Gefühle sind ein kompliziertes Feld – vor allem am Arbeitsplatz, wo doch alles seinen gewohnten Gang gehen, jede Arbeitskraft funktionieren soll. Doch Gefühle lassen sich nicht ausschalten; denn niemand ist eine Maschine. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Schließlich gibt es jede Menge Jobs, in denen Gefühle gefragt sind. Welche Werberin, welcher Architekt, welche Ärztin, welche Forschenden haben sich nicht bereits von ihren Gefühlen leiten lassen und auf diese Weise die bessere Werbekampagne entwickelt, ein schöneres Haus gebaut, eine schwerwiegende Krankheit erkannt oder ein besonders gutes Forschungsergebnis erzielt? Emotionen sind also maßgeblich an vielen Entscheidungen und natürlich auch Erfolgen beteiligt.
Gefühle können am Arbeitsplatz jedoch auch Schwierigkeiten mit sich bringen, z. B. wenn Kollegin X auf Kollege Y offen ihren Neid zeigt, Mitarbeiter Z ständig Wutausbrüche hat und Herr A und Frau B auf einmal so traurig erscheinen und sich schlechter konzentrieren können. Wie gehen Führungskräfte also mit Gefühlen am Arbeitsplatz am besten um?
Ganz klar: indem sie sie ernst nehmen. Denn Emotionen haben immer eine tieferliegende Ursache. Sie herauszufinden erfordert jedoch Fingerspitzengefühl. Wut etwa muss nicht unbedingt etwas mit den Bedingungen am Arbeitsplatz zu tun haben. Vielleicht hat sich Mitarbeiter Z über andere Dinge geärgert und sucht nun ein Ventil, um seine Wut loszuwerden. Es kann daher sinnvoll sein, diesen Mitarbeiter zur Seite zu nehmen und ihm sein Verhalten zu spiegeln, anstatt es ihm anzukreiden. Spiegeln bedeutet dabei nicht, ebenfalls wütend zu werden. Es heißt, ihm beispielsweise zu sagen: „Ich sehe, Sie sind wütend. Stimmt das?“ Antwortet Mitarbeiter Z nun mit etwas wie „Ja, immer muss ich die Fehler der anderen ausbügeln“, kann es helfen zu fragen: „Sie fühlen sich also dafür zuständig, das, was die anderen Ihrer Meinung nach falsch machen, wieder zu richten – und zwar immer?“ Mitarbeiter Z wird auf diese Weise nicht nur auf seine Verallgemeinerung – das Immer – aufmerksam gemacht, sondern die Teamleiterin oder der Teamleiter zeigt ihm auch, dass sie oder er erkennt, was der andere zu leisten versucht, nämlich Verantwortung für das Tun anderer zu übernehmen. Das kocht die Wut in der Regel bereits ein wenig herunter.
Vielleicht ergibt sich aus dieser Form der Kommunikation – den anderen mit seinen Gefühlen ernst zu nehmen, ihm zugleich emotionale Empathie entgegenzubringen und immer wieder nachzufragen, ob man ihn richtig verstanden hat – die Information, dass Mitarbeiter Z womöglich in seinem Privatleben gerade sehr gestresst ist. Etwa, weil er die Verantwortung für ein älter werdendes Elternteil übernommen hat, das derzeit viele Fehler macht – und diese Wut auf den Arbeitsplatz überträgt.
Doch auch in den Fällen, in denen Mitarbeiter Z auf einen oder mehrere Kollegen wütend ist, lässt er sich durch diese Art der Kommunikation leichter beruhigen, weil er gefordert ist, über die eigenen Gefühle nachzudenken und wie er sie äußert. Oft stellen wütende oder neidische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann von selbst fest, dass sie sich selbst den anderen gegenüber unfreundlich verhalten haben, und schaffen es so eher, ihre Emotionen wieder zu kontrollieren.
Eine derart werturteils- und damit gewaltfreie Kommunikation zu lernen ist nicht ganz einfach, entspricht sie doch zunächst nicht der gewohnten Gesprächsführung; sie kommt den meisten Menschen erst einmal unnatürlich vor. Allerdings lassen sich mit ihr viele Probleme am Arbeitsplatz lösen – und vor allem gelingt es Führungskräften durch eine solche Kommunikation, die Gefühle ihrer Teammitglieder und deren Ursachen besser zu ergründen. Das schafft in der Regel ein besseres Arbeitsklima – und vor allem Vertrauen in die Teamleitung.
Diese Art der Gesprächsführung lässt sich in Seminaren zur gewaltfreien Kommunikation erlernen – online oder offline. Selbst wenn das neue Gesprächsverhalten im echten Leben nicht durchgehend umzusetzen ist: Jede Teamleitung, jede Führungskraft profitiert davon, an einem solchen Kurs teilzunehmen. Denn auch sie bringt die Änderung von Gesprächsmustern zum Umdenken. Nicht nur über Gefühle.
Simone Harland | redaktion@regiomanager.de
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