REGIO MANAGER: Was bewirken Bilder beim Betrachter im Vergleich zu geschriebenen Texten?
Mareike Foecking: Bilder funktionieren direkter als ein Text, der erst gelesen und rational verarbeitet werden muss. Wir alle sehen ständig Bilder, wenn wir durch die Welt gehen. Und wir reagieren, wenn wir abgedruckte oder im Internet veröffentlichte Bilder sehen, sehr direkt darauf. Denn diese Bilder ahmen ja die Wirklichkeit nach, die wir täglich erleben. Insofern ist ein Bild ein sehr direkter und emotionaler Zugang zu Information.
RM: Wie sieht es aktuell mit dem Anspruch an die Qualität der Fotografie aus, vor allem in Bezug auf die Entwicklung der digitalen Fotografie?
Mareike Foecking: Die Qualität der digitalen Bilder war anfangs sehr schlecht, da die digitale Technologie noch nicht ausgereift war, als sie auf den Markt kam. Aber weil die Technik neu war und digitale Kameras diese leichte, niedrigschwellige Nutzbarkeit hatten, wurden sie trotz der fehlenden Qualität angenommen. Die Bilder, sowohl von Profis als auch von Amateur*innen, waren zunächst unbearbeitet und sahen alle gleich aus. Später kamen Filter-Apps hinzu, mit denen man die Bilder mit wenigen Clicks bearbeiten konnte. Die Looks, die man heute mit jedem Smartphone erzeugen kann, sind eigentlich Imitate aus der analogen Fotografie. Dadurch wird versucht, die Bilder zu individualisieren, was natürlich nicht funktioniert, da ja alle die gleichen Apps benutzen. Ich erlebe bei meinen Studierenden heute wieder die Hinwendung zu analoger Fotografie, weil sie es spannend finden, dass nicht alles gleich aussieht und dass man viel mehr eigene Entscheidungen treffen muss, welche Bildästhetik man erzeugen möchte, anstatt nur eine zu nehmen, die aus einem digitalen Gerät kommt. Heute ist die generelle Qualität der von Amateur*innen produzierten Bilder eher besser geworden, weil die Menschen generell ein sehr viel größeres Bildverständnis haben. Aber zu verstehen, was wirklich gute Fotografie ist, das hat eher abgenommen.
RM: Worauf sollte man als Unternehmen achten, wenn man eine eigene Bildästhetik aufbauen möchte?
Mareike Foecking: Durch die digitale Fotografie ist eine spezifische Bildästhetik entstanden, die der entsprach, die aus den ersten digitalen Geräten kam und auf Social Media ihre Anwendung fand. Das war die Zeit vor Instagram, als das Prinzip „Freunde werben Freunde“ an Bedeutung gewann und zu der Ästhetik der Bilder passte, die aus den Digitalkameras kamen. Diese Bildästhetik wurde für einige Zeit auch von den Unternehmen imitiert, zum einen, weil man dachte, das sei jetzt die angesagte Ästhetik, und zum anderen, weil es auch einfacher und vor allem billiger war, so zu produzieren. Heute beobachte ich, dass einer guten Bildästhetik wieder viel mehr Wert beigemessen wird. Die Beschäftigung mit gestalterisch und inhaltlich hochwertiger Fotografie sollte wieder sehr viel stärker in den Vordergrund gerückt werden, so dass wieder vermehrt professionelle Fotograf*innen engagiert werden. Es ist sinnvoll und nachhaltig, eine individuelle Bildästhetik zu entwickeln, die wirklich zu der eigenen Firma passt. Im Sinne des Branding, also „Wie kann ich mich als Firma definieren?“, sollten die Bilder eine vorrangige Rolle spielen. Denn das ist ja das, was ein Unternehmen nach außen repräsentiert und dabei auch die Menschen, die in den Firmen tätig sind.
RM: Wie geht man als Unternehmen dabei am besten vor? Gibt es Basics, die man wissen sollte?
