Produktion

Oberflächentechnik: Mehrwert garantiert

Oberflächenveredelung verhindert allein in Deutschland jährlich Korrosions- und Verschleißschäden in Höhe von 150 Milliarden Euro. Unternehmen beklagen Regularien, Vorschriften und Auflagen für Gebinde, Stoffe und Kennzeichnungen.

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von Regiomanager 11.09.2019
(Foto: © juju – stock.adobe.com)

Goldener Glanz hat schon immer eine faszinierende Ausstrahlung auf den Menschen gehabt. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Oberflächen werden auch mit Kupfer, Nickel, Chrom, Zink, Zinn, Kobalt, oder Nickel „veredelt“. Alle diese Systeme erfüllen hohe Anforderungen bezüglich Härte, Verschleißfestigkeit, Kontaktwiderstand und Korrosionsbeständigkeit. Aus funktionellen und wirtschaftlichen Gründen gewinnt auch die Anwendung von Palladium und Palladium-Legierungen an Bedeutung. Im Reigen der Oberflächenmaterialien dürfen auch Zink und Lacke nicht vergessen werden.

Land der Oberflächentechnik

„Die galvanische Oberflächenveredelung verhindert allein in Deutschland jährlich Korrosions- und Verschleißschäden in Höhe von 150 Milliarden Euro“, ist der Zentralverband Oberflächentechnik (ZVO) überzeugt, der eine der traditionell mittelständisch geprägten Industriebranchen vertritt. In Deutschland sind in der Branche 915 Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten erfasst. Die über 55.000 Beschäftigten erwirtschaften einen Umsatz von rund 7,5 Milliarden Euro. Der ZVO geht von einem Marktvolumen in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro allein in der Oberflächenveredelung aus, hinzu kommt die Anlagen- und Verfahrenstechnologie. Die Industriekreditbank errechnet für die gesamte Oberflächentechnik einen Umsatz von rund 18 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland das führende Land für Oberflächentechnik in der Europäischen Union. Die Galvanotechnik ist dabei die Schlüsseltechnologie, ohne die sich im täglichen Leben kein Rad mehr drehen würde. In einem Pkw befinden sich etwa 3.000 beschichtete Teile. Und auch Fliegen wäre ohne Galvanotechnik unmöglich, zwei Millionen beschichtete Teile fliegen in jedem Airbus.
Wichtigste Kundengruppe ist die Automobilindustrie, die etwa 40 Prozent der gesamten Leistungen der Oberflächentechnik in Anspruch nimmt. Weitere wichtige Abnehmergruppen sind der Maschinenbau, die Bauindustrie, die Medizintechnik sowie die Luft- und Raumfahrttechnik. Daneben beanspruchen aber auch die Elektrotechnik, die Verpackungsindustrie oder die (Tele-)Kommunikations- und Verkehrsindustrie diese Technologien.

Schutz und Optik

Galvanisch erzeugte Oberflächen bieten eine Vielzahl an hervorragenden Eigenschaften: Korrosionsschutz, Gewichtseinsparung, Abschirmung/Schutz vor elektromagnetischen Störwellen, Verschleißfestigkeit, perfekte Optik, Temperaturbeständigkeit, Gleitfähigkeit, Reibungsminderung, Kontakt- und Leitfähigkeit, Lötbarkeit, chemische Beständigkeit, angenehme Haptik … Eigenschaften, die andere Verfahren nicht komplett ersetzen können.
Günstige Grundwerkstoffe wie Stahl, Messing, Aluminium, Zink-Druckguss oder Kunststoff werden durch galvanisch hergestellte, dünne Oberflächen aus Kupfer, Nickel, Chrom, Zink, Zinn, Silber oder Gold geschützt: Aus unedlen Grundwerkstoffen entstehen hochwertige und langlebige Produkte. Die Schichten werden mit einer Dicke von nur wenigen Mikrometern auf die Grundmaterialien aufgebracht. Die wertvollen Rohstoffe werden äußerst sparsam und gezielt nur dort eingesetzt, wo sie wirklich benötigt werden. Mit lediglich einem Kilo Zink lassen sich beispielsweise eine Tonne Schrauben, mit 0,1 Gramm Gold 5.000 elektronische Kontakte vor Korrosion schützen.

