedeutung zu, denn ohne Investitionen in nachhaltige Technologien und Geschäftsmodelle lässt sich das im Green Deal beschlossene Ziel kaum umsetzen. Doch um nachhaltige Finanzierungsformen zu fördern, braucht es allgemein verlässliche Standards und mehr Transparenz. Die von der EU erlassene Offenlegungsverordnung und Taxonomie-Verordnung sollen genau dies leisten. Professorin Dr. Verena Verhofen ist Hochschullehrerin für International Accounting an der International School of Management (ISM) und forscht im ESG-Finance-ereich. Im Folgenden erläutert die ISM-Expertin, wie die EU-Verordnungen zur Förderung von Green Finance funktionieren und weshalb auch mittelständische Unternehmen gut beraten sind, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.
EU-Standards für nachhaltige Finanzierungen
Viele Anleger würden ihr Geld gerne in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten investieren. Doch was fällt überhaupt konkret darunter? Woran erkennt man, ob eine Anlagemöglichkeit auch nachhaltig ist und wie diese im Vergleich zu anderen Fonds abschneidet? Durch die Einführung der EU-Offenlegungsverordnung sowie die EU-Taxonomie-Verordnung stehen zwei neue Regulierungsinstrumente zur Verfügung, die Anlegern und Anlegerinnen bei Green-Finance-Investitionen Orientierung und mehr Sicherheit bieten sollen:
Bei der Offenlegungsverordnung (Offenlegungs-VO) oder SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) geht es darum, Transparenz über die angebotenen Fonds zu schaffen.
Die Nachhaltigkeitsrisiken der Fonds müssen von den Fondsgesellschaften offengelegt sowie die Produkte bestimmten Nachhaltigkeitskategorien zugewiesen werden. Die Fonds werden in eine von drei Kategorien eingestuft; Artikel 6 (minimaler Standard/ kein ESG), Artikel 8 (ESG-Fonds) oder Artikel 9 (Impact-Fonds).
Für kapitalmarktorientierte Unternehmen bedeutend ist die ab dem 1. Januar 2022 geltende EU-Taxonomie-Verordnung. Bei der EU-Taxonomie geht es darum, Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten mittels objektiver Kriterien zu bewerten. Anhand von sechs Klima- und Umweltschutzkategorien wird definiert, welche Tätigkeiten und Investitionen von Gesetzes wegen als klima- und umweltfreundlich gelten. Dadurch wird es möglich, den grünen Fußabdruck von Unternehmen nach einheitlichen Kriterien zu messen und miteinander zu vergleichen. Nur wenn eine Wirtschaftsaktivität einen wesentlichen Teil zu einem der sechs Umweltziele beiträgt, ohne im Widerspruch zu einem anderen Umweltziel zu stehen, gilt sie als nachhaltig. Auch menschenrechtliche Mindestanforderungen müssen gewährleistet sein. Zu den Kategorien zählen:
1. Klimaschutz
2. Anpassung an den Klimawandel
3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
6. Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität
Auswirkungen auf
Großunternehmen
Seit dem 1. Januar 2022 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, ihr Engagement in Bezug auf nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gemäß der EU-Taxonomie-VO offenzulegen. Damit betrifft die CSR-Berichtspflicht (Corporate Social Responsibility) in der EU etwa 11.600 Unternehmen. Die große Mehrheit der deutschen Unternehmen, die sich nur über Kredite finanzieren, sind noch nicht zum Reporting ihrer nachhaltigen Wirtschaftsaktivität verpflichtet.
Mittelständler aufgepasst! Die Ausweitung der CSR-Berichtspflicht ist bereits geplant
Mittelständische Unternehmen sollten den Kopf aber nicht in den Sand stecken und sich dennoch mit dem Thema EU-Taxonomie-VO vertraut machen. Denn ein Richtlinienentwurf der EU-Kommission sieht vor, die CSR-Berichtspflicht auf fast 49.000 Firmen auszuweiten. Künftig müssten demzufolge auch börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und große nicht kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften entsprechende Berichte veröffentlichen, die Grenze von 500 Mitarbeitenden soll auf 250 herabgesetzt werden. Zudem ist vorgesehen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte extern prüfen lassen müssen. Für nicht-börsennotierte KMU schlägt die EU-Kommission die Entwicklung freiwilliger Standards vor.
Green Finance als Chance
für Unternehmen
Investoren und Banken achten inzwischen verstärkt darauf, in nachhaltige Themen zu investieren, deshalb lohnt es sich auch für mittelständische und kleinere Unternehmen, sich mit dem Thema Green Finance näher zu beschäftigen. Schließlich haben auch die Finanzinstitute ein Interesse daran, ihr Nachhaltigkeitsrating bzw. ihr „grünes Kreditbuch“ längerfristig aufzubessern. Professorin Dr. Verena Verhofen empfiehlt mittelständischen Unternehmen daher, sich unbedingt über die weiteren Entwicklungen und Regulierungen rund um das Thema Green Finance auf dem Laufenden zu halten. Dabei sollten sich mittelständische Unternehmen insbesondere darüber Gedanken machen, wie man auch als kleineres Unternehmen die notwendigen Daten zur Messung des grünen Fußabdrucks bereitstellen kann. „Wer sich ernsthaft und ganzheitlich über nachhaltige Lösungen für das eigene Unternehmen Gedanken macht und dies in seiner Unternehmensstrategie und seinem Geschäftsmodell verankert, kann womöglich bessere Konditionen bei der Kreditvergabe herausholen. Es ist gut möglich, dass Kreditinstitute zukünftig vermehrt auch taxonomierelevante Daten bei der Prüfung von Kreditrisiken miteinbeziehen werden.“ Green Finance ist somit längst kein Nischenthema mehr, sondern auf gutem Wege, sich zu einem wichtigen Nachhaltigkeitstreiber zu entwickeln.
Nachhaltigkeit managen
Rein ins Kerngeschäft mit der Nachhaltigkeit! Unternehmen werden mehr denn je an ihrem Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung und an der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung gemessen. Damit ihnen das gelingt, braucht es engagierte und qualifizierte Fach- und Führungskräfte, die passgenaue Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und Geschäftsmodelle transformieren.
Die International School of Management (ISM) unterstützt Unternehmen auf diesem Weg durch praxisnahe Weiterbildungen im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement. Das digitale Hochschulzertifikat vermittelt den Einstieg ins Thema und schafft Know-how für nachhaltige Wertschöpfung, neue Geschäftsmodelle sowie Leadership & Governance für Nachhaltigkeit. Die Hochschulzertifikate sind für die Praxis gemacht und arbeiten mit Fallstudien und Anwendungsfällen für den Job.
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