Mareike Foecking: Das ist ein sehr komplexer Prozess, den man gemeinsam erarbeiten sollte. Man muss zum Beispiel darüber nachdenken, wie man als Unternehmen wirken und was man kommunizieren möchte. Wenn man sehr seriös wirken und sich eher in einem Art-Celebrity-Kontext verorten möchte, dann müsste man mit einem sehr hohen Aufwand von Licht arbeiten, um einen artifizielleren Look zu erzeugen. Wenn man eher persönlich und nahbar wirken möchte, vielleicht bei einem Familienunternehmen, dann sollte man eher natürliches Licht wählen. Soll das Bildmotiv eher inszenierter sein, weil man eine spezifische Aussage treffen möchte? Oder soll es eher einen dokumentierenden, reportageartigen Kontext wiedergeben, weil mal einen möglichst direkten Einblick in die Unternehmenskultur geben will? Diese Fragen und Kriterien müsste man sehr detailliert gemeinsam überlegen. Das ist ein sehr spannender Prozess, und wenn man den gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen durchführt, können sich diese darin auch sehr gut wiederfinden. In den Nullerjahren wurde sehr viel mit firmeninternen Testimonials gearbeitet. Dabei ging es um Authentizität und auch darum, Mitarbeiter*innen zu zeigen und sichtbar zu machen, um eine höhere Identifikation mit dem Unternehmen zu erzeugen. Ich wünsche mir, dass diese qualitativ hochwertige Fotografie wieder zurückkommt. Professionelle Fotografie ist ein kulturelles Gut, mit dem man sich als Unternehmen sehr gut von anderen absetzen kann.
RM: Wie sollte man vorgehen, um einen passenden Fotografen zu finden?
Mareike Foecking: Ein Unternehmen sollte sich ein Portfolio zeigen lassen und das dann nach seinen eigenen Kriterien bewerten. Wenn es zum Beispiel um die Darstellung von Menschen geht, macht es Sinn, sich das transportierte Menschenbild anzuschauen. Sind dort Menschen und Orte abgebildet, die etwas mit uns und unserer Branche oder unserem Selbstverständnis zu tun haben? Oder ist zumindest die angewandte Ästhetik eine, die man sich auch für die eigene Firma vorstellen kann? Wenn ein*e Fotograf*in vielleicht üblicherweise nur Musiker*innen fotografiert, vielleicht stark angeblitzt, dann kann man sich überlegen, ob man genau diese Ästhetik, die dort gezeigt wird, wählen möchte. Auch wenn die eigenen Mitarbeiter*innen keine Musiker*innen sind, möchte man dennoch vielleicht die Bildsprache auf die eigene Situation übertragen, weil man sie generell gut findet oder eine gewisse Coolness und Modernität repräsentieren möchte. Wenn man als Unternehmen die abgelichteten Prozesse eher realitätsnah abbilden möchte, dann sollte man auch versuchen, jemanden zu finden, der/die vielleicht in genau dieser Richtung arbeitet. Der Bildstil sollte übertragbar sein, von der Art des Umgangs mit Menschen und mit Farbigkeit, Bildausschnitten und Licht.
Durch die permanente Möglichkeit, Bilder im Internet zu überprüfen, wurden irgendwann Fotograf*innen nur noch gebucht, weil sie genau das, was gesucht wurde, bereits zuvor schon einmal gemacht hatten. Früher aber wurden Fotograf*innen viel allgemeiner aufgrund ihrer Bildsprache und ihres generellen Umgangs mit Sujets ausgewählt. Das scheint mir ein klügerer Weg zu sein, weil man dann zu überraschenderen und persönlicheren Ergebnissen kommen kann.
RM: Wie sieht es mit dem Wert von professioneller Fotografie derzeit aus?
Mareike Foecking: Fotograf*innen, die gut ausgebildet sind, sollten auch ein gutes Honorar für ihre Arbeit bekommen. Wenn man ein gutes Ergebnis haben möchte, dann muss man auch wertschätzen, dass jemand durch eine lange Ausbildung eine Expertise entwickelt hat, die nun zur Verfügung gestellt wird. Dafür bekommt man ja auch einen Gegenwert. Es wäre schön, wenn das Bewusstsein für die Bedeutung von guter Fotografie für Unternehmen wieder verstärkt vorhanden wäre.
Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de
Info
Prof. Mareike Foecking
studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und arbeitete viele Jahre als professionelle Fotografin. Heute ist sie Professorin für Fotografie und Leiterin des Lehrgebietes Fotografie im Fachbereich Design an der Peter Behrens School of Arts der Hochschule Düsseldorf.
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