„Durchwachsene Zahlen“

Wie bei den galvanischen Verfahren und denen des Feuerverzinkens fällt auch bei der Lackindustrie der Mehrwert, der durch die Verwendung der Produkte generiert wird, um ein Vielfaches höher aus als der Umsatz der Branche: So werden durch Beschichtungen etwa die Karosserien von 60 Millionen Autos geschützt. Auf rund 360 Millionen Quadratmetern Fassadenfläche ermöglichen Fassadenfarben individuelle Farbgestaltungen, deutschlandweit werden 120.000 Brücken vor Korrosion und Verfall bewahrt. Neben den 25.000 in der Branche Beschäftigten arbeiten gut 195.000 Maler und Lackierer sowie 180.000 Beschäftigte in Schreinereien mit Beschichtungsmaterialien. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 250 Lack- und Farbenfabriken mit rund 25.000 Beschäftigten, die 2,5 Millionen Tonnen Lacke und Farben produzieren und damit einen Branchenumsatz von mehr als acht Milliarden Euro erzielen. Allerdings musste der neue Präsident des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL), Peter Jansen, seinen Mitgliedern in diesem Jahr „durchwachsene Zahlen“ präsentieren.

Auto und Bau stottern

Auffällig ist die negative Entwicklung bei den Autoserienlacken, die rückläufige Autoproduktion schlug unmittelbar mit einem Mengen-Minus von 8,7 Prozent auf die Lackproduzenten durch. Der Korrosionsschutz kann sich mit 0,7 Prozent Wachstum knapp im positiven Bereich halten, Holz- und Möbellacke verzeichneten ein geringes Minus. Auch der Absatz im wichtigen Bautenfarben-Markt stottert. Die übrigen industriellen Sektoren, wie die Elektroindustrie, der Maschinenbau oder Metallerzeugnisse, liefen hingegen noch recht gut. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sieht sich die Branche aktuell vor großen Herausforderungen. „Anspannung hat hier Besorgnis Platz gemacht. Wir können allenfalls auf eine Seitwärtsbewegung hoffen“, prognostiziert Jansen. Die Branche beklagt „die immer stärker ins Wirtschaftsleben eingreifende Bürokratie“. „Regularien, Vorschriften und Auflagen für Gebinde, Stoffe und Kennzeichnungen schränken den Bewegungsraum der Unternehmen zunehmend ein“, ist er überzeugt.

Mitdenkende Farben

Neue Entwicklungen sind vielleicht gerade deshalb angesagt: Kratzfeste Lacke für die Automobilindustrie werden ebenso gesucht wie spezielle Lacke, die an Flugzeugteilen, dem ICE oder an Brücken Alarmsignale auslösen, wenn es zu einer Materialermüdung kommt oder mechanische Spannungen auftreten. Zu den großen Visionen, an denen die deutschen Lackforscher mit Hochdruck arbeiten, zählt die Gewinnung von Energie aus Sonnenlicht über spezielle Lackbeschichtungen an Wänden, Fassaden und auf Dächern: Dann beginnen die goldenen Zeiten der
Oberflächen. Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de

INFO

Hauchdünne Schichten

Alte Patente, neue Anwendungen

Gold und Silber sind bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Schmuck- und Kunstgegenständen galvanisch abgeschieden worden. 1840 wurde das erste Patent erteilt. Heute werden neben Gold und Silber noch Rhodium, Palladium, Platin und Ruthenium in der Galvanotechnik eingesetzt.
Edelmetalle und ihre Legierungen lassen sich auf fast allen Metallen, aber auch auf Nichtleitern abscheiden, nachdem diese durch Vorbehandlung leitend gemacht wurden. Zu den häufigsten Werkstoffen zählen Kupfer und Kupferlegierungen, wie Messing und Bronze, außerdem Neusilber, Nickel- und Nickellegierungen, Edelstahl, Kunststoffe und in neuerer Zeit auch Glas und Keramik. Die galvanisch hauchdünn aufgebrachten Schichten geben ihnen nicht nur neue Funktionen, sondern verleihen ihnen ein kostbares Aussehen, ohne sie damit kostspielig zu machen.
Halbleiter werden in wachsendem Maße in der Unterhaltungselektronik, der Telekommunikation und beispielsweise in der Automobilindustrie eingesetzt. Ständig kommen neue Anwendungen hinzu, etwa beim Bildtelefon oder beim Fernsehempfang über den PC.